UL-Mindset - Kopf statt Konsum

  • Das überlege ich mir ja vorher ziemlich gut, ob ich was daheimlassen kann oder nicht. Ich musste jetzt ziemlich lange überlegen, ob ich den Fall jemals hatte, dass ich mich wirklich geärgert habe. Mir ist nichts eingefallen. Dagegen fällt mir fast auf jeder Tour was ein, das ich nicht gebraucht hätte.

    Don’t pack your fears! Oder du brauchst halt doch nen Hüftgurt. ;)

    Also ich bin jedes Mal froh, wenn ich nicht schon wieder das Erste Hilfe-Päckchen rauskramen muss, oder mit Hilfe der Taschenlampe mich durch irgendeinen Berghang oder -wald nachts zum Auto zurückprügeln muss, weil es doch mal wieder etwas länger gedauert hat.

    Und obwohl ich weder Pflaster, Druckverband, noch Taschenlampe auf jeder Tour brauche, packe ich sie ein. Nebenbei gesagt: ich nutze auch sinnloserweise seit über 30 Jahren einen Sicherheitsgurt im Auto, ohne ihn je gebraucht zu haben. Darauf zu verzichten, das überlasse ich dann aber doch lieber den Leuten, die nach dem Motto "don't pack your fears" leben.

  • Eine Taschen/ Stirnlampe, weil es länger dauern könnte, ist Plan B und keine eingepackte Angst, denn das es mal länger dauert ist eine valide Option, bei einer üblichen Wegstrecke für geübte, in Mitteleuropa.

    Oder man hat genügend Ausrüstung dabei, um die Situation aus zu sitzen, das wäre dann allerdings wieder schwerer als die Lampe.

    Plan C wäre dann ein Notfall Signal mit zu führen. Auch das ist üblich!

    Damit haben die hier üblichen User schon zwei Backups dabei.


    Erste Hilfe ist, per Definition, nicht für seine eigene Angst, sondern für das definitiv vorhandene Unvermögen der anderen.

    Alles andere ist Selbstschutz, siehe EHSH, dem der Eigenschutz voran gestellt sein sollte. Bei diesen Punkten reden wir von möglichen erworbenen Fähigkeiten, welche technische Ressourcen ersetzen können.

    Und genau das ist mmn der Kern von UL: ein weniger, Gewicht/ Volumen/ Anzahl, an Ausrüstung zu benötigen. Idealerweise so weit reduziert, daß mein optimal möglicher Bewegungsradius nicht eingeschränkt wird.

    Dafür bedarf es ein mehr an Vorbereitung und der Akzeptanz von einem vorzeitigen Tour Abbruch.

    Zitat

    Als Erste Hilfe bezeichnet man Maßnahmen, die von einem Laienhelfer durchgeführt werden können, um in einem medizinischen Notfall die akute Gefährdung durch Gesundheitsstörungen zu überbrücken bis professionelle Hilfe (Rettungsdienst mit Rettungsassistent oder Notarzt) eintrifft.

    Die Erste Hilfe gehört zu den lebensrettenden Sofortmaßnahmen, welche zusätzlich zur ersten medizinischen Hilfe auch das Absetzen eines Notrufs (z.B. 112) und ggf. die Absicherung der Unfallstelle und Betreuung des/der Verletzten umfassen.

    https://flexikon.doccheck.com/de/Erste_Hilfe

    Skills are cheap - Passion is priceless

  • Darauf zu verzichten, das überlasse ich dann aber doch lieber den Leuten, die nach dem Motto "don't pack your fears" leben.

    Dann hast du einfach nicht verstanden, worum es dabei geht. Ich schrieb doch „ich überlege mir ziemlich gut, was ich daheim lassen kann und was nicht“. Nimmst du im Sommer eine Lawinenschutzausrüstung mit? Drei paar Unterhosen?

    Konkret: ich hatte letztes Jahr ein doppelwandiges Zelt mit auf dem PNT und mich im Nachhinein recht geärgert. Es gab so gut wie keine Mücken, es hat fast nie geregnet. Dieses Jahr in den Pyrenäen nur mit Tarp unterwegs gewesen, weil ich aus Erfahrung wusste, dass es normal kaum Insekten gibt und wenn, dann muss ich mir halt einen Schlafplatz ein Stückchen weiter weg suchen. Heißt in meiner Risikoabschätzung etwas bewusst in Kauf genommen, weil ich wusste, dass es dafür eine Lösung gibt und ich im Zweifelsfall an Moskitos auch nicht sterbe. Kurz, man überlegt sich, was sind die Konsequenzen, wenn es nicht so läuft wie gewünscht?

    Dass unterwegs etwas Unvorhergesehenes passieren kann, ist ja keine unbegründete Angst sondern eine reelle Gefahr. Darauf muss man vorbereitet sein. Dazu gehört halt aber auch die Erfahrung und das Wissen, was denn nun realistisch ist und was nicht. Ganz aktuell zb, braucht man in Europa ein Bear Spray? Wanderer in den USA stellen sich regelmäßig die Frage: Brauche ich eine Knarre auf dem Trail? Etc.

    Ein weiteres Beispiel, welches mir tatsächlich gerade so passiert ist: Auf dem vita bandet ist mir aufgefallen, dass alle anderen um mich herum einen Backup-Kocher dabei haben. Dabei war bei den meisten das Backup nicht nur ein zweiter Kocher sondern auch ein komplett anderes System, also zb Benzin vs Spiritus. Und nicht nur das, Pontus hatte auch ein Reparaturkit und zusätzlich noch eine Ersatzpumpe dabei, weil ihm die schon einmal kaputtgegangen ist. Das halte ich zwar insgesamt für etwas übertrieben aber mir ist aufgefallen, dass ich an dieses Szenario überhaupt nicht gedacht habe. Ich war kurz vor einer Etappe, wo ich ganze sechs Tage keine Zivilisation in der Nähe hätte. Hab das dann mit einem Kumpel diskutiert und der meinte aber, dass das ja wohl nicht so schlimm wäre, wenn man mal keinen Kocher hätte. „Dann isst du halt kalt!“. Dass ich dann auch kein Wasser hätte, hat er gar nicht bedacht aber meinte „naja, einen Tag hältst du das schon aus“. Wie er darauf kommt, dass sich die Situation nach einem Tag löst, hat er mir nicht erklärt. Ist auch egal, weil ich selbst nicht einen ganzen Tag ohne Wasser auskommen will. Also umgekehrt, mir wurde klar, dass ich einen Fehler begangen habe. Nicht wegen „don‘t pack your fears“ sondern weil mir einfach die Erfahrung gefehlt hat, was alles passieren kann. Während diese andere Person das Risiko bereit wäre einzugehen um ein paar Gramm zu sparen, wäre ich schon sehr froh gewesen, wenigstens ein repair kit dabeizuhaben. Und wie es der Teufel will, ging drei Tage später die verdammte Pumpe kaputt und damit wurde mein gesamtes Kochersystem unbrauchbar. Ich konnte dann zum Glück Pontus vie inReach erreichen und stellte fest, dass er nur ein paar Stunden hinter mir war. Also habe ich auf ihn gewartet und wir haben meine Pumpe repariert. Eigentlich war alles, was ich brauchte, die verdammte Reparaturanleitung, von der ich dachte, ich hätte sie auf dem Handy abgespeichert. War aber nicht so. Langer Rede kurzer Sinn: Auch wenn ich schreibe „don‘t pack your fears“ ist mein Rucksack nicht leer. Das bedeutet es einfach nicht, sonnst könnten wir ja alle nackt, komplett ohne Ausrüstung loslaufen.

  • als ich 2019 meinen ersten Testhike in Schottland gemacht habe hatte ich nichts dafür weil ich vorher nie wandern war. Vom Thema UL wusste ich damals auch noch nichts. Und natürlich war alles sehr viel schwerer als heute, ich kann mich noch entsinnen, dass ich mir so eine runde Ziharmonikakurbel LED Leuchte gekauft habe, weil man ja Abends dann tolle Beleuchtung im Zelt hat, natürlich nie benutzt das Teil.

    Mit mittlerweile ein paar Kilometern hinter mir ist es für mich halt so, dass es am Ende die eigene Erfahrung ist die einen erkennen lässt was funktioniert und was nicht. Und der Weg dahin ging halt über Try and Error und das hiess dann für mich auch kaufen, da ich bisher den Zugang zu Myog nicht gefunden habe. Wenn ich alleine an die Evolution des Topfsetup/Tasse denke, wieviele Iterationen notwendig waren um das jetzt für mich Funktionierende herauszufinden, die Outdoorindustrie hats gefreut. :)

    Ich finde es ja faszinierend wenn jemand wie Captain Hook mit 3.5kg Basisgewicht den TA läuft und man dann selbst den Vergleich hat weil man den auch gelaufen ist. Es gibt Dinge die ich mir nicht vorstellen kann (bisher), ein Tarp statt ein Zelt mitzunehmen zum Beispiel und das kostet natürlich dann Gewicht.

    Ich würde nicht Kopf statt Konsum sondern Erfahrung vs Konsum sagen. Und der Weg zur Erfahrung ging bei mir halt über Konsum um Dinge auszuprobieren. Jetzt wo ich mein Setup im Großen und Ganzen habe brauche ich erstmal nichts, außer es gibt bei einzelnen Komponenten etwas was wirklich leichter und stabiler ist. Solange die Sachen bei mir nicht irreversibel kaputt sind werde ich Sie erstmal so weiter nutzen.
    Und vielleicht das Wichtigste, das Wandern steht für mich im Vordergrund. Das Gewicht kann das sicher positiv unterstützen, aber wenn ich nur eine Zahl erreichen will und nachher Kompromisse bei meinem dabei Wohlfühlen eingehen muss ist es mir das nicht wert. Auch hier gilt die Devise HYOH.

    Naja was einen motiviert weiter zu gehen ist je nach Umgebung auch die Tatsache, dass man off grid ist. Und ein innerer Dialog den ich häufiger beim Wandern dann habe ist, wenn ich keinen Fuß vorwärts setze wird die Realität sein, dass ich dann genau an dem Punkt bleiben werden an dem ich gerade bin. Und da die Essensressourcen endlich sind ist auch klar, dass das Zeitfenster da begrenzt ist um dann auf der faulen Haut zu liegen. ;)

    Eine weitere Motivation kann sein, dass man auf dem Trail Leuten wieder begegnen möchte und weiß das die vor einem sind.

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