Warum wandert ihr eigentlich?

  • Ich find's ja spannend, warum Menschen Dinge tun, die sie tun. Das ist ja auch das tolle an Stammtischen, weil man dort so unterschiedliche Beweggründe hört, warum wer welche Tour macht.

    Bei mir ist's einfach: Ich gehe schon immer gerne zu Fuß, lieber noch als Radzufahren oder mich auf Öffis verlassen zu müssen. Auto ist auch so eine Sache, geht ja leider oft nicht anders. Wenn ich also Zeit habe, gehe ich. Und ich hab immer ungern zu viel Krempel dabei. Und ihr so?

  • Oh, dafür gibt es so viele Gründe bei mir, aber einer ist davon: Diese ganz besondere Stille an Orten im Gebirge, die man nur zu Fuß erreicht. Es gab auf der letzten Reise auf den Äußeren Hebriden auch Trockenwiesen am Meer, die interessanterweise die gleiche selige Atmosphäre ausstrahlten.

  • Wandern und Radeln in der Natur ob für eine Stunde oder für Wochen am Stück bedeuten für mich absolute Entspannung. Gerade bei Mehrtagesunternehmungen reduziert sich für mich alles auf das essentielle. Alltag, Arbeit und Sorgen treten in den Hintergrund. Das hier und jetzt wird maximiert. Der Kopf ist bei der nächsten Mahlzeit, der nächsten Wasserquelle, der nächsten Übernachtung und ansonsten nur beim unmittelbar Erlebten. Hinter jeder Ecke wartet eine Überraschung, ein Erlebnis oder auch nur eine kleine Beobachtung. Nach einer Woche auf einer solchen Reise müsste ich erstmal nachdenken, wenn mich jemand fragen würde, was ich beruflich mache...

    Dazu kommt dann noch der sportliche Aspekt. Ich bin mit Sport aufgewachsen und bringe viel Lust dazu mit, mich selbst herauszufordern. Weitere Tagestouren, herausfordernde Trails, mehr Höhenmeter, weitere Etappen usw. Der Wettkampf mit sich selbst und dem inneren Schweinehund bietet unendliche Möglichkeiten.

  • Viele Gründe nicht zwingend in der Reihenfolge. Zu Fuß gehen macht Spaß, Natur oder sagen wir in unseren Gefielden eher “das Grüne & Draußen sein” ist wunderbar, die Annehmlichkeiten der Zivilisation, wie ein ein weiches Bett und warmes Wasser wieder wertschätzen, der Fokus auf die “Kleinigkeiten” wie Nahrung und Unterkunft, Austesten meiner Grenzen, neue Dinge sehen, weg aus dem Alltäglichen, Spaß am Equipment, Geräusche im Wald (vor allem Nachts), Begegnungen mit Mensch und Tier, Ruhe vor Menschen/Zeit mit mir, das Licht am Morgen, Nebelfetzen an Hängen, der Geruch von Regen, Trail Magic,

    UL wobei das L auch für Luxus stehen kann 😅

  • Wenn ich's auf ein Wort herunter brechen müsste - Flucht. Flucht vor einem oftmals überwältigenden Alltag, vor dem allgegenwärtigen Lärm, vor oftmals völlig übertriebener Beleuchtung, vor dem ewigen Zwang, mich zu verstellen, nur damit andere mich einigermaßen verstehen. Manchmal auch als Ventil für aufgestaute Emotionen. Alleine auf dem Rad oder beim Wandern kann ich alles das zu Hause lassen, ohne Risiko, anderen weh zu tun. Letztendlich kann ich mich so auch weit genug erholen, dass ich nicht irgendwann zusammen breche. Das hatte ich schonmal und es hat sehr lange gedauert, da wieder raus zu kommen. Ich habe da definitv keinen Wiederholungsbedarf... Also raus und wenn ich das Gefühl habe, rennen zu müssen, auch das.

  • Bewegen bringt Bewegung in das Starre.

    Manchmal muss ich gehen, damit es weggeht.

    Eine Schwere und eine - manchmal komplizierte - Verkopftheit ist mir eigen. Bewegen hilft Gedanken in den ich mich verloren habe (oder verbissen) wieder in Bewegung zu bringen - oder vielleicht laufe ich einfach auf eine andere Position und betrachte sie von da aus. Es hilft das Denken in im Fluss zu halten. Und gerade beim Wandern und vor allem auf der Langstrecke ist irgendwann alles "Leergedacht" - dann gibt es nur noch unmittelbare, das hier und jetzt. das ist eine Auszeit auch von mir selbst.

    Ich finde den Fokus auf die unmittelbare Grundbedürfnisbefriedigung als sehr strukturierend, es gibt Halt in der Schwere und Leere im Kirmeskopf. Ich komme on trail zur Ruhe mit mir selbst. Ich kann Pause von den Überforderungen machen, weil der UL-Rucksack mich dazu "zwingt" Achtsam mit mir und meinem Zeug umzugehen.

    Es ist Tatsache auch heilsam als eine Selbstvergewisserung, dessen was möglich ist. Ich benötige Copingstrategien der Bewältigung des Selbstseins - mit meinen Depressionen gibt es ein tiefes Mittrauen gegen mich und mein so sein. Wandern hilft mir mich dann und wann zu spüren, ein Gefühl zu mir selber zu entwickeln, aus der dumpfen Leere auszubrechen. Ich habe "zählbares", dass ich mir vergegenwärtigen kann. Ich kann mir selbst ggü glaubhaft werden.

    das alles fällt mir on trail leichter als off trail. deshalb brauch es, vor allem wenn der Akku leer ist und ich denke "wie soll ich das alles schaffen?". hashtag hikingtherapy heilt nicht, aber hilft. Deshalb wandere ich.

  • Mich hat tatsächlich erst das Trekking vom A nach B über längere Zeit abgeholt. Die berühmten Spaziergänge/Kurzwanderungen im Kreis zum Ausgangsort waren mir immer ein Gräuel.

    Aber zu sehen, was man schon geschafft hat, was noch kommt, ganze Länder oder Landstriche zu durchwandern, ein Trail asks Projekt, unterwegs nur kurz Lager aufschlagen, dass begeistert mich einfach.


    Dazu drumherum:

    • Man kann besonders naturnah/zivilisationsfern sein, kann sogar völlig weglos unterwegs sein, so tief taucht man sonst kaum ein, vor allem bei langen Touren, Tage von der Zivilisation oder auch nur einer Straße oder einem Weg weg. So sieht man Gegenden, die anders kaum erreichbar wären
    • Ich kann im physischen 'Doing', wie beim Laufen in der Natur gut abschalten und mich auf das hier und jetzt fokussieren oder die Gedanken schweifen lassen.
    • Ausbrechen aus dem Alltag, Trott, Zivilisation, gewohnter Umgebung, Kultur etc. und damit Blick schärfen für neues und erneut auch für gewohntes
    • Digital Detox
    • Die sportliche Komponente, sich selbst zu fordern und den Körper zu spüren und herauszufordern, die zufriedene Erschöpfung
    • Neue, mir noch unbekannte Gegenden und Natur erschließen
    • Beschränkung auf das nötigste im Kontrast zum Alltag im Überfluss.
    • Wahlweise mit sich selbst alleinsein - oder auch den Teamspirit mit guter Begleitung zu genießen


    Danke für das anstupsen, da mal genauer drüber nachzudenken, was im ersten Moment so basal erscheint:thumbup:

    "Not all those who wander are lost"

  • Schöner Faden! Meine erste Reaktion war auch erstmal "Hm ja warum eigentlich?!"

    Ich kann mich hier insbesondere Hike-a-Bike , questor | hangloose & extremspaziergaenger anschließen! Danke fürs ausformulieren, ich hätte es nicht so gut auf den Punkt bringen können.

    • Reduktion aufs Wesentliche
    • Alltag hinter sich lassen
    • Gedanken "wegdenken" können
    • Das ewig ratternde Hirn endlich mal zur Ruhe zu bringen
    • Langsames Reisen
    • Im hier und jetzt sein können
    • Sich wieder über kleine Freuden der Zivilisation freuen können (warme Mahlzeit, heiße Dusche, Bett)
    • Sportliche Komponente, endlich mal körperlich ausgelastet sein (schaffe ich im Alltag grundsätzlich nicht)
    • Auch ich hab wenig Freude an "Kurzwanderungen" oder sowas. Können viele Leute nicht nachvollziehen, weil ich ja "gerne wandere"

    Und für all das ist für mich wenig Gepäck absolut essentiell! Ich kann die Gedanken nicht schweifen lassen, wenn jeder Gedanke an den zu schweren Rucksack draufgeht, ich mich um tausend Dinge kümmern muss wenn ich packe oder campe. Es ist ein Genuss zu wissen, dass ich entspannt abends noch entspannt 5 oder 10km weiter laufen kann bis ich entweder müde werde oder einen mir passenden Zeltplatz suchen möchte - mit schwerem Gepäck wird das deutlich schwieriger. Zudem ist das Strecke machen mit leichtem Gepäck auch viel einfacher. In nur einigen Tagen mit unter mehrere Hundert km laufen zu können ist einfach grandios.

    Danke für das anregende Thema!

  • Mich erfüllt bereits die Planung. Von der Packliste, der Anreise bis in zum Abgrasen der Orte auf der Karte zum Checken von Nachschub. Es lenkt mich ab, mein Kopf ist voll und alles kribbelt. Die Freude über den kleinen Rucksack. Und wenn es dann losgeht, ist es einfach ein Abenteuer.

  • Um den Kopf frei zu bekommen. Um die Akkus aufzuladen. Um den Lärm und in allgemein Menschen zu entkommen.

    Ich brauche einfach die Stille und die Ruhe von Natur. Am liebsten im Wald. Das hat etwas therapeutisches 😉. Außerdem empfinde ich es befreiend nur mit wenig unterwegs zu sein.

  • Wegen dem Flow.

    (Und vielen Gründen, die hier schon genannt wurden:))

    Wenn der Körper das Tempo übernimmt und ich über nix mehr nachdenken muss.

    Manchmal mag ich eine Stunde rumsitzen und gucken. Manchmal merke ich erst am "Hungerast", das eine Pause nötig wäre.

    Am liebsten Etappen, die Rundwanderwege nur so als Lückenfüller.

    Das habe ich tatsächlich erst diesen März so richtig wahrgenommen. Zwei Wochen Urlaub, in der ersten mit meinem ...äh..."Ding🤫".... auf Hessenrundfahrt gewesen, in der zweiten von zu Hause aus den Kassel-Steig fertig gelaufen (Geld war alle :S)

    Und nur beim Wandern diesen Flow gemerkt.

    Tja - seitdem steht das "Ding" im Urlaub in der Garage ^^

  • Die meisten Gründe die hier genannt wurden erfülle ich mir auch am / auf dem Wasser beim angeln.

    Zum wandern bin ich ehrlich gesagt erst gekommen nachdem mein Physiotherapeut mir dazu geraten hat .

    Nach Jahren im Padelsport ( https://de.m.wikipedia.org/wiki/Padel-Tennis ) macht das rechte Knie ärger ,schnelles abstoppen und die kurzen Sprints sind halt nicht besonders förderlich für die alten Knochen.

    Beim wandern habe ich keinerlei Probleme , mache allerdings bisher auch nur Tagesetappen von max. 20 - 25 km.

    Einmal editiert, zuletzt von Belian (12. Oktober 2024 um 06:17)

  • Für mich ist es der andere Zugang zur Natur, die langsame Bewegung und die Möglichkeit den Kopf völlig abzuschalten. Wir sind sehr viel mit den Rädern unterwegs, da liebe ich die Geschwindigkeit, zu sehen wie die Landschaft sich verändert und vor allem den Kontakt zu den Menschen, ich sehe mehr vom Land. Ich habe aber das Eintauchen in die Natur sehr vermisst, so wie ich es von früher auch vom Paddeln her kenne. Einfach mal meditativ nur unterwegs sein, Kopf frei machen (keine gute Idee auf dem Rad, da muss ich viel fokussierter bleiben).

  • Ich bin eigentlich STINK FAUL!

    Ich kann mich schwer aufraffen, um die einfachsten Dinge, wie zum Beispiel den Hausputz zu erledigen.

    Aber ich war vor 20 Jahren ein paar Mal auf dem Camino del Norte unterwegs und schon am zweiten Tag, hat meine Frau mir gesagt, das ich häufiger Wandern gehen sollte, weil ich am ersten und zweiten Tag der Wanderung, mehrmals laut ausgesprochen hatte, wie schön das Leben so ist.

    Danach, auch weil meine Frau danach nicht mehr zum Fernwandern zu bewegen war, bin ich wieder in meine Faulheit zurück gefallen.

    Vor ein paar Jahren hat sie einen Burn Out gehabt, in Verbindung mit einer Angsterkrankung.

    Das hieß längere Zeit keine Urlaubsfahrten mehr.

    So habe ich mir ein Zelt (billiger Scheiß) gekauft und habe eine fünftägige Fahrradtour gemacht.

    Hat mir zwar gefallen, aber ich bin eigentlich kein Fahrradfahrer.

    Also erinnerte ich mich daran, wie gut es mir ging, damals auf dem Jacobsweg.

    Mittlerweile, d.h. nach dieser ersten Fahrradtour, hat ein Freund mich auf UL gebracht und so kam Eines zum Anderen. (ich wollte ja nicht wieder einen drei Kg schweren Rucki tragen)

    Um das Thema dieses Threads für mich auf den Punkt zu bringen:

    Ich wandere, weil ich mich dabei gut fühle und im Reinen mit mir und meiner Umwelt bin! Kopf frei, körperliche Bewegung und weg lassen, des täglichen Konsums!

  • Die Vorfreude bei der Planung... das Kribbeln im Bauch in Erwartung des Ungeplanten .. das Gefühl von Freiheit und Abenteuer.. das Einssein mit dem Körper .. die sportliche Anstrengung bis zur Grenze oder darüber hinaus ... die Ruhe im Kopf .. die Schritte als Taktgeber ... das Draußensein .. die Reduktion auf das Wesentliche .. das morgens alleine durch die Stille laufen .. wenn dann der Nebel von den Wiesen aufsteigt und die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume fallen geht das Herz auf und die Endorphine sprühen

  • Primär gehts mir darum, die Schere zwischen mir und der Natur wieder aus dem Kopf zu bringen. Das ist auch der Hebel, um alles Schöne und Intensive am Weg unverfälscht zu erfahren, unterdrücke Emotionen wieder zu erleben und offen für neue Erfahrungen und damit verbundenen Lebensrisiken zu werden. Und natürlich, um Leuten zu begegnen, die nicht in der überideologisierten Alltagswelt gefangen sind. Ein Satz, den man auf langen Trails oft hört, ist nicht umsonst: "Das hat mein Vertrauen in die Menschheit wiederhergestellt".

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