GPS Navigation lässt Orientierungssinn verkümmern

  • Ich glaube, das Risiko ist weniger „verkümmern“ (bei Erwachsenen) und viel mehr „nicht lernen“ (bei Kindern).

    Wobei Kinder ja eher gar nicht bis sehr wenig mit GPS navigieren. Allerdings werden sie heutzutage mehr gefahren als früher, haben dadurch aber auch einen weiteren "Erlebnisradius".

    Ich habe mir mal die Harvard-Studie durchgelesen die im Artikel verlinkt wird und einen Zusammenhang mit Taxi- und Krankenwagenfahrenden (people with "substancial navigational memory") und einem verringerten Risiko an Alzheimer zu sterben festgestellt. Spannend - aber für das "GPS-Navitgationsproblem" ist es wohl nicht relevant, denn auch ohne GPS wird wohl keiner in seinem Alltags- oder Wanderleben so eine gewaltige innere Karte anlegen. Bei Busfahrern war dieser Zusammenhang schon nicht mehr festzustellen.

    Anektodisch lustig finde ich es immer, wenn ich mit an meinem Wohnort mit Einheimischen rede und die Sprache auf einen Ort in der Nähe kommt. Wenn ich dann sowas sage wie "ah ja, Pusemuckelhausen, das ist nordwestlich von Pusemuckelstadt, richtig?", dann ernte ich fast immer Fragezeichen. Weil die meisten mir Bekannten ihre Umgebung nicht an den Himmelsrichtungen orientieren, sondern eher nach "Die B entlangfahren und an Kreuzung X die Ausfahrt nach Muckeldorf nehmen".
    Ich kann nicht beurteilen, ob das eine besser oder schlechter ist, es ist mir nur aufgefallen.

  • "Die B entlangfahren und an Kreuzung X die Ausfahrt nach Muckeldorf nehmen".

    Richtiger local style ist eigentlich eher "hinter dem Schneider Willi seinem Hof, an der Kurve wo der Kurt besoffen in die Wiese geflogen ist ”

    ^^ Genau. Aber da ich zugezogen bin, filtern die meisten Willi und Kurt noch für mich raus.

  • Mal gleich mit einem Clickbaittitel probiert 😜.

    Allerdings gibt es im Spektrum der Wissenschaft tatsächlich einen kurzen Artikel zum Thema, nach meinem subjektiven Empfinden ist durchaus was dran.

    ja das wird schon so sein aber bei diesen Studien stellen sich bei mir die Nackenhaare hoch:

    Zitat

    Taxifahrer bekommen seltener Alzheimer

    Dafür spricht eine im Dezember 2024 publizierte Studie. Die US-amerikanischen Autoren um Joseph Newhouse von der Harvard University haben untersucht, woran rund neun Millionen Menschen mit 443 verschiedenen Berufen gestorben sind – und stellten fest: Personen, die als Taxifahrer oder Krankenwagenfahrer gearbeitet hatten, wiesen eine deutlich geringere Rate an Alzheimererkrankungen auf als der Bevölkerungsdurchschnitt.

    Taxifahrer ist ein absoluter Niedrig - Lohn Job , meistens als Selbstständiger ausgeführt ohne soziale Absicherung (okay in den USA gilt das für viele Jobs, klar) Das Taxifahrer selten Alzheimer bekommen liegt wohl daran, dass sie eine geringe Lebenserwartung haben, mit 80 wird man also eher dement als mit 60...

    Rauchen schützt übrigens aus dem gleichen Grund vor Alzheimer...

  • Taxifahrer ist ein absoluter Niedrig - Lohn Job , meistens als Selbstständiger ausgeführt ohne soziale Absicherung (okay in den USA gilt das für viele Jobs, klar) Das Taxifahrer selten Alzheimer bekommen liegt wohl daran, dass sie eine geringe Lebenserwartung haben, mit 80 wird man also eher dement als mit 60...

    Die Studie hat das, so wie ich sie lese, im Studiendesign herausgefiltert/mitberechnet.

    Statistical analysis

    For each occupation, we first calculated the percentage of deaths due to Alzheimer’s disease and the mean age at death in years (ie, average life expectancy). We plotted the association between these two variables, with each observation reflecting a single occupation. The purpose of this analysis was to illustrate the need to account for the person’s age at death since the risk of Alzheimer’s disease rises with age and therefore Alzheimer’s mortality would naturally be lower in occupations with a lower life expectancy.

    (Fettung von mir.)
    Quelle: https://www.bmj.com/content/387/bmj-2024-082194

  • Ich glaube, das Risiko ist weniger „verkümmern“ (bei Erwachsenen) ...

    Ich habe mich zu diesem Thema einmal ausführlich mit einem älteren Berliner Taxifahrer unterhalten. Er konnte bestätigen, dass seine Orientierungsfähig seit der Hilfe von Navigationssoftware deutlich abgenommen hat. (Und das läge nicht am Alter!) ;)

  • Diese Orientierung an landmarks kenne ich auch (auffälliges Haus, Baum, Schuhladen, irgendetwas Witziges...) und nutze es beim Wiederfinden von Wegen erheblich mehr als z.B. mein Partner, der mehr in Himmelsrichtungen und der Draufsicht denkt.

    Was - bei mir - vor allem verkümmert ist, ist die Bereitschaft, auf einer Karte ständig mitzuverfolgen, wo auf dem Weg ich mich inzwischen befinde.
    Dabei war ich - trotz einiger Übung - noch nie gut, und es hat schon mich immer viel Zeit gekostet, auch beim zehnten Mal!, mich auf einer Karte zu verorten. Ich musste beim Wandern (etwas übertrieben) immer den Finger an der richtigen Stelle der Karte mitlaufen lassen.
    Und - was ich bis heute mir immer wieder bewusst machen muss: dass, wenn ich "von oben nach unten gehe", links rechts ist und umgedreht. Um da nicht komplett zu verdummen (und mir nicht die letzte Draufsicht-Orientierung zu verderben), lasse ich auch auf dem Phone den Norden immer oben.

    Dadurch, dass ich bei Karten usw. aber genauer hingucken muss als manch anderer, passiert es mir aber auch nicht so leicht, dass ich das auch tatsächlich tue und nicht so leicht übersehe, dass es z.B. keine Brücke gibt...

    "Nichts leichter als das", antwortete Frederick. "Komm mit!"

  • Halten wir fest:

    Eine Fertigkeit die wir nicht nutzen/trainieren verkümmert.
    Eine Fertigkeit die wir nicht in jungen Jahren erlernt haben hat es auch schwerer.

    Als Nicht-Wissenschaftler finde ich das jetzt nicht besonders überraschend. Aber schön wenn das jetzt nochmal bestätigt wurde.

  • Ich glaube, das Risiko ist weniger „verkümmern“ (bei Erwachsenen) und viel mehr „nicht lernen“ (bei Kindern).

    Würde auch sagen, dass es besonders für Menschen gilt, die nie gelernt haben ohne GPS zu navigieren. Ich habe mein halbes Leben ohne GPS navigiert und behaupte ich, dass ich es auch immer noch könnte.

  • Ich glaube, das Risiko ist weniger „verkümmern“ (bei Erwachsenen) und viel mehr „nicht lernen“ (bei Kindern).

    Würde auch sagen, dass es besonders für Menschen gilt, die nie gelernt haben ohne GPS zu navigieren. Ich habe mein halbes Leben ohne GPS navigiert und behaupte ich, dass ich es auch immer noch könnte.

    Dachte ich auch. War schon als Kind ein ziemlicher Karten Nerd - dann über Jahre nur mit GPS gelaufen - dann mal wieder Tour geplant, 3h waren geplant, 8h hats gedauert. Demut war die Folge. Man verlernt das. Bin gerade dabei mir das wieder zurückzukämpfen indem ich die Kartenapps als Landkarte verwende, habe auch bei den wilden Touren immer Papierkarten als Plan B dabei, ein Handy ist kein Sicherheitsdevice

  • Ich glaub in der Hinsicht bin ich ganz froh, erst relativ spät zum GPS gefunden zu haben, Haken ist anderseits, dass ich mich manchmal mit der elektronischen Planung immer noch schwer tue.

  • Haken ist anderseits, dass ich mich manchmal mit der elektronischen Planung immer noch schwer tue

    Das stimmt, bin da auf Tour viel zu sprunghaft in meiner Wegefindung, als das ich stumpf einem GPS Track folgen könnte. Und die vielen Alternativ Routen ein zu pflegen sind dann oft over the top..

    Skills are cheap - Passion is priceless

  • Haken ist anderseits, dass ich mich manchmal mit der elektronischen Planung immer noch schwer tue

    Das stimmt, bin da auf Tour viel zu sprunghaft in meiner Wegefindung, als das ich stumpf einem GPS Track folgen könnte. Und die vielen Alternativ Routen ein zu pflegen sind dann oft over the top..

    Ich kann mapy.com sehr empfehlen. Planung am PC über Browser sehr intuitiv, einfach speichern und ist auf der Handy App verfügbar. Track per ptx runter laden und auf alle devices spielen.

    Damit verlernt sich das Kartenplanen leicht. Ich hätte auch noch andere schlechte Angewohnheiten in denen ich gerne schulen könnte

    ;) :saint: 8o

  • Ich kann mapy.com sehr empfehlen

    Fand ich auch gar nicht schlecht, bis auf die Übertragung der gpx Dateien, ist für mich aber durch das Abomodell komplett raus.

    Die ITler im Forum halten mich wahrscheinlich für einen Höhlenmenschen, aber wirklich intuitiv fand ich bislang kaum ein Programm, inzwischen hab ich mich an Locus so halbwegs gewöhnt.

  • Nach über einem Jahrzehnt Orientierungslauf, auch in kartentechnisch sehr schwierigem Gelände, wage ich zu behaupten: GPS Navigation auf neueren Smartphones ist in Krisensituationen wesentlich sicherer als Papierkarten (auch wenn diese auf wasserdichtem/einfach zu reinigendem Papier gedruckt sind).

    Karten auf Papier nutzt mensch wegen der Haptik und der Freude an der Navigation. Auch mit dem Sextant zu navigieren macht wohl Freude, genau so wie Dampfzugfahren oder historische Automobile. Lamborghinis Countach gilt heute noch als Kultobjekt, manche bezahlen Mondpreise dafür. Zum herumfahren eignen sich die Dinger weniger.

    In der Nacht, wenn die Sicht nicht gerade berauschend ist, z.B. infolge Nebels, ist mit der Papierkarte schnell mal Schluss. Nur muss man hin und wieder auch mal weniger planmässig wieder runter vom Berg etc.

    Hier in der Schweiz gibt es die Landestopographie, die machen wirklich gute Karten, in Kombination mit deren App ist das unschlagbar. Innert Sekunden weiss mensch wo mensch ist. Kartennavigation auf langen Touren ist wenig praktikabel.

    Natürlich, vor 150 Jahren schlug mensch sich auch irgendwie durch, nur kam damals wirklich niemand schnell vorwärts. Vor noch längerer Zeit klaute man einem Bären die Haut und den Pelz, das war dann wohl eine riskante Angelegenheit.

    Es gibt immer wieder Diskussionen, um das "echte" Wandern, die meisten davon sind schlicht und ergreifend gaga. Es gibt immer noch Leute, welchen anderen Vorschreiben möchten, wie man wo unterwegs zu sein hat. Wehe die Hose steht nicht von selbst, weil sie unzureichend gewachst worden war. Als nächstes wird wahrscheinlich der Troppenhelm wieder eingeführt. Für diese Kollegen sind schon kolorierte Karten moderner Quatsch.

    Ausserdem lassen sich GPS-Apps eben mit Schwarm-Intelligenz kombinieren. Und schon erspart mensch sich 5 km Roadwalk, weil das Hotel eben wegen zu geschlossen ist etc.

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