Sicherheit auf Wintertouren in Skandinavien

  • "In dieser Liste ist natürlich das Fehlen einer Schaufel und eines Windsacks für die meisten Skandinavier ein Kapitalverbrechen, aber ich bin der Meinung, dass es besser ist, bis zu einer Hütte durchzuziehen, als sich irgendwo einzugraben. Eine gute Kondition, ein GPS-Gerät und ausreichend warme Kleidung helfen dabei."

    Nicht nur für Skandinavier ;)

    Windsack o.ä. ist Pflicht...

  • Sehe ich wie gesagt anders, und ich habe sogar ein Argument mitgeliefert! ;)

    Ein Windsack würde ja letzten Endes auch bedeuten, dass man eine Isomatte und einen Schlafsack/Quilt mitnehmen muss, oder?

  • In meinem Verständnis ist ein Windsack Teil der Notfallausrüstung und für mich oder wenn ich Verantwortung für andere übernehme wäre die Mitnahme nicht optional.

    Ich habe nur Erfahrung bei alpinen Skitouren, die Gefahren und Konsequenzen sind aber denke ich vergleichbar. Im alpinen Kontext ist es Konsens und Lehrmeinung einen Biwaksack immer dabei zu haben.

    Du hast dich in der Vergangenheit anders entschieden und ich nehme einfach an, dass du das Risiko akzeptierst, aus irgendeinem Grund daran zu scheitern, bis zur nächsten Hütte durchzuziehen.

    Mir wäre das zu riskant, weil ich z.B. folgendes Szenario (Unfälle sind meistens eine Kaskade von Dingen die schief gehen) für möglich halte: Nachmittags ist eine Schlechtwetterfront angesagt. Ich will trotzdem eine kurze Etappe zurücklegen. Ich gehe los. Die Bindung meines Skis löst aus. Ich verliere den Ski. Ich suche den Ski. Ich finde den Ski nicht und habe Zeit verloren. Ich muss weitergehen, bin aber deutlich langsamer. Ich habe keinen Mobilfunkempfang. Die Schlechtwetterfront trifft schneller ein. Schneefall. Whiteout. Habe vergessen meine Uhr zu laden, kein GPS mehr zur Orientierung. Es wird dunkel.

    Auch ohne Schlafsack und Isomatte erhöht ein Windsack deine Überlebenschancen.

    Ich hoffe du verstehst meinen Beitrag als sachlichen Versuch über Risiken zu sprechen. Ich verstehe es natürlich auch, wenn du ein höheres Risiko akzeptierst als ich.

  • FYI: Eine beginnende Diskussion zu Sicherheitsequipment für eine konkrete geplante Wintertour, wurde in diesen Thread ausgelagert.

    Ich hoffe du verstehst meinen Beitrag als sachlichen Versuch über Risiken zu sprechen. Ich verstehe es natürlich auch, wenn du ein höheres Risiko akzeptierst als ich.

    Ich bitte auch um eine sachliche Diskussion - Danke :S:):S

  • Mir wäre das zu riskant, weil ich z.B. folgendes Szenario (Unfälle sind meistens eine Kaskade von Dingen die schief gehen) für möglich halte: Nachmittags ist eine Schlechtwetterfront angesagt. Ich will trotzdem eine kurze Etappe zurücklegen. Ich gehe los. Die Bindung meines Skis löst aus. Ich verliere den Ski. Ich suche den Ski. Ich finde den Ski nicht und habe Zeit verloren. Ich muss weitergehen, bin aber deutlich langsamer. Ich habe keinen Mobilfunkempfang. Die Schlechtwetterfront trifft schneller ein. Schneefall. Whiteout. Habe vergessen meine Uhr zu laden, kein GPS mehr zur Orientierung. Es wird dunkel.

    Die Bindung eines Backcountry-Skis kann nicht auslösen. Dass ich einen Ski in den für solche Tourenn üblichen Landschaften nicht wiederfinde, ist schon extrem unwahrscheinlich. Ich vergesse nicht, meine Uhr zu laden, und könnte das ansonsten mit einer Powerbank auch schnell beheben. Für Dunkelheit habe ich eine Lampe dabei (und so dunkel wird es in den Winterlandschaften auch nicht).


    Auch ohne Schlafsack und Isomatte erhöht ein Windsack deine Überlebenschancen.

    Zu glauben, man würde eine Nacht überleben, weil man einen Windsack dabeihat, kann die Überlebenschancen aber auch deutlich verringern.

  • Die Bindung eines Backcountry-Skis kann nicht auslösen. Dass ich einen Ski in den für solche Tourenn üblichen Landschaften nicht wiederfinde, ist schon extrem unwahrscheinlich. Ich vergesse nicht, meine Uhr zu laden, und könnte das ansonsten mit einer Powerbank auch schnell beheben. Für Dunkelheit habe ich eine Lampe dabei (und so dunkel wird es in den Winterlandschaften auch nicht)

    Ich habe den Eindruck, du fühlst dich persönlich angegriffen. War nicht beabsichtigt. Ich möchte sagen, dass ich es für realistisch halte, dass mir persönlich Fehler passieren.

  • Ich habe den Eindruck, du fühlst dich persönlich angegriffen. War nicht beabsichtigt.

    Nein, tue ich nicht, das ist einfach mein sachlicher Kommunikationsstil. Vielleicht sollte ich häufiger Smileys verwenden ;)

    Ich möchte sagen, dass ich es für realistisch halte, dass mir persönlich Fehler passieren.

    Das tue ich auch und ich habe in meinem Ursprungsbeitrag ja darauf hingewiesen, dass ich eine entsprechende Strategie habe.

    Ich habe schon mal eine Nacht mit nassem Winterschlafsack in einer Schneehöhle verbracht und so bitterlich gefroren, dass ich das definitiv nicht mit einem Windsack ohne Schlafsack und Isomatte wiederholen möchte.

    Ich persönlich produziere in Bewegung auch ziemlich viel Wärme und bin in der Lage, mich 15 Stunden und mehr am Stück in einer entsprechenden Intensität zu bewegen (und ich wäre nie weiter als 13 km von einer Hütte entfernt). In Ruhephasen scheine ich hingegen schneller zu frieren als andere.

  • Unter welchen Umständen?

    Das Wetter wird ungemütlich, man hält den Windsack für die Lösung und verbleibt an Ort und Stelle. Nach einer halben Stunde merkt man, dass es doch ganz schön kalt ist, rafft sich aber nicht mehr auf, um doch noch den Weiterweg anzutreten. Dann schläft man ein ...

  • Sehe ich wie gesagt anders, und ich habe sogar ein Argument mitgeliefert! ;)

    Das Argument musst Du im Zweifel mit der Natur durchdiskutieren. Aus Erfahrung im Winter kann ich sagen, dass eine Schaufel ebenso Pflicht ist, wie ein Windsack, sowie eine Stirnlampe jenseits dessen, was hier in der Regel so mitgenommen wird.

  • Das Wetter wird ungemütlich, man hält den Windsack für die Lösung und verbleibt an Ort und Stelle. Nach einer halben Stunde merkt man, dass es doch ganz schön kalt ist, rafft sich aber nicht mehr auf, um doch noch den Weiterweg anzutreten. Dann schläft man ein ...

    In dieser Situation wäre ich anscheinend ziemlich erschöpft und ich würde die Gefahr von Unterkühlung falsch einschätzen. Wenn eine Hütte in der Nähe ist und ich in der Lage bin sie zu finden und sie zu erreichen ist das natürlich weniger riskant.

    Für ein Notbiwak muss man sich rechtzeitig entscheiden und sich auch bewusst sein, mit welchen Schwierigkeiten man konfrontiert sein kann.

    Deine Strategie unterscheidet sich von meiner Strategie im Wesentlichen dadurch, dass du immer in der Lage sein musst dich zu bewegen. Das ist uns beiden denke ich klar.

  • Wenn eine Hütte in der Nähe ist und ich in der Lage bin sie zu finden und sie zu erreichen ist das natürlich weniger riskant.

    Meine Packliste bezog sich ja auf eine konkrete Tour und da ist der maximale Abstand zwischen zwei Hütten 26 km, ich bin also nie weiter als 13 km von einer entfernt. Ich habe einen "offiziellen" GPS-Track vom norwegischen Wanderverband und meine GPS-Uhr zeigt mir auch die Entfernung zur Hütte an.


    Deine Strategie unterscheidet sich von meiner Strategie im Wesentlichen dadurch, dass du immer in der Lage sein musst dich zu bewegen. Das ist uns beiden denke ich klar.

    Richtig. Nicht zuletzt deshalb fahre ich die Downhills auch immer sehr defensiv, um Mensch und Material nicht zu beschädigen. Bei ernsthaften Verletzungen hätte ich im Übrigen auch lieber einen Spot/InReach dabei als einen Windsack.

  • Vielleicht ganz interessant in dem Zusammenhang ist auch der "Anaris Accident". Siehe hier oder hier. Da ist sicher so einiges schiefgegangen, was jetzt nicht unbedingt was mit "Windsack ja oder nein" zu tun hat, aber es ist schon interessant, dass derjenige überlebt hat, der in Bewegung geblieben ist. Das Ganze hat 4 km von der Hütte stattgefunden.

    Als ich selbst mal auf Wintertour im Jämtland war, bin ich in derselben Hütte auf eine Gruppe gestoßen, die sich die (sehr stürmische) Nacht zuvor hat retten lassen. Sie waren laut Hüttenwirt 800 Meter von der Hütte entfernt und anscheinend zu erschöpft, um weiterzugehen. Sie haben dann einen Notruf abgesetzt, es dauerte aber mehrere Stunden, bis Hilfe kam.

    Das sind beides Fälle, die mit ausreichender Kondition und einem GPS-Gerät nicht eingetreten wären.

  • Richtig. Nicht zuletzt deshalb fahre ich die Downhills auch immer sehr defensiv, um Mensch und Material nicht zu beschädigen. Bei ernsthaften Verletzungen hätte ich im Übrigen auch lieber einen Spot/InReach dabei als einen Windsack.

    Aus meiner Sicht ist das keine Entweder-Oder-Frage: Wie schnell wird deine Rettung da sein? Und wie lange hälst du bei -10°C und 50 km/h Wind mit deinem Setting durch? (ist noch ein harmloses Szenario)

    Für mich wirkt das wie eine Schön-Wetter-Liste.

  • Als ich selbst mal auf Wintertour im Jämtland war, bin ich in derselben Hütte auf eine Gruppe gestoßen, die sich die (sehr stürmische) Nacht zuvor hat retten lassen. Sie waren laut Hüttenwirt 800 Meter von der Hütte entfernt und anscheinend zu erschöpft, um weiterzugehen. Sie haben dann einen Notruf abgesetzt, es dauerte aber mehrere Stunden, bis Hilfe kam.

    Das sind beides Fälle, die mit ausreichender Kondition und einem GPS-Gerät nicht eingetreten wären.

    Dein erster Fehler ist, dass Du davon ausgehst, immer über ausreichend Kondition zu verfügen, der zweite darin, dass ein GPS der einzige Faktor ist, um pünktlich ans Ziel zu kommen. Die letzten, die mir so einfallen, die auch auf die Idee gesetzt haben, war die Truppe an der Haute Route. Das hat aber dann doch keiner überlebt.

    Bei dir reicht ein offener Bach, bremsender Trieb- und pulverschnee, oder wenn mit Ski unterwegs eine abgeblasene hochfläche mit herausragendem Geröll aus, um dich zu bremsen. Von unwägbaren Dingen wie Darmproblemen, Fieber oder ähnlichen Erkrankungen fange ich nicht an. Reicht in jedem Fall, einen auszubremsen, und dann diskutierst du deine Meinung mit Mutter Natur aus.


    Auch die Ausrüstung ist zum Teil mehr als fragwürdig. Wenn man im Winter im Nirgendwo zeltet, ist man nachts festgepinnt, und kann nicht einfach mal 100m zur benachbarten Hütte schlappen, und sich reinlegen. Bei solchen Umständen auf eine einzige Iosmatte zu setzen, die obendrein auch noch eine Luftmatte ist, ist fahrlässig. Ich habe mehr als eine dieser Dinger gesehen, wie sie Luft liessen, und der Inhaber dann bei -15°C eine Nacht lang ums Zelt tanzen musste, um warm zu bleiben.

    150g Gas halte ich für 5 Tage im Winter als unterdimensioniert. Da muss ich nur einmal festsitzen und eine extra Nacht vor Ort einlegen, schon habe ich kein Gas und somit kein Wasser mehr. Ein Feuerzeug anstelle von zwei ist ebenfalls fahrlässig.

    Die Lampe ist Schrott. Viel zu wenig Helligkeitsreserven, wenn man Nachts und/oder bei schlechtem Wetter sich orientieren muss, oder die Umgebung um einen auszuleuchten hat, um die nächsten Meter vorwärts zu kommen.

    Die Sonnencreme taugt ebenfalls nix. Aber manch stehen auf krebsrot.

    Das Zelt ist zu luftig, vor allem wenn man keine Schaufel dabei hat, um es windgeschützt in den Schnee bauen zu können. Dem Zelt fehlt mindestens ein Bogen. Ein Hilleberg Soulo wäre passend, das hier wird von Neuschnee gefaltet und vom Winde verweht.


    ich schreibs hier und nicht in dem ausrüstungsfaden, denn es sind sicherheitsrelevante Aspekte.

    Einmal editiert, zuletzt von Becks (15. Oktober 2024 um 17:08)

  • Gedankenspiel: Windsack, Schaufel und Inreach oder Spot gehen am letzten Tag gleichzeitig verloren.

    Bei unkritischem Wetter und einer kurzen Etappe würde ich die Tour vermutlich nicht abbrechen. Verletzungsträchtiges Verhalten würde ich versuchen zu vermeiden.

    Und dann geht auch sehr wahrscheinlich alles gut. Als Dauerzustand brauche ich das aber nicht.

    Die Packliste von JanF ist aber seine Entscheidung und er ist mit den dadurch bedingten besonderen Rahmenbedingungen für seine Tour einverstanden. Und ich finde es gut, dass wir diese Rahmenbedingungen hier angesprochen haben.

  • Du würdest also sagen, dass ein Satelliten-Messenger bei Wintertouren in Skandinavien auch "Pflicht" ist?

    Du machst deine Wintertour unter besonderen Bedingungen, nämlich ohne einen Teil der Standardausrüstung.

    Standard heißt aber doch nicht Pflicht.

    Alex Honnold klettert Free-Solo Routen die Standard-Menschen niemals ohne Sicherungsmittel begehen. Es sind besondere Bedingungen, das ist hervorzuheben, aber er verstößt gegen keinerlei Pflichten.

  • Dein erster Fehler ist, dass Du davon ausgehst, immer über ausreichend Kondition zu verfügen

    Wohin verschwindet die denn plötzlich?

    Die letzten, die mir so einfallen, die auch auf die Idee gesetzt haben, war die Truppe an der Haute Route.

    Ist jetzt auch schon wieder etwas her, dass ich die Doku gesehen habe, aber war da nicht gerade der Fehler, dass die eben nicht auf das GPS-Gerät geschaut haben? Und war da nicht auch Erschöpfung ein Thema?

    Bei dir reicht ein offener Bach, bremsender Trieb- und pulverschnee, oder wenn mit Ski unterwegs eine abgeblasene hochfläche mit herausragendem Geröll aus, um dich zu bremsen. Von unwägbaren Dingen wie Darmproblemen, Fieber oder ähnlichen Erkrankungen fange ich nicht an. Reicht in jedem Fall, einen auszubremsen

    Ein offener Bach, Pulverschnee oder eine abgeblasene Hochfläche halten mich sicher nicht davon ab, noch 13 km weiterzugehen - dauere es solange es will. Darmprobleme und Fieber eher auch nicht, und wenn, kündigen sie sich früh genug an.


    Und um vielleicht noch mal darauf hinzuweisen: Der Eingangspost bezieht sich auf eine Packliste für eine konkrete Tour mit Hüttenübernachtungen. Auf dieser Tour wird es recht regelmäßig Handyempfang geben, ich werde Etappen doppeln und deshalb immer schon eine Hütte um die Mittagszeit erreichen und hin und wieder überquere ich sogar eine Straße.

    War da nicht mal was mit "Don't pack your fears"?

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!