Der "Versehrtenthread" 😉

  • Hallo,


    auch auf die Gefahr hin, wie bei Oma früher am Kaffeetisch zu enden, wo es irgendwann nur noch um die Galle oder den Hallux ging, möchte ich hier ein Thema eröffnen, welches mir (auch aus persönlichen Gründen) am Herzen liegt...


    Manchmal denkt man ja bei den Reiseberichten, dass die Touren nur von jungen dynamischen Vollsportlern gemacht werden können, solch wahnsinnige Sachen sind dabei, allerdings bekommt man doch mit, dass einige hier auch mit Einschränkungen tolle Touren auf die Beine stellen.


    Ich würde gerne wissen, wer hier vielleicht auch mit Einschränkungen zu tun hat und wie ihr damit umgeht (da kann man sich vielleicht ja was abgucken...)


    Im Endeffekt gilt ja wirklich: Hike your own hike 😃


    Ich fang dann mal bei mir an:

    Mir macht die Rucksacksuche Schwierigkeiten, weil ich 2012 Brustkrebs hatte und seitdem "oben ohne" unterwegs bin (OT: Im Gegensatz zu RaulDukes "unten ohne" erspare ich euch aber Fotos, hihi....)
    Die Träger müssen die richtige Breite haben, gut gepolstert sein und ohne Beckengurt geht gar nix. Immerhin hab ich jetzt das richtige Packsystem gefunden, damit mein rahmenloser Rucki gut sitzt. Allerdings ist er ein bisschen zu lang, weswegen nächstes Jahr nicht nur ein neues Zelt nebst Isomatte auf dem Plan stehen, sondern ggf. auch ein neuer Rucksack - muss nur noch im Lotto gewinnen, seufz...


    Letztes Jahr kam ein beginnender Fersensporn dazu, den habe ich aber mit dem Wechsel auf Hokas und Fußgymnastik wieder weg.

    Und mein Knie (alte Reitverletzung) freut sich auf weiteres UL ^^


    Naja, bin jetzt mal gespannt, ob das Thema überhaupt interessiert

    LG <3

  • Hallo:)

    Ich habe das Thema in meinem Fall nun schon einige Male hier und da angeschnitten, aber wenn wir schon einen dedizierten Thread starten, kann ich natürlich nicht still bleiben^^
    Ich hab eine angeborene Erkrankung, die einseitig vorhanden ist, sich aber letztendlich beidseitig auswirkt. Beim Wandern gibt es vor allem dreierlei Auswirkungen (Reihenfolge hat keine Bedeutung):
    1) Die Feinmotorik der betroffenen Hand ist eingeschränkt. Nervig vor allem im Camp, weil ich für vieles, wofür man beide Hände braucht, länger brauche oder es teils gar nicht hinbekomme.
    Einzige Lösung: Sich vergegenwärtigen, dass das Trekking das ist, das dich am glücklichsten macht. Und naja, hab natürlich auch ein paar Kompensationsstrategien für einige Dinge entwickelt...

    2) Ich weise eine ziemlich starke muskuläre Dysbalance auf, da ich die erkrankte Seite weniger nutze und die gesunde Seite umso mehr leisten muss. Ende vom Lied: Beide Seiten können Überlastungsverletzungen ausbilden, wobei das auf der kranken Seite häufiger vorkommt (Hüfte, Knie u.v.m.). Muskelkater bekomme ich auf der erkrankten Seite immer, daran hab ich mich gewöhnt.
    Lösung: im Alltag lebenslange Physiotherapie und Muskeltraining in Eigenregie, auf dem Trail zweimal täglich Ewigkeiten die Muskulatur lockern und massieren.

    3) Mein Gleichgewichtssinn ist eingeschränkt: Man kann es quasi so beschreiben: mein gefühltes "Gerade" ist ziemlich schief:rolleyes:
    Ist insbesondere dann kritisch, wenn ich auf dem Trail balancieren muss (Geröllfelder, Flussquerungen usw.)
    Lösung: Tempo stark reduzieren und sich konzentrieren. Beim Furten entsprechend die Schuhe wechseln.

    Klettern und hochalpin unterwegs sein können werde ich in meinem Leben wegen diesen drei Dingen wohl nie, aber damit habe ich mich arrangiert. Nicht umsonst bin ich so sehr ins Fjäll verliebt.

    "Bonuseinschränkung": Ich bin glutenunverträglich, macht Resupplies sehr abenteuerlich. :D

    Wenn jemand Tipps bei Überlastungsverletzungen braucht, fragt mich, da bin ich Experte8)^^
    Und ich habe auch ein paar gute Rezepte für glutenfreie Trailverpflegung^^

  • Hi there....

    Der "Versehrtenthread" 😉

    Gut, du hast ein paar " " gesetzt und auch ein Smiley...

    Der von dir gewählte Titel soll also bestimmt nicht negativ klingen. Oder diskriminierend... Ich bin auch sicherlich der letzte der von dem ganzen "politisch korrekt" Scheiß anfängt. Einfach sagen, was Sache ist. Frei raus. Da bin ich auch dafür. Aber wollen wir trotzdem einen anderen Titel für diesen Faden nehmen?? Irgendwie finde ich es schöner, wenn schon im Titel irgendwie der Wille anklingt, das Problem anzupacken und eine Lösung zu finden. Wenn man es mehr als eine Aufgabe sieht, die das Leben stellt. Oder man sieht es als steilen, steinigen Weg, der einen ins Schnaufen bringt - aber vielleicht ist man ja auch irgendwann oben, man hat etwas überwunden und hat sich was neues erschlossen. Oder man merkt, dass es auf der eingeschlagenen Route nicht weiter geht, deshalb sucht man einen einfacheren Weg aussenrum.. Versehrten-Thread klingt irgendwie so als würde der Fokus auf dem Negativen liegen, darauf, dass etwas fehlt... Just thinkin'...

    On topic:

    Ich finde das ist ein wahnsinnig wichtiges Thema - bzgl. Wanderungen machen aber auch für das ganze restliche Leben. Für das Älterwerden zum Beispiel auch... Deshalb: ja, ich würde schon sagen, es interessiert!!

    Ja, ich gehöre auch zu den Leuten, die mit Einschränkungen leben. Die nicht mehr für einen 100 km Lauf trainieren. Und nicht mehr 30 kg Rucksäcke schleppen können...

    Wie ich damit umgehe? Die wichtigste Lektion, die ich lernen musste: Dankbar sein, für das was geht. Nicht traurig sein, über das was nicht mehr geht. Den Blick auf die Dinge richten, die man kann. Und diese Sachen, die man kann dann auch machen und in vollen Zügen genießen. Sich nicht aufhalten lassen von dem was nicht mehr geht und was einen deshalb nur runter zieht..

    Der wichtigste Satz, den jemand (der wichtigste Mensch in meinem Leben!) zu mir gesagt hat als ich am Boden war: "ist nicht schlimm, wenn du nicht mehr laufen kannst, dann gehen wir eben Boot fahren!" Das hat mir damals ziemlich die Augen geöffnet... Ich kann zwar wieder relativ viel machen, viel mehr als ich damals zu hoffen wagte, aber wir gehen trotzdem auch Boot fahren ;)

    Es kommt auf die richtige Perspektive an. Und wir brauchen manchmal die richtigen Menschen, die uns dann im entscheidenden Moment auf die Sprünge helfen... Auch dafür bin ich dankbar.

    Omas Worte: "Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist!" Oder die der Hosen: "Steh auf, wenn du am Boden bist!"

    Für mich war auch wichtig, mich aktiv dafür zu entscheiden, einfach damit zu leben. Eine Entscheidung treffen und es dann durchziehen. "Ja" dazu zu sagen, dass das Leben jetzt eben anders weiter geht. Entscheidungen: Da dachte/denke ich irgendwie auch immer wieder an das Gedicht "The road not taken" by Robert Frost... Wieso auch immer...

    In diesem Sinne wünsche ich allen hier mit kleineren und größeren gesundheitlichen "Baustellen", dass sie ihr persönliches "Boot fahren" finden mögen. Etwas, das trotz allem geht und worüber man sich dann umso mehr freuen kann... Und noch etwas: Dankbarkeit ist auch ein schönes Gefühl. Das spüre ich manchmal auch wenn ich gerade Schmerzen habe, weil ich mal wieder zu viel wollte und dafür die Quittung bekomme...

    Vielleicht etwas durcheinander geschrieben - aber das sind meine Gedanken zu dem Thema...

    So Long...

  • mochilero OT: vielleicht habe ich nach den langen Jahren im Krankenhaus arbeitend einen etwas seltsamen Humor, aber du hast "" und ;) ja richtig interpretiert. Aber ich bin offen für jeden Vorschlag, den Titel zu ändern, kein Problem...

    Auf jeden Fall geht es um positive Energie <3

  • Vor Jahren/Jahrzehnten bin ich von HH nach Berlin getrampt. Mich hat dann jemand mitgenommen, der in der Krüppelbewegung aktiv war. Bei dem Namen muss ich wohl maximal verwirrt geguckt haben. Er erklärte mir, dass sie ein Schimpfwort zum Programm erklärt hätten. Seitdem bin ich bei Begriffen gelassener. Solange es also eine Eigenbezeichnung ist, ...

  • Vor Jahren/Jahrzehnten bin ich von HH nach Berlin getrampt. Mich hat dann jemand mitgenommen, der in der Krüppelbewegung aktiv war. Bei dem Namen muss ich wohl maximal verwirrt geguckt haben. Er erklärte mir, dass sie ein Schimpfwort zum Programm erklärt hätten. Seitdem bin ich bei Begriffen gelassener. Solange es also eine Eigenbezeichnung ist, ...

    Meine Eigenbezeichnungen sind definitiv noch krasser :saint: - aber ehrlich, ich habe nix gegen eine Änderung, nur keine passende Idee...

  • OT: vielleicht habe ich nach den langen Jahren im Krankenhaus arbeitend einen etwas seltsamen Humor, ...

    same here... von daher: passt schon - wir können ja erstmal hier über das Thema des Threads diskutieren bis uns ein anderer Titel einfällt 😉

    Mir fällt gerade auch nichts anderes ein - aktuell weiß jedenfalls jeder worum es hier geht...

  • Danke für den Thread, bifi! chummer_fc : ich habe schon deinen Lapplandbericht im blauen Forum voller Bewunderung gelesen, toll, dass du nicht aufgibst!

    Gegen dich sind meine Malaisen relativ harmlos, ein leicht verdrehtes Becken, was zu diversen kleinen Fehlstellungen des gesamten Knochengestells führte, die sich irgendwie alle mit drei Buchstaben abkürzen lassen und die sich gegenseitig beeinflussen: eine CMD, die nach unten wiederum einen Beckenschiefstand bewirkt, der dann wieder die rechte Schulter tiefer zieht (oder umgekehrt) und damit "knallt" es immer wieder an unterschiedlichen Ecken. Angefangen hat es mit wiederholten LWS-Blockaden, dann BWS, anschließend ISG, danach Frozen Shoulder und zwischendurch Achillessehne, so als Abwechslung von den drei Buchstaben. Die BWS-Blockaden gingen noch, das war nur eine kürzere Unterbrechung des Tourlebens, damals noch in Norwegen mit dem perfekten Tourgebiet direkt vor der Haustür, langwieriger war die Achillessehnengeschichte, ab da konnte ich nur noch Overnighter machen. Zurück in D stand dann zunächst eher Radfahren auf dem Programm und kleinere Wanderungen, nicht über Nacht, bis mich die ISG-Geschichte, ursprünglich mal eine missglückte Patientenmobilisation in der Klinik, für zwei Jahre komplett ins Aus brachte, da ging noch nicht einmal mehr Radfahren. Erst eine Reha brachte vorsichtig die Rückkehr ins bewegte Leben, ein fähiger Osteopath konnte mein Becken einigermaßen richten, ich konnte langsam wieder radeln, zunächst habe ich mich über 10km E-Bike schon gefreut wie Bolle, langsam aufbauend konnte ich dann auch wieder mit dem Rennrad anfangen und der endgültige Durchbruch kam 2021 mit dem Umstieg aufs Gravel, mit dem und UL waren auch wieder mehrtägige Touren möglich. Etwas versetzt habe ich mich in die Hängemattologie eingearbeitet, die CH angeschafft und mit Strecken von unter 10 km konnte ich im Sommer 21 auch wieder meine erste Waldnacht seit Jahren verbringen, großartig, auch die Frozen Shoulder im letzten Frühsommer hat mich da nicht sonderlich pausieren lassen. Auf dem Gravel schaffe ich mittlerweile auch wieder ü100-Strecken, zu Fuß geht leider immer noch nicht mehr als 6-8, dann läuft sich das rechte Bein "fest" und die rechte Hüfte schmerzt wieder. Aber noch habe ich Hoffnung, dass sich auch das mal wieder verliert - auch, wenn ich ganz aktuell mal wieder mit Hexenschuss in den Seilen hänge.

  • Dann schreib' ich auch mal was dazu, auch wenn ich auf den ersten Blick eher zu den "jungen dynamischen Vollsportlern" gehöre. Allein - der Schein trügt etwas.

    Dass ich überhaupt noch halbwegs fit bin, ist wohl nicht zuletzt der Kunst einiger Ärzte zu verdanken. Sonst wäre mein Herz wohl an Sauerstoffmangel kaputt gegangen, und das ist bekanntlich nicht unbedingt gut für den restlichen Körper... Kurz - fünf Stents über alle drei Kranzgefäße verteilt, eine ordentliche Narbe in der linken Hinterwand und damit sind nur die gröbsten Probleme halbwegs behoben. Dazu kommt dann noch eine bei einem Sturz angerissene Sehne im Knie.

    Beides habe ich mit viel Geduld und gezieltem Training halbwegs im Griff, nur Joggen ist nicht. Anderer Ausdauersport funktioniert, aber ab einem gewissen Punkt ist ziemlich plötzlich Schluss mit Leistung.

    Ich habe auch sonst eine eher durchwachsene Historie mit der Gesundheit, aber das erzähle ich lieber offline...

  • Ich finde das eine gute Idee für einen Thread. Deshalb will ich auch meine "Leiden" mit euch teilen.

    Im "blauen Forum" habe ich vor einiger Zeit einen Einblick in mein Schicksal gegeben, außerdem habe ich auf meinem Blog ein bisschen was darüber zusammengeschrieben. Wen es interessiert, hier ist meine "Krankengeschichte" zu finden: https://www.wegalsziel.at/category/leukaemie/

    Rein optisch würde ich vermutlich auch eher als "junger und dynamischer Vollsportler" durchgehen (vielleicht bin ich das sogar trotz meiner Leiden, das ist eben auch individuelle Ansichtssache).

    Aber nun zu meinen Problemchen:

    - Seit Jugendalter leide ich an einer Skoliose und anderen Rückenproblemen die sich im jüngeren Alter auch immer wieder schmerzhaft bemerkbar gemacht haben. Regelmäßige Schmerzen waren das Ergebnis. Als ich dann mit Mitte Zwanzig (ich bin Jahrgang 1985) begonnen habe etwas Sport zu machen hat sich das zum Glück gelegt. Ohne Sport und entsprechender Muskulatur hätte ich aber auch heute noch ständig Probleme. Gegipfelt ist das ganze Anfang 30 in einem starken Bandscheibenvorfall in der HWS. 6 Monate Schmerzen bis es endlich besser wurde.

    - Ende 2022 habe ich dann offiziell auch einen Grad der Behinderung "verliehen" bekommen. Im November 2022 hatte ich die Diagnose Akute Myeloische Leukämie. Unbehandelt eine Todesgarantie innerhalb kürzester Zeit. 6 Monate intensivste Chemotherapie haben den Krebs zurückgedrängt und seit Mai 2023 gelte ich als in Remission. Die starke Chemotherapie hat allerdings mein Knochenmark geschädigt und bis heute hat sich meine Blutproduktion leider noch nicht normalisiert. Die Ärzte gehen dzt. davon aus, dass dies leider auch dauerhaft bleiben kann. D.h. ich bin seither immungeschwächt.

    Seit der Chemotherapie habe ich mich körperlich wieder sehr gut erholt. Aufgrund der Immunschwäche leide ich aber deutlich öfters an Infekten und anderem Quatsch (z.B. Gürtelrose, Hautprobleme wie schneller Ausschläge, Sonnenunverträglichkeiten, Atemwegsinfekte, etc.). Vor meiner Diagnose war ich im Grunde max. 1 mal pro Jahr kränklich, nun viel öfters. Das führt dazu, dass ich mich eingeschränkt fühle wenn es um Touren geht. Insbesondere habe ich weiterhin Sorge vor längeren und intensiven Touren. Durch körperliche Belastung leidet ja auch das Immunsystem zusätzlich, hinzukommen verringerte Hygienemöglichkeiten, erhöhte Exposition gegenüber "fremden" Personen, etc.

    Vor meiner Erkrankung habe ich sehr intensiv Ausdauersport gemacht (~3000km Traillaufen/Jahr und im Schnitt nochmals ~2000km Wandern/Weitwandern/Jahr + anderes). Natürlich habe ich immer noch einen hohen Anspruch an mich und versuche weiterhin zu trainieren. Da ich aber in recht kurzen Intervallen immer wieder krank bin, leidet natürlich auch mein Training immer darunter. Ich fühle mich also in einem dauerhaften Auf und Ab gefangen. Aufbau - krank - Abbau - gesund - Aufbau - krank - usw. Das ist etwas mühsam weil es irgendwie einem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Außerdem leide ich schon unter der Annahme, dass lange Touren u.U. nicht mehr wirklich machbar sein werden. Klar kann ich z.B. auf einen CDT starten, aber die möglichen Konsequenzen schrecken mich schon sehr ab. Seit meiner Diagnose bin ich generell viel ängstlicher wenn es um körperliches geht (und ich war davor schon eher der vorsichtige Typ).

    Im Grunde ist es trotzdem jammern auf hohem Niveau. Aber "Leid" und "Verlust" ist eben subjektiv und jeder hat einen eigenen Maßstab. Und falls sich jemand fragt wieso ich mir das "antue" und den vermeintlichen Kampf gegen Windmühlen weiter kämpfe... Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass mein Körper eines Tages auch wieder so funktioniert wie davor.

    Während meiner Krankenhauszeit habe ich mich oft damit beschäftigt wie es wohl wäre wenn ich nach erfolgreicher Chemo niemals mehr Sport wie wandern oder laufen praktizieren können würde. Schon alleine bei dem Gedanken daran bin ich in Depressionen verfallen. Ich habe mich versucht damit anzufreunden auf "Zwang" neue Hobbies auszuüben. Aber singen, tanzen, malen, etc. auf Zwang auszuüben? Ich konnte es mir nicht vorstellen und dachte ich werde vielleicht ein trost- und freudloses Leben ohne Leidenschaften weiterführen müssen. Nach meiner Entlassung haben sich dann aber schnell (und ganz von alleine) neue Projekte und Wege ergeben. Z.B. haben wir eine Spendenaktion gestartet, ich habe meinen kleinen Ausrüstungswebshop Tidy Gear gestartet und auch sonst versucht meine Wanderleidenschaft anders ausüben zu können (z.B. Ultraleicht Volkshochschulkurse geben, usw.).

    Was ich damit sagen will? Egal wie schlecht es das Schicksal mit einem meint. Wege und Möglichkeiten für neue Leidenschaften finden sich, wenn man sie annehmen will.

    Mir war und ist es wichtig auch ein Vorbild zu sein für Personen die in ähnliche Schicksale rein stürzen. Klar ich bin ein Mensch und ich würde lügen wenn ich sage ich wäre immer positiv, alles wäre easy und alles wird gut. Es gibt für nichts eine Garantie aber man muss es zumindest versuchen. Weil wenn man nicht mal versucht hat, ist man schon gescheitert. Es gilt die eigenen Schicksale anzunehmen und einfach bestmöglich damit umzugehen. Beschweren bringt nichts, Dinge sind oft nicht umkehrbar und dann machen wir doch das Beste aus der Situation. So lange es eben möglich ist.

    Weg als Ziel | mein Blog (privat) - Tourenberichten, Ausrüstungstests, Tipps & Tricks

    Tidy Gear | mein Webshop (gewerblich) - Ultraleichte Trail Gaiter Gamaschen, Rucksack Liner, und anderes

  • Mr.Tidy Ich glaube, ich habe von deiner Geschichte schon gelesen und fand sie damals schon echt beeindruckend! Sehr viele wahre Worte darin, ich könnte jetzt zitieren ohne Ende....;)

    Gerade auch deswegen lag mir dieses Thema sehr am Herzen. Für die einen ist es der Everest, für die anderen der Hausberg bei dem man an seine Grenzen kommt, aber die wird man ohne Versuch nie finden.

    Und die Unterstützung hier ist schon toll, in jeder Hinsicht.

    Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass es noch besser wird mit dem Immunsystem 🍀🐖🍀!

  • Bandscheibenvorfall im Nacken 2014, von jetzt auf gleich Schluss mit Kampfsport. Coronare Herzerkrankung 2017, Stent, zwei Eingriffe am Herzen danach, seit anderthalb Jahren zusätzlich noch das fröhliche Vorhofflimmern dazu, das ich zwar nicht bemerke, das aber, wenn es auftritt, mir noch weitere 25% der Leistungsfähigkeit nimmt. Geil. Ich war mal Leistungssportler. Jetzt bin ich, gemessen ab "früher", ein Wrack.

    Ja, so ist das Leben. Soll ich jetzt rumjammern? Nö, dafür gibt's ja "ultraleicht"😄 Also, mit dem leben, was noch bleibt. Solange es geht. Mal sehen, wie lange noch. Demnächst geht's erstmal auf ne Tour durch Taiwan - bin gespannt, ob ich das durchstehe. Falls nicht, löscht meinen Account 😁

  • Ich gehöre auch zu denen, der man die Erkrankung nicht ansieht. Ich habe Colitis Ulcerosa, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Da variiert es teils sehr stark, wie sehr mich das einschränkt. Aktuell bin ich in Remission und nehme keine Medis, muss mir aber trotzdem sicher mehr Gedanken über Toilettengänge und Hygiene machen, habe daher auch immer etwas mehr Gewicht dabei. Ich kann das alles derzeit gut über die Ernährung kontrollieren, daher schleppe ich mehr Essen, mache meine Nahrung z.t. selbst usw. Je nach akuter Ausprägung kommen aber noch Probleme mit Gelenkschmerzen, Hautprobleme und auch Fatigue u.ä. dazu. Heißt weniger Belastbar sein.

    Und ich möchte auch eine Lanze brechen für die unsichtbaren psychischen Erkrankungen, ich hab da meine Battles mit Depressionen und Angstzuständen. Und so sehr das draußen sein hier Therapie (für mich) ist, so schwierig kann es sein auch loszukommen und/oder Wege weiterzugehen.


    (Edit: Rechtschreibung)

    Einmal editiert, zuletzt von DasLottchen (12. Oktober 2024 um 11:12)

  • Lanze brechen für die unsichtbaren psychischen Erkrankungen

    danke. <3!

    ich habe den faden gesehen und mich zunächst gefreut, habe dann gelesen und mich gefragt "bin ich auch ein versehrter?","darf ich hier schreiben?". ich habe gute gründe hier schreiben zu dürfen, aber meine versehrung möchte mir auch gerne einreden dass ich sie nicht habe bzw. dass sie nicht so schlimm sei als dass ich mitreden darf...

    Ich habe Depressionen, seit meiner späten Pubertät. Müßig zu beantworten wo es her kommt, ich habe ein paar gute Erklärungen und meine Therapeut*innen waren mit denen immer auch einverstanden :). Ich habe nach drei Therapien mittlerweile einen okayischen Umgang mit ihnen gefunden. Was nicht heißt, dass es nicht immer wieder zu depressiven Episoden kommt: tiefe Traurigkeit, dumpfe Leere, Antriebslosigkeit, Autoaggression, Selbstsabotage. Meine fitten Phasen sind immer auch prekär. Ich habe gelernt die Zeichen besser zu deuten und manchmal kommt es einfach sprichwörtlich über Nacht. Umgang heißt, dass ich damit leben kann, das ich sogar mein Leben genießen kann und bei aller Anstrengung ich sogar sagen kann "ich finde mein leben ziemlich lebenswert" - verdammt, ich hab auch nur dieses eine leben!. Das ich die Depression gut als teil von mir akzeptieren kann übe ich noch :). Jenseits der Episoden bleibt einfach als Grundrauschen eine gewisse Distanz zu mir, eine eigentümliche Entkoppelung zu meinen Gefühlen, meinem Erleben, einem positiven Blick auf mich selber - ich kann DInge wie eine "Lebenszufriedenheit" sagen aber es bleibt eigentümlich leer, ich fühl das nicht. Hört sich widersprüchlich an? Willkommen in meiner Welt :) ADHS-Spektrum steht auch noch auf dem Zettel.

    Wandern hilft in akuten Phasen - wenn ich denn rauskomme. ABer jenseits davon hilft es mir Strategien zu entwickeln, zu vertiefen Umgänge zu finden, mich meiner selbst zu vergewissern und damit sie in mein "Achtsamkeitstagebuch" aufzunehmen um sie als Ressourcen in depressiven Episoden nutzen zu können (geht nicht immer). Vor dem Kontext von ADHS hilft mir das wenige im Pack und die Struktur des Trails Robert Moor in seinem Buch "Wo wir gehen" das Pfade eine "dezente Form der Führung" sind, inklusive der repetiven einfachheit von laufen-essen-schalfen des wanderns gibt mir das meinem hirn im ständigen overload eine form der beschäftigung, die klar und einfach ist. laufen-essen-schlafen, grundbedürfnisbefriedigung sicherstelle und vernatwortung für das wneige im pack tragen - damit bin ich gut ausgelastet - und manchmal stellt sich einfsch auch eine herrliche ruhe im kopf ein. keien synapsendisko und auch keine schwere leere. sondern einfach nur ich und hier und jetzt.


    und bifi vielen vielen dank für das aufmachen dieses fadens, ich habe auch überlegt, aber mich nicht getraut. ich finde es super wichtig, dass es neben der "schönen bilderflut" die die hiking community produziert auch hinter die kulissen geschaut wird, wer ist das eigentlich wer da wandert, welche päckchen, welche "versehrungen" tragen die menschen auf dem trail mit sich herum, was treibt sie auf den trail und was hält sie davon ab - und krankheiten, versehrungen, behinderungen, beschädigungen gehören eben auch dazu. ich finde es wichtig darüber zu sprechen, weil es wird zu wenig drüber gesprochen m.e. in diesem sinne auch Danke an alle die gepostet haben und noch posten werden. Ich finde das sehr wertvoll!

  • Hui, da komme ich ja mit allerlei Allergien gegen diverse Obst- und Gemüseschalen, dem üblichen Hausstaub/Milben/Gräser/Pollen und den resultierenden Kreuzallergien ja gut weg. Immerhin weiß ich inzwischen, welche Stoffe meine Haut verträgt. ;)

    Dazu noch ein wenig zu schwache Kniemuskulatur, die immer mal wieder Training braucht, zum Glück nur auf einer Seite, die andere Seite wurde mal komplett neu aufgebaut nach Kapselriss. Sonst geht's aber gut!

  • Wisst ihr, ich bin davon überzeugt, dass ein Verständis von krank vs. gesund nicht die Realtiät abbildet. Es suggeriert: Ich bin entweder das eine oder das andere. Ich finde das toxisch.

    Wenn man schon ein Bild bemühen möchte, dann ist es vielleicht mehr wie auf einer Skala, auf der niemand nur krank ist und niemand nur gesund ist. Denn irgendetwas ist doch immer.

    Viel wichtiger ist für mich die Frage: "Wie kann ich mit meinen gesundheitlichen Einschränkungen leben lernen?" Das mag bei einem Schnupfen leichter sein als bei Brustkrebs, aber gerade deshalb halte ich den Geburtstagswunsch "Hauptsache Gesundheit" für zynisch.

    Um es klar zu stellen: Ich wünsche niemanden irgendeine Krankheit. Und ja, es mag Krankheiten geben, die wir selbst verschuldet haben. Aber oft haben wir Menschen diese Wahl überhaupt gar nicht.

  • Oh Hammer, ich bin grade ein wenig davon überwältigt, wie viele hier ihr Herz auf den Tisch packen, das hätte ich nie erwartet <3

    Und ja, natürlich gehört die Psyche mit dazu, auf jeden Fall! Mein Mann und meine Schwester leiden unter schweren Depressionen, ich kriege seit Jahren mit, welche Auswirkungen das hat. Quasi während ich um mein Dasein kämpfe, möchten die ihres am liebsten loswerden. Eine meiner großen Ängste war es deswegen, nach überstandener Krebstherapie am Fatigue Syndrom zu erkranken und ich hab alles, was so in meinen Händen lag (von Gedankenreisen über Waldaufenthalten, gerade während der Bestrahlungszeit) gemacht und bis jetzt wahrscheinlich einfach Glück gehabt 🍀

    So hat jeder seinen "Rucksack" zu tragen und wenn der durch diesen Thread ein ganz kleines bisschen leichter wird, umso schöner - passt ja auch zum Thema ;)


    Wisst ihr, ich bin davon überzeugt, dass ein Verständis von krank vs. gesund nicht die Realtiät abbildet. Es suggeriert: Ich bin entweder das eine oder das andere. Ich finde das toxisch.

    Es ging mir nie um krank vs. gesund! Aber darum, dass eben nicht nur "jungdynamischerfolgreich" unterwegs ist.

    Und wir trotzdem alle dieses Hobby haben, nämlich mit geringerem Gepäck mehr Möglichkeiten zu erschließen...

    Viel wichtiger ist für mich die Frage: "Wie kann ich mit meinen gesundheitlichen Einschränkungen leben lernen?" Das mag bei einem Schnupfen leichter sein als bei Brustkrebs, aber gerade deshalb halte ich den Geburtstagswunsch "Hauptsache Gesundheit" für zynisch

    Naja, ich nehme diesen Geburtstagswunsch gerne an, denn aus der Gesundheit heraus fügt sich (für mich) alles andere...

    Aber ich finde auch, dass jedem seine eigene Meinung zusteht und wenn es verschiedene davon gibt - kein Problem...:)

  • bifi Das Recht auf eine eigene Meinung gestehe ich jedem gerne zu. Selbst dann, wenn sie sich von meiner unterscheidet.

    Und vielleicht ist es auch zu pauschal und klingt möglicherweise ein kleines bischen unbarmherzig: Und dennoch - wenn ein Mensch eine Einschränkung hat, die er früher nicht hatte und die aller Voraussicht bleiben wird, dann wünsche ich ihm ja nicht, dass es so bleibt, sondern dass er lernt es zu integrieren. So ungefähr ist hier mein Gedankengang.

    Wenn UL ihm Möglichkeiten eröffnet, um so besser!

  • Ja, der Kampf mit der eigenen Neurochemie... Den kenne ich auch. Nicht in der gleichen Form wie andere in diesem Thread es beschrieben haben, aber letztendlich läuft's doch irgendwie immer wieder aufs gleiche raus. Ich würde das nur in meinem Fall nicht als Krankheit bezeichnen, auch wenn's manchmal sehr einschränkend sein kann. Kurz gesagt - ich bin sehr wahrscheinlich (formale Diagnostik steht noch aus, aber die Screening-Ergebnisse sind extrem genug, um Zweifel größtenteils auszuräumen) Autist, was mit einer ziemlichen Liste an Seltsamkeiten kommt... Und (bei mir) Planung. Für absolut alles, inklusive Alternativen auch für unwahrscheinliche Szenarien. Immer. In völlig überzogener (?) Detailtiefe. Unterwegs ist das aber im Vergleich zum Alltag relativ einfach und damit erheblich entspannter - denn ohne Plan komme ich morgens nicht aus der Hängematte.

    Manche der Seltsamkeiten sind harmlos (Plüschhai/Stimming) und manche sogar witzig und nützlich, z. B. ist mir eigentlich nie "kalt" oder "warm", solange die körperlichen Effekte sich in Grenzen halten. 0° und nur T-Shirt, kurze Hose und Sandalen dabei? Kein Problem solange ich in Bewegung bleibe. Anderes wird schnell zu einer ziemlichen Belastung, z. B. werden "Hintergrundgeräusche" für mich leicht zu einer heftigen Lärmkulisse und beim ersten Sonnenstrahl brauche ich die dunkelste Sonnenbrille, die ich auftreiben kann (tolle Mischung für Supermärkte). Einiges braucht auch ein konstantes "damit umgehen", um nicht zum Problem zu werden - vor allem der (für mich) unnatürliche Kommunikationsstil, der allgemein üblich ist.

    Ein weiterer Aspekt, der häufig zusammen vorkommt, ist, dass ich meine Emotionen oft überhaupt nicht spüre, sondern immer wieder in Wellen davon eingeholt werde. In diesen Momenten ist es für mich dann wirklich extrem wichtig, möglichst alleine und draußen zu sein (ich weiß in der Regel einige Zeit vorher, dass so eine Welle kommt). Ich kann dann nicht garantieren, wie ich auf andere Menschen reagiere und es ist wahrscheinlich, dass ich Schwierigkeiten habe, überhaupt irgendwie einen klaren Gedanken zu formulieren. Das dauert meistens ein paar Stunden, dann ist's wieder vorbei. Zu Hause dauert es oft aber erheblich länger, manchmal mehrere Tage - und es ist alles andere als angenehm.

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