Foggy Fagaras: Ein- und Aufstieg in Rumänien

  • Ehe ich meinem Ruf als ewiger Reiseberichtunvollender wieder gerecht werde, fange ich mal ganz schnell mit der letzten Tour an, ehe die Erinnerung bröckelt und die kleinen Herausforderungen des Alltags dazu führen, dass ein Bericht unterbleibt.

    Prolog: 
    Ich mache gerne mindestens eine längere Tour im Jahr - zuletzt oft im Sommer, wo sich schlicht das passend große Zeitfenster fand, so theoretisch auch dieses Jahr.
    Nur irgendwie konnte ich mich erst nicht so recht zur Planung aufraffen, dann kam doch noch Arbeit dazwischen und stutzte das Zentfenster zurecht - und dann trat ich mir auch noch im Urlaub zuvor einen Seeigel ein, der lange dafür sorgte, dass ich nicht sicher war, ob ich überhaupt noch großartig los ziehen würde.
    So zog sich der zähe Kaugummi der Entscheidungsschwäche, Planungsträgheit und Ungewissheit bis wenige Tage vor dem noch immer offen stehenden Zeitfenster von immerhin einer Woche.
    Reisepreise in der letzten Ferienwoche machten so manche Trail-Bucketlist Idee zunichte - und so blieb ich bei Rumänien, womit ich von Anfang an etwas geliebäugelt hatte, da noch immer ein weißer Fleck auf meiner ansonsten so langsam ganz gut bewanderten Landkarte in Osteuropa und Balkan. Aber es fiel nicht einfach, so einen längeren Trail auf der Bucketlist, den ich gerne komplett laufen würde, einfach so um einen einzelnen, kürzeren Abschnitt zu berauben und diesen schon einmal zu gehen.

    Aber ehe ich gar nichts mehr zu Stande bringe - Mittwoch gebucht, Sonntag sollte es los gehen, dazwischen noch ein Berg an Arbeit, und ich war mir weder schlüssig, welche Strecke, noch sonst irgendwas. Minutiöse Vorbereitung vor einer Tour gehört ohnehin nicht unbedingt zu meinen Qualitäten, aber derart schlecht vorbereitet war ich selten.

    Ursprünglich hatte ich mir mit den Empfehlungen eines Locals eine Strecke um und bei 400km zusammengestückelt.
    Wer Interesse hat, hier entlang:

    Traversare Crai - Fagaras
    Traversare Crai - Fagaras Hiking trail in Zărnești, Braşov (România). Download its GPS track and follow the itinerary on a map. 31.07 - Crai: Gara Zarnesti -…
    www.wikiloc.com
    Traversare Mtii Capatanii - Mtii Parang
    Traversare Mtii Capatanii - Mtii Parang Hiking trail in Valea lui Stan, Vâlcea (România). Download its GPS track and follow the itinerary on a map. 07.08 -…
    www.wikiloc.com
    Traversare Retezat
    Traversare Retezat Hiking trail in Ohaba de Sub Piatră, Județul Hunedoara (România). Download its GPS track and follow the itinerary on a map. 11.08 - Ohaba de…
    www.wikiloc.com
    Traversare Godeanu - Cernei
    Traversare Godeanu - Cernei Hiking trail in Râuşor, Județul Hunedoara (România). Download its GPS track and follow the itinerary on a map. 16.08 - Saua Paltina…
    www.wikiloc.com


    in der Mischung aus Zeit, Wetterbericht und grob überschlagener Anreise-Erreichbarkeit entschied ich mich für die gut 115km Fagaras-Traverse - natürlich auch, weil einfach DER Gebirgszug Rumäniens inkl. höchstem Gipfel (Moldoveanu, 2544m). https://www.wikiloc.com/hiking-trails/…agaras-14444333

    Speaking of Wetter - es war absolutes Sauwetter prognostiziert. Regenmengen um 30mm - und verdammt niedrig einstellig ;( Wandern und Regen ist ja motivational überhaupt nicht meins, aber ich nahm das mal als Schicksalswink, um mich da vielleicht ein- für alle Mal von zu befreien. Ändern lies sich eh nichts mehr, in Anbetracht der erwarteten Schlammschlacht oberhalb der Baumgrenze bekam allerdings die Packliste nach einigem Anwägen noch einen echten Schlag - ein Z-E-L-T-!. Hängematte macht schlicht keinen Sinn, die Halbpyramide aus dem Hängemattentarp am Boden ließ die eh schon gedämpfte Freude auf das miese Wetter nicht besser werden - und andere brauchbare Bodenbehausungen habe ich schlicht keine mehr. Also wanderten 1300g weight penalty für späte Planung in Form des Tensegrity 2P in den Rucksack, das Shelter für stationäres Camping mit der Family - und katapultierten die Packliste auf 4,5kg plus =O

    https://lighterpack.com/r/e2m4bp


    Der Cicerone Guide, den ich noch überhastet digital gekauft hatte, entpuppte sich (wieder einmal) als Murks.
    Auf der Übersichtskarte sah es so aus, als würde er genau die relevanten Gebirgszüge abdecken. Tat er auch, allerdings mit irgendwelchen mikrigen Tages- und Overnighter Runden in den Gegenden. Völlig unbrauchbar für die jeweiligen dortigen Langstrecken.

    Aber immerhin für den Tipp zum Einstieg zum Fagaras Hauptrücken war ich dankbar. Von Campulung per Taxi zur Cabana Voina (https://en.mapy.cz/s/gemedahabe) und von dort dann gen Norden zur Curmatura Bratilei. Sehr einsamer und schöner Aufstieg. Der Einstiegsteil ganz im Osten des Fagaras von Zarnesti aus soll ziemlich überfüllt sein, weil einfach erreichbar und sogar vor Taschendieben an den dortigen Lagerplätzen wird gewarnt.

    Die Anreise erfolgte mit Flugscham nach Bukarest - bei noch drückender Hitze am Abend und nach einer Nacht und etwas spazieren in der mir noch unbekannten Altstadt dann am nächsten morgen kurzfristig auf der Anreise organisiertem blablacar weiter nach Campulung. Überraschend war die breite Nutzung von Kreditkarten im ÖPNV, die man einfach anstelle eines Tickets am Drehkreuz und selbst im Bus an den entsprechenden NFC Sensor hält.

    "Not all those who wander are lost"

    Einmal editiert, zuletzt von questor | hangloose (1. Oktober 2024 um 23:19)

  • In Campulung dann noch Frühstück und Einkauf - in Rumänien sind sämtliche deutschen Supermärkte vertreten und so kauft es sich fast so routiniert ein, wie zu Hause. Das Taxi nach Cabana Vuina lohnt sich, die kurvenreiche, eher öde Asphaltstraße hätte sonst bald einen Tag gekostet. Zumal bei der Preisfindung mit verschiedenen Taxifahrern kein einziger Ausreißer dabei war, der den Touri mal so richtig ausnehmen wollte.

    Wie es so ist mit so zerstückelten Starttagen - es zeiht sich. Die ersten Schtritte auf dem Trail machte ich erst um 11 Uhr.
    Von Cabana Vuina ging es zunächst in den Wald - und rasch an den Aufstieg. Es war noch relativ warm - und so lief es alsbald aus allen Poren. Die doch auffällige Vermüllung am noch einfach erreichbaren Einzugsgebiet der Camper lies zum Glück auch alsbald nach - wenngleich ich die gesamte Tour über doch feststellen musste, dass ich noch in keiner anderen Gegend derart viel achtlos zurückgelassenen Müll gefunden habe, auch in den deutlich weniger frequentierten Abschnitten.

    Auf etwa 1600m deutete sich langsam die Baumgrenze an und die ersten Ausblicke belohnten den Aufstieg.


    Die erste Hütte war sodann von einem der riesigen Herdeschutzhunde bewacht, der sich einen Dreck um meinen Osteuropa Hundeschreck-Hack von ich heb mal einen Stein auf - und werfe ihn ggf. auch in Deine Richtung scherte. Ja verdammt - krasses Vieh. Von diesen Biestern gelesen hatte ich - sie live zu erleben war dann doch noch mal etwas anderes...Na gut, ich bin ja eh nicht so der Pausentyp und hatte sowieso Lust auf Laufen, dann halt weiter in den nächsten Anstieg.




    Einer ersten, dunklen Wolke konnte ich davonlaufen, die Spätnachmittagssonne sorgte für grandiose Lichtstimmung und so hatte ich noch mal guten Schub bis zum frühen Abend, als ich wieder langsam in Gefilde kam, an denen sich ein Zelt stellen lies (und wo ich mit etwas Suchen wohl auch noch was zum Hängen gefunden hätte, was mich abermals zweifeln ließ, ob ich die Hängematte nicht übereilt zu Hause gelassen hatte - aber die nächsten Tage brachten dahingehend Beruhigung - Baumquote tatsächlich 0,0).

    Ein Fall für das Kuriositätenkabinett auf Tour? Auf jeden Fall mein Respekt, extra Dosen hier hoch zu schleppen! Und dazu, dass man ihn sucht führt es (zumindest bei mir) auch, allerdings vergeblich.



    Ich muss zugeben, das hatte auch mal wieder was, in so einem Tanzpalast von Schutzbunker zu liegen, den definitiv schlechteren Schlaf einmal ausgeblendet.


    Und noch die (halb)tagesbilanz, allerdings nicht getracked sondern nur am Abend kurz anhand des Routenabschnitts rekonstruiert.

    "Not all those who wander are lost"

  • Der nächste Morgen war ziemlich diesig. Eigentlich hatte ich mich gefreut, auf einem Kamm zu zelten, der nicht freien Blick auf den gestrigen Sonnenuntergang, sondern auch den Sonnenaufgang ermöglichte, aber ich befand mich eher in einer weißen, zugigen Nebelwolke.

    Nach dem Frühstück klarte es etwas auf - allerdings sah es nach Regen aus. Der Wetterumschwung schien wie vom Wetterbericht bestellt auch geliefert zu werden. Es gelang mir noch, trocken zu packen, kurz darauf folgte allerdings der erste äußerst ordentliche Guss und ich ergab mich in mein Schicksal, dass das nun also wohl den Rest der Woche so werden würde und patschte in den nach kürzester Zeit durchnässten Altras von Pfütze zu Pfütze. Der erstmals eingepackte Regen(und sonnen)hut machte eine wirklich gute Figur - hatte ich nicht erwartet, was es mental für einen Unterschied macht, wenn es einem nicht so in's Gesicht kübelt wie unter einer Kapuze.

    Nach einer guten Stunde kam jedoch wieder die Sonne durch und der Nebel saß nur noch in den Tälern.



    Alsbald erreichte ich so wieder mit dem Wetter versöhnt den Fagaras Hauptrücken, wo ich auf die eigentliche Traverse von Osten traf. Dort hatte ein Rumäne in einer wohl ziemlich undichten - und auch sonst nicht allzu einladenden Geodät-Biwakkapsel übernachtet - und fand es so toll, dass er dort auch noch den Tag verbringen wollte. Na denn - you do you - ich zog weiter.


    Die Landschaft auf dem Hauptrücken wurde sogleich immer monumentaler.


    ...Zumindest, bis es dann bald doch wieder zuzog - und ich ehrlich gesagt keinen Schimmer mehr hatte, wie monumental oder banal es um mich herum eigentlich gerade aussieht.


    Es fing auch wieder an zu gießen - und so kam mir die nächste Hütte für einen Snack und etwas Abwettern ganz gelegen.

    Als es bald wieder aufklarte, belohnte die Landschaft aber abermals - und die Hütte rückte schnell in weite Ferne.


    Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich Gratwege liebe?


    Die Weg ging nun dazu über, vermehrt schmalere Täler zu kreuzen - was die nächsten Tage ähnlich bleiben sollte. Hübsch anzusehen, aber immer etwas repetitiv und nicht unbedingt motivierend, jedes Mal mit dem Wissen ein Stück weit in's Tal abzusteigen, dass man auf der gegenüberliegenden Seite ja direkt wieder hoch muss.

    Nebel und Aufklaren gaben sich in schneller Folge die Klinge in die Hand - und so musste man schnell sein, um das hübsche Tal auch tatsächlich noch abgelichtet zu bekommen. Wenn ich die Bilder so sehe, sieht es nach eitel Sonnenschein aus, tatsächlich allerdings meist nur für kurze Momente. So ging es weiter von Tal zu Tal zu...








  • Als ich wieder einmal im weißesten weiß tappte, hörte ich Schafsglocken, auf die ich zuwanderte.
    Mit dem Herdeschutzhund von gestern im Hinterkopf, ziemlich beunruhigend, blind auf eine Herde und deren Hune zuzulaufen.

    Wie ich dann auf vielleicht drei Meter Sicht merkte, waren es Esel im Windschatten einer kaputten Schutzhütte an denen ich vorbeilief - als es aufklarte vom gegenüberliegenden Anstieg aus auch eine ganz nett anzusehende Hochebene.


    Hund gab es dennoch, allerdings anders, als erwartet.


    Singletrails ganz nach meinem Geschmack


    Es zog wieder mehr und mehr zu - und obwohl ich einen Zahn zulegte, gelang es mir nicht, noch vor dem nächsten Regen, der alsbald zu Eisregen wurde - WTF? - das Etappenziel, die Hütte am Fuße des höchsten Gipfels zu erreichen. Im Gegenteil - Der Regen und ich kamen gemeinsam an - und ersterer hörte in dem Moment auf, in dem ich die Hütte betrat.

    In der kleinen Hütte hatte sich schon eine Gruppe Tschechen breit gemacht - und so erkundete ich zunächst die Umgebung, die, aufgeklart, abermals in der Sonne eine gute Figur machte.


    Allerdings gab es kaum Zeltstellen an diesem Abschnitt, die nach dem Regen dann auch noch abgesoffen waren - und so entschied ich mich in der Hütte zu bleiben - und beim Wasser holen noch den Sonnenuntergang zu genießen.



    Die Hütte verfügte über eine Solaranlage mit Licht und Lademöglichkeiten über USB - ein deutsches Projekt, wie man mir erklärte.
    Wir bekamen dann noch absolut full house in der kleinen Unterkunft. Zunächst noch ein paar Moldoveanu-Rückkehrer - und zu später Stunde noch ein paar frisch aufgestiegene aus dem nahegelegenen Tal. Es herrschte ein ganz schöner Tumult auf kleinstem Raum mit all dem Gepäck - zumal die Neuankömmlinge nicht im Entferntesten auf die Idee kamen, vielleicht einen Gang zurück zu schalten, als alle anderen bereits in der horizontalen lagen. Und das Schnarchkonzert war auch nicht von schlechten Eltern.


    Die Tagesbilanz rekonstruiert

    "Not all those who wander are lost"

  • Am nächsten Morgen finden sich die Insassen der kleinen, proppevollen Hütte im nieseligen Nebelmeer wieder, der Aufstieg zum Moldoveanu macht wenig Sinn. Der Wetterbericht verspricht auch nicht allzu viel Besserung, aber zumindest etwas - und so harre ich aus - und aus - und aus. Bei der gelangweilten Lektüre der Route und ein paar Etappenplanungen dämmert es mir, dass ich ohnehin einen Gang zurückschalten sollte, wenn ich nicht schon äußerst verfrüht durch die Sttrecke durch sein will. Als es gegen zehn aber immernoch nicht besser wird, breche ich ungeduldig und entvervt auf in das weiße Nichts.
    Der Schäfer, der mit seiner Herde an der Hütte vorbeizog, steht im Nebel in eine Decke gewickelt an der Abbruchkante in Richtung Tal, wo es Netz gibt und nutzt die weihen der modernen Technik für...Youtube. Er bringt seine Herdenschutzhunde unter Kontrolle und eskortiert mich durch die Herde - und so kann ich sicher passieren.

    Also auf zum Moldoveanu - und dem direkt davor liegenden Vistea Mare, mit 2527 ähnlich hoch - und eindeutig das coolere Gipfelkreuz. Ob der Karabiner schon im Guinnessbuch steht - und ob es das eigentlich überhaupt noch gibt? Das Schild, dass sich Stickern verbietet, funktioniert jedenfalls (bis dato).

    Auf dem Weg dahin kommen mir mehrere sichtlich über-forderte und unter-ausgerüstete Tagesgipfelstürmer entgegen, es gibt wohl irgendwo einen relativ gut erreichbaren Parkplatz und einen nicht allzu langen Zustieg, die sich das wohl eher wie einen Spaziergang vorgestellt hatten. Es bleibt leider verhangen und nieselig - und so hätte ich das Selfie auf dem höchsten Gipfel Rumäniens eigentlich auch zu Hause vor der weißen Tapete machen können, hätte sich vom Blick her nichts genommen. Also verweile ich nur kurz - und steige dann der Route folgend weiter ab. Es dauert nicht allzu lange, da bricht der Nebel hier und da auf - war ja klar. Ich überlege kurz, noch mal umzudrehen, verwerfe den Gedanken aber schnell wieder. Zum Einen bin ich schon ein gutes Stück abgestiegen - und zum Anderen - was soll's, es gibt so viele tolle Ausblicke auf dieser Tour, da braucht es keine Extrawurst für diesen Gipfel.

    Die Landschaft entlohnt wie schon die Tage zuvor, wann immer sie sich kurz zeigt, der Weg bleibt herrlich singletrailig-gratig.


    Die Etappe des Cicerone ist kurz - und nach dem späten Start und der Erkenntnis, dass ich bisher zu schnell für die angepeilten 5 Tage netto unterwegs bin, passt mir das ganz gut. Etappenende ist - wie so oft beim Cicerone auf dieser Tour - ein See. Nachdem das gestrigen Etappenende auch bereits alles andere als geeignet für ein Zelt war, bin ich skeptisch - und behalte Recht. Während kurz zuvor herrliche Plateaus mit Blick in's Tal - und dank der Transfagarasan Passtraße auch blendendem 5G liegen, entpuppt sich der Capra See als ziemlicher Zonk. Zugig ohne Ende - ohne Netz in der Senke - absehbar feucht - und als ich zum Beäugen möglicher Campspots und auf der Suche nach der Quelle etwas weiter herumlaufe zu allem Überfluss auch noch voller Shit! Ich habe noch nie so viel Hinterlassenschaften und Tücher gesehen, wie um diesen See herum! Ich taufe lake Capra gedanklich Lake Crappa und ziehe in Richtung der Plateaus, die ich zuvor gesehen hatte, wo ich sobald einen ziemlich perfekten Spot finde, der auch einigermaßen ausreichend Windschutz vor den heftigen Böen bietet. Ich baue auf, bunkere mich ein, relaxe, futtere - und nutze den guten Empfang. Ein alles in allem doch noch ganz brauchbarer Tag - und ein entspannter Abend.


    Die Tagesbilanz

    "Not all those who wander are lost"

  • Die Nacht war dann doch etwas unruhig, das Duett aus Böen und Zelt weckt mich immer mal wieder.
    Aber es ist trocken und nicht nebelig - was will man mehr?

    Kaum aufgebrochen, nochmals am Crappa-See vorbei und den nächsten Talkessel hinauf, offenbart sich auch schon der Grund für die ganzen Zivilisationshinterlassenschaften: Direkt im daneben liegenden Kessel führt die Transfagarasan zu einer ziemlich trubelig anmutenden Ansammlung von Infrastruktur - deren Nutzer es wohl gerade mal über den kleinen Pass zum See schaffen, um sich dann dort derart zweifelhaft zu verewigen.


    Zum Glück habe ich gerade erst gefrühstückt - und kann so der Versuchung wiederstehen, mir dort unten gehörig den Bauch vollzuschlagen und trete lieber die Zivilisationsflucht weiter an.

    Ein paar Täler weiter treffe ich zwei süddeutsche Jungförster beim Wasser filtern. Wir unterhalten uns kurz - bemerken schnell unsere leichten Rucksäcke - und laufen gemeinsam geartalkend weiter. Vorbei unter anderem an dieser outer space-artigen Hütte, an der wir kurz etwas Regen abwettern.

    Die zweite Tageshälfte wird deutlich ungemütlicher. Es steht die technischste Etappe der Tour an - ein mehrere Kilometer langer, mit Ketten gesicherter, ziemlich verblockter Gratabschnitt - und dazu eher weniger passend Nebel, ordentlicher Regen und Wind. Also ziemlich genau die Bedingungen, vor denen der Cicerone vor diesem Abschnitt eindringlich warnt und eine Alternativroute empfiehlt. Aber hey - der Cicerone empfiehlt auch, am Kaka-See zu campen, also F-U-! Es wird in der Tat ziemlicher Type-2 Fun - und wir sind alle froh, diesen Abschnitt nicht allein gegangen zu sein. Ich habe bei dem Sauwetter kein einziges Bild gemacht - allzu viel wäre eh nicht zu sehen gewesen - und alles außerhalb des Regenmantels war auch einfach sehr ordentlich den Elementen ausgesetzt, sodass das Smartphone schön im inneren verblieb.

    Glücklicherweise lockte am Ende der Etappe, die bis dahin kaum Campoptionen bot, eine topmoderne Hütte, in der wir uns von dem Ritt erholten, halbwegs trockneten und vernünftig schliefen. Das Wetter rüttelte ordentlich an der Blechverkleidung - und so fühlte sich dieser cleane, futuristische Ruhe ausstrahlende Innenraum ein wenig an wie eine Raumkapsel in der wir Zuflucht vor der unwirtlichen Außenwelt gefunden haben. Glatt vergessen, ein Foto zu machen, aber mapy.cz sei Dank: https://en.mapy.cz/s/kesohemope

    Die Tagesbilanz:

    "Not all those who wander are lost"

  • Und damit sind wir auch schon beim letzten Lauftag. Auch nur noch wenig Bilder, da vor allem vom ordentlich Höhenmeter einbüßen geprägt, über 2300 abwärts stehen am Ende auf dem Tacho.

    Ein paar hübsche Talblicke, beunruhigend viel frische Bärenlosung dafür, dass ich mir eingeredet habe, dass die doch sicherlich unterhalb der Baumgrenze bleiben - und irgendwann endlos Blaubeeren und ihre Sammler mit großen Kämmen - und gigantischen Wäschetonnen als Kiepe voll Blaubeeren auf dem Rücken.


    Und dann sind wir auch schon raus - zurück in der Zivilisation - oder zumindest deren Ausläufern.

    Turnu Rosu, das Kaff, in dem wir erstmals wieder Asphalt betreten, ist wirklich winzig und nichtssagend. Aber als wir uns nach der Plünderung des lokalen Supermarktes dem Bahnhof nähern, staunen wir nicht schlecht - gigantisch - und ziemlich verlassen. Beim Blick durch die staubigen Scheiben - voll! mit Akten!

    Turns out - hier befindet sich der ehemalige Grenzbahnhof - und darin mittlerweile das Archiv der rumänischen Eisenbahn CFR. Unbezahlbares Tirvia-Wissen!

    Die Bahn kommt...


    Und es geht nach Sibui - ehemals Herrmannstadt - wirklich stilvoll saniertes Mittelalterstädtchen, wo wir die Klamotten trockenlegen, uns den Bauch voll schlagen (zu meiner Überraschung wird in Rumänien eine ganze Menge Polenta verspeißt), etwas Sightseeing betreiben und von wo ich mich dann am nächsten Mittag zurück nach Bukarest aufmache.

    Projekt - Trockenfix


    Als ich einem local, der mit im blabalcar nach Bukarest sitzt, freudig davon erzähle, keinem Bären begegnet zu sein, zückt er sein Telefon mit Fotos - und empfiehlt für Bärensichtungen die Transfagarasan, wo sie wohl angefüttert am Straßenrand in großer Masse vertreten sind.


    In Bukarest habe ich abermals nur einen Abend und einen Morgen - und so bleibt es neben Völlerei wieder nur bei etwas Schlendern.
    Wobei sich mein Aufenthalt beinahe unfreiwillig verlängert hätte, da ich, wie ich am Flughafen erfahre, auf Standby stehe - an sechster[!] Stelle! Abermals F-U-! - diesmal allerdings Richtung Wizzair. Das Bodenpersonal flüstert mir noch, sie hätten bei Wizzair schon bis zu 12 Standby Passagiere erlebt, also vorsicht - dort wird hemmungslos überbucht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass tatsächlich sechs Passagiere nicht auftauchen und schaue mich schon nach zeitnahen Alternativen um, die es nicht so recht geben will, doch tatsächlich schaffen wir es alle an Bord.

    Also Fagaras gut, alles gut, Wizzair Kot.

    "Not all those who wander are lost"

    2 Mal editiert, zuletzt von questor | hangloose (9. Oktober 2024 um 09:15)

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