Prolog
Bisher standen zwei genähte Tarps auf meiner Soll-Seite. Beide mit den Stoffstandardbreiten von 150 cm. Leider sind geschlossene Aufbauten damit nur mit viel Gekrieche und Kondensabstreifen möglich. Also zu Extex gegangen, sechs Meter 36 g Silnylon gekauft und in den Müll geworfen. Es ging so ziemlich alles schief, was schief gehen kann. Löcher in die Fläche aus Versehen reingenäht, Seiten falsch zusammengefügt, Kappnaht völlig verkackt. Das ganze Programm. Kurzerhand also bei adventurexpert Silpoly in Wide bestellt.
Ich war angenehm überrascht. Das Braun war wesentlich gedeckter, als auf den Fotos ersichtlich. Die nutzbare Breite nach Abschneiden der Webkante lag bei ca. 180-181 cm. Schnelle Lieferung. Top. Jetzt volle Konzentration uuuund fertig. Ich bin sehr zufrieden. Die Abspannpunkte auf der langen Seite sind an der Zahl nur vier. Die inneren habe ich etwas Richtung Mitte versetzt, um beim A-Frame-Aufbau eine Art Tür zu haben, welche umgeklappt werden kann. Ein Aufbau als asymetrische Halbpyramide funktioniert ebenso. Obwohl beim ersten Versuch zwei Meter Breite das Ziel waren, sind diese 175 cm ausreichend und palastartig. Endgewicht mit Schnüren 254 g. Vielen Dank an wilbo , der mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand.
Nachwuchsbedingt lag meine letzte Tour schon drei, vier Jahre zurück und ich musste auch in der Vergangenheit schon feststellen, dass der Körper seinen Tribut wollte. Eine unbehandelte und immer wieder zur Seite geschobene Hüftschiefstellung resultiert jetzt mit 40 Jahren in vorzeitiger Gelenkabnutzung und ich kann leider nicht die Kilometer laufen, die ich gerne wöllte. Nach 20-25 Kilometern ist Schluss. Umso wichtiger ist die Gewichtsreduktion. Weniger bei mir. Da geht nicht mehr so viel Mein Basisgewicht lag für diese Tour bei 3,5 Kilo.
Ich wage mal die These, dass ohne Ultraleicht-Ansatz ich überhaupt gar nicht erst loslaufen kann. Insofern ist UL nicht nur Passion, sondern Notwendigkeit.
Ich hatte eine Woche Zeit, der Wetterbericht sagte zwei Tage davon Regen, Böen und 13-15 Grad voraus. Nachts bis runter auf 5 Grad. Brrr. Könnte ungemütlich werden. Einen Tag vorher tätigte ich noch einen Angstkauf. Eine 100er Fleeceweste sollte mich neben Longsleeve, Daunen- und Windjacke zusätzlich schützen. Das war auch bitter nötig. Die trug ich durchgehend. Auch neu dabei war die Kombination aus einer Nordisk Ven 2,5 in Short und vier mm EVA gekürzt auf 1,50 m. Ein super Hybrid aus zu harter Faltmatte und zu wackeltiger Pumpmatte. Ich schlaf generell schlecht, aber auf diesen beiden Matten noch am wenigsten
Tag 1
Nach der Anreise Start gegen 13 Uhr in Birkenwerder. Die ersten Kilometer waren ein Traum. Ich versuche mich in Achtsamkeit. Es ging durch Moore, Sümpfe, schöne Laubwälder, auf Holzplanken oder Pfaden entlang. Wow. Ein guter Einstieg und viele potenzielle Schlafplätze. Das Forsthaus Wensickendorf bietete zum Abschluss Kaffee mit Preisen von 2018. Premium. Leider schlugen mir dann bei der Pennplatzsuche monotone, kahle Nadelgewächse mit einer wenig attraktiven oder gar geschützten Schlafumgebung entgegen.
Tag 2
Die erste kalte Nacht habe ich warm überstanden. Generell jede Nacht. Ausrüstungstechnisch habe ich da alles richtig gemacht.
Eine Bäckerei im Niemandsland. Sonntag geöffnet. Die Schlange davor erzeugte zwar eher Großstadtflair, aber zum Kaffee in einer kleinen Backstube und Telefon laden sage ich nicht nein.
Was ich heute erlaufen und sehen durfte, war das genaue Gegenteil von gestern. Der mit Häusern zugepflasterte Stolzenhagener See und Wandlitzsee. Kaum bis gar keine Blicke auf Wasser möglich. Stattdessen latsche ich stupide über Beton.
Morgen wollte ich in Biesenthal einkaufen gehen und eine Überlegung war die Nacht auf dem Campingplatz am Liepnitzsee zu verbringen. Der im Eingangsbereich sorgfältig mit der Nagelfeile kurzgehaltene Rasen und die Regel, dass Saufen erlaubt, aber Kiffen bitte schön nicht, liesen mich ob dieser Versnobtheit schnell das Weite suchen.
Da vor Biesenthal alles Naturschutzgebiet war, suchte ich mir einen Schlafplatz nördlich davon. Natürlich war es mir nicht vergönnt im Laubwald zu schlafen.
Wirklich schön im Nadelwald hingegen schauten die vielen Kreuzspinnen aus. Hunderte. Zwischen jedem zweiten Baum grinste mir so ein riesen Rad entgegen und ich musste viel Slalom laufen. Sehr beeindruckend.
Tag 3
Beim Zusammenpacken fällt mir immer wieder auf, wie geil Ul ist. Tarp und Bivy passen einfach in einen verdammten 3 Liter Zipbeutel! Hammer!
Ab heute wehte ein böiger Wind. Ich hatte durchgehend zur Weste und Longsleeve jetzt die Wind- und Daunenjacke an. Viel Forststraße, aber endlich ein wunderschöner Platz unterm Laubbaum zum Schlafen. Der Tendenz des gewöhnlichen Biwaksackes in seiner natürlichen Umgebung nachts auf Wanderschaft zu gehen und Tarpwände berühren zu wollen, konnte ich mit Titanheringen entgegenwirken. Minus ein Hering während der Tour. Ich wollte sie mir extra farbig markieren damit genau das nicht passiert.
Tag 4
Regen. Regen den ganzen Vormittag und dabei konnte ich den herrlichen Weg gar nicht richtig geniesen. Ein Fuchs sagte kurz Hallo. Durch ein grünes Band Richtung Leuenberg warteten Singletrails ohne Ende auf mich, aber damit verbunden eben leider nasse Füße. Ich wusste in Leuenberg ist eine Bäckerei und das war mein Trost. Ich phantasierte drei Stunden lang von heißem Kakao und gefüllter Streuselschnecke. Hätte ich doch lieber von runtergelassenen Jalousien taggeträumt. Die Bäckerei hatte bis 6.10. geschlossen. Meine Stimmung im Keller. Am Spielplatz gegenüber zimmerte ich mir trocknen Fertigreis, Salami und Instantkaffee rein. Meine Hüfte fühlte sich gut an also lief ich weiter bis etwa 30 km runter waren. Endlich warme Schlafsocken.
Tag 5
Regen. Regen die ganze Nacht. Es war morgens und ich musste strulenzen gehen wusste aber: Wenn ich raus gehe, wird danach alles nass hier drinnen sein. Deswegen...Willkommen zu einer Folge von „How to Pinkel unterm Tarp!“. Man ziehe einen kleinen Graben, lehne sich aus der Schlaftüte, legt los und schüttet alles anschließend wieder zu. Idealerweise ist das Tarp nicht bis zum Boden abgespannt, sodass der Strahl zum Großteil draußen landet. (Vielleicht kann die Damenwelt eine entsprechende Methodik folgen lassen.) Jetzt konnte ich entspannt Kaffee kochen. Zusammenpacken und rein in die nassen, kalten Socken. Bäh.
Beim Laufen durch einen Mix aus Singletrails, Forstpiste und Waldpfad war das mehr an Kilometern gestern meiner Hüfte zu merken. Sie schmerzte. Genauso wie der Wetterbericht für die nächsten zwei Tage. Weiterhin Regen. Ich hatte keine Lust mehr auf Aua, kalte Füße und Wasser vom Himmel, buchte spontan ne Fahrkarte ab Strausberg, konnte meinen Anschluss in Lichtenberg nicht bekommen, weil Deutsche Bahn, aber war gegen 20 Uhr daheim.
Fazit: Ein erstaunlich schöner Weg. Ich hatte viel mehr Forstpiste erwartet. Natürlich ging es durch Ortschaften und der obligatische Schlenker zu hochpreisiger Gastronomie und Hotelerie ist wohl Markenzeichen der Premiumwanderweg, aber es gibt tolle Ecken zu entdecken.
Für mich persönlich muss ich wohl akzeptieren, dass lange Strecken einfach nicht drin sind und ich meine Ausflüge auf vier, fünf Tage begrenzt sehe. Vielleicht kann mein Sohn das irgendwann für mich nachholen. Das wünsche ich mir.