Beiträge von extremspaziergaenger

    ich bin selber viel schreiber on trail. ich hatte zu anfang immer die Cahier von Moleskin , bis ich mir das tippen in den memos meines mobiles angewöhnt habe. Ich habe die mine von einem kuli genommen, und für die dicke noch mein gaffa drumgewickelt.

    natürlich sind handgreifliche trailtagebücher was schönes - ich möchte meine beiden von meinem ersten thru nicht missen, dennoch möchte ich ganz unromantisch werbung für dual use machen und das handytippen ins feld führen. wiegt eben nix extra, ist eh am start... so diese UL-dualuse-argumente eben :D

    oder was ich auch immer wieder gemacht habe wenn mir das handschreiben wichtig war: die gastroblöcke von servicekräften, die sind meist aus sehr leichtem papier, können jederzeit - in fast jedem gasthaus - nachgefüllt werden und mit der abschlusspappe gibts noch ne schreibunterlage, ist dann eher ne zettelsammlung als ein tagebuch... aber ich weiss nicht ob es dir auf die form oder den akt des schreibens an sich ankommt, letzterem ist es ja egal wo unn wie, der form nicht

    [ot]

    Ich komme aus der Region

    Lol. Ich auch. Woher wenn ich fragen darf? Vom. Ohligsberg kannste auf Oberheimbach gucken, da bin ich groß geworden. Und das wort "bulldog" hab ich seit ich da weggezogen bin nicht mehr gehört.

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    Touren räumlich so nah, dass sie fast schon wieder ein bisschen unattraktisch sind.

    Bei mir ist es eher umgekehrt. Ich fahr gerne ins mittelrheintal, genau weil ich da nicht mehr lebe. Und mit genügend zeitlichem u räumlichem abstand kann ich das auch wieder schön finden.

    Und generell touren in der nachbarschaft finde ich sogar eher attraktiv, u.a. weil die anfahrtswege kürzer sind, ich meine hood besser kennenlerne, und wenn ich weiss das es eh schön ist, ich mir das inmer wieder abholen kann (bin einige wege zwei, dreimal gelaufen).

    [ot]

    RaulDuke ne ist ne running cap. Die marke heißt "ciele" und das ist die "go cap", fivepanel-style. keine ahnung was die wiegt, weil als "worn" markiert fällt sie nicht ins BW und ich bin kein skin-out-fetischist 😅

    62 gr sagt das inet. 40 eus meist. Hab die seit 2021 zum hiken auf dem kopf, farbe nach 4000ish hiking-k gut ausgeblichen, aber keine materialermüdung. Hab die zusätzlich noch off-trail und zum rennen auf. Also ist schon auch viel in Nutzung.

    Ansonsten leichtes luftiges Gewebe, schnell trocknend angenehm zu tragen. Muster unter dem Schirm reflektierend. Manchmal.finde ich den Verschluss ein wenig kratzig - der vollständigkeit halber sei das erwähnt (stört so wenig, dass ich off-trail noch zwei weitere Ciele go caps habe 😅

    Grosse Auswahl an Farben noch. Weiterer Negativpunkt. 40eus ist etwas pricy va wenn die Kumo Kappen für 27eus gibt... Die habe ich aber noch nicht on trail und in dauernutzung ausprobiert

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    dass man nur UL ist, wenn man den Plastikring unter dem Verschluss der Einweg-PET-Wasserflasche entfernt. Wer das nicht tut, hat quasi die Kontrolle über sein Leben verloren

    Okay. Exkommuniziert. Ich bin ab heute der vielleich leichteste UH'ler.

    Und habe die Kontrolle komplett über mein Leben verloren.

    Was auch immer schwerer wiegt. Ich merke das das Forum mich mal wieder in die abgründigsten Abgründe des Leichtigkeitsrabbitholes führt. Danke dafür 😅

    seit über 3000 km 54er Tywek no probs so far.

    Poly ist zwar leichter, habe mich nach meinem ersten Thru jedoch dagegen entschieden: (1) Nachhaltigkeit, das Ding war nach 2500k durch, mein hingegen Tyvek hält und hält; (2) Campspot: wie masui_ richtig sagte macht das schon was aus, ich bin da jedoch nicht akkurat genug, 2019 hat es mir wegen solcher Unachtsamkeiten mehrfach die Matte kaputt gemacht; (3) ich selber mache Poly beim ein- und aussteigen aus dem Tarp gerne kaputt :D - es ist also für meinen Style nicht das beste.

    Deshalb ist 55er Tyvek ein Luxusitem von 50gr mehr ggü. Poly das ich mir gönne, zu dem Preis des Mehrgewichts... Alle dickeren Tyveks finde ich persönlich übertrieben und wer im Camp weniger verschusselt sowie bei der Pennplatzsuche sorgfältiger ist als ich, würde ich auch zu poly raten.

    Das 44er habe ich mal ausprobiert finde es jedoch im handling, dass es die Nachteile von 55er Tyvek u Poly vereint., ohne deren Vorteile zu bieten (ok, es ist reißfest - aber schonmal mal nadelwaldboden von der aufgerauten seite des 44er tyvek geknibbelt? unschön :D )

    Spessartweg 1 | Aschaffeburg - Gemünden | 62 Kilometer | 1550 Höhenmeter | Mehr Infos hier | Keine Packliste (3.7ish BW) | Wer mehr Bilder will, sry. Hab mehr gefilmt als fotografiert | Für bewegte Bilder: KlickKlick


    [Zuvor]

    Träumte spinnerte Imaginationen. Phantasierte, reiste durch meinen Bilder. Die Sonne wehte durch das herbstliche Farbenspiel. Wirkte golden. Wirkte warm. Das wallenden Rauschen der Autobahn verschmolz in wogenden Blättern, verschwand aus dem Bewusstsein. Gleißende Strahlen kitzelten die Nase, die Augen zogen sich unwillkürlich zusammen, das schnelle Schattenspiel im Wind auf dem Gesicht, ein Strahlen. Die Sohlen rutschten über das nasse Laub. Irgendwo werden Ideen geboren, werden innere Bilder gemalt. Und so lyrisch es anfängt, so führen die Wege des Vorstellbaren manchmal unprätentöserweise eben in den Spessart.
    Als ob dem Spessart nichts lyrisches anhaften würde, der größte zusammenhänge Laubmischwald der Republik, Sagen und Mythen, geschichtsträchtiges und kulturell bedeutsames findet sich zwischen Odenwald, Rhön und Vogelsberg. Stoff ist also genug vorhanden.
    Der Spessart wird von einer kurzen Wanderweg-Trilogie, den Spessartwegen Eins bis Drei durchzogen. Den zweiten bin ich zu Beginn meiner Mehrtageswanderkarriere mal gelaufen. 2016 vielleicht. Im Kopf noch kein Longdistance Hiker, blieb der Weg als Enttäuschung eines Wochenendhikers zurück, der zu viel in diese 60ish Kilometer projizierte. Ja, deutsche Dorftristezza und Autobahn, Wirtschaftswege und die ambivalente Schönheit der Landmark, Gewerbegebiet und Kuhweide eine gängige Erfahrung auf heimischen Wanderstrecken. Nun, nach zwei Nord-Süd Thruhikes durch dieses Land geläutert, kann ich dem eigentümlichen Ensemble durchaus etwas abgewinnen - und sei es nur das es den Raum zur Durchwanderung anbietet. Im Gedächtnis blieb die Erinnerung, das die ersten zaghaften Ultraleicht Schritte unternommen wurden, inklusive ihrer, heute von mir sanft- und hochmütig belächelten Fehler und Eigenheiten holpriger Anfänge.
    Jedoch weder Nostalgie, noch irgendwelche Aufladungen des Spessart führten mich auf einen seiner Wege. Vielmehr Pragmatismus. Alle anderen Wege, auf meiner eigenen vorgehaltenen Regio-Liste sind eher um die 100km. Ich habe jedoch einfach keine Zeit für 100Plus K. Und einfach zielloses Overnighter-Strollen im Taunus, das widerstrebte mir dann doch. Soviel zur Vorgeschichte.
    ich Schrieb gerade die erste Outline für diese Vorrede [und ein bisschen mehr] im schon abfahrtsbereiten Zug gen Aschaffenburg sitzend, als das Telefon klingelte...

    Mit dem folgenden Gespräch ergibt sich, dass ich meine Pläne ändern muss. Heute kein wandern. Ich habe einen Termin in meinem Kalender falsch eingetragen. Heute Seminargruppe. Ich bin die Seminarleitung. In einer halben Stunde. Ich brauche allein 20 Minuten um überhaupt nach Hause zukommen...

    Naja, in meiner Karriere als Seminarleitung habe ich schon ein paar Dinge verbockt, ich habe auch gelernt damit umzugehen. Eine Strategie ist, eine Liste Worst-Case-Szenarien zu haben und sie genüsslich lachend abzuhaken, wenn sie denn eingetreten sind. Mit dem heutigen Tag ist der Punkt "Termin vereiert" abgehakt, fehlt nur noch "mit den falschen Seminarmaterialien beim Seminar erscheinen" - dann ist mir alles mal passiert was ich auf der Liste stehen hab. Mit unternehmerischer Ernsthaftigkeit hat das nichts zu tun, aber muss es auch nicht: die Krisenbearabeitung solcher Fälle, Nachbesprechungen, Feedbackschleifen, Reflexionsrunden, Verbesserung der Betriebsabläufe usw. sind schon freudlos genug. Auch wenn es für die Story nicht weiter relevant ist: Seminar fing eine Stunde später an und verlief sehr gut. Wir haben viel gelacht - über mich. Und produktiv das abgearbeitet was auf die Auftragsklärung als Ziel definiert hat.

    Zu Hause checke ich aber nochmal ob meine Kalender synchron sind...


    [Tag 1: Aschaffenburg >> Weikertswiese]

    Die Zugfahrt verschwindet im Text. Tippe noch hektisch ein paar weitere Stichwörter der Vorgeschichte dieses Hikes damit die Ideen und Bilder nicht verloren gehen.
    Fließe mit den Pendler:innen auf das Gleis, kaltes Licht, der Atem kondensiert. Ich fröstel, schiebe es auf die Müdigkeit. Trotte die Treppen in die Unterführung hinab. Mich umschleicht jedoch auch das Gefühl, dass der Temperatursturz um fünf Grad nur mit einem zusätzlichen Bufftuch nicht adäquat aufgefangen ist. Mein Kopf sortiert die Möglichkeiten, keine Lösung außer das beste hoffen, frieren gegebenenfalls, stupid light ist manchmal auch Zuversicht oder Gedankenlosigkeit. Kaufe etwas mehr Essen ein. Brennstoff. Wenn der Körper schon die einzige Energiequelle diese Hikes ist. Stoveless, 3.5 Jahreszeiten No Cook. Dafür nehme ich zur Kenntnis das mich das Kühlregal diesmal nicht so anspricht, Schokolade dafür umso mehr.

    Alles für die nächsten 40 Kilometer im Rucksack verstaut. In Lohr die nächste Resupp-Möglichkeit. Trete wieder hinaus ins Kalte, die Banane für den Weg schafft es keine 50 Meter.

    Aschaffenburg trubelt geschäftig um den Bahnhof. Es ist 10ish. Lieferverkehr und Gleitzeit-Angestellte, Auslagen werden vor die Läden geschoben, Ladenfronten geputzt, Pendler:innen streben Richtung Innenstadt, Schlangen vor der Bäckerei. Coffee to go und Stulle fürs Office. Ein verbeulter Hermes-Sprinter schiebt hupend sich durchs Gedränge. Folge der ersten Markierung und lasse mich mit treiben. Noch schnell einen Espresso und dann durch die Parkanlagen gen Fasanerie, Trailhead des Spessartweges.

    Landschaftsarchitektonisch in den Wald gegärtnert, ist die Fasanerie Ausgangspunkt des Trails. In der Morgensonne unter einer ausladenen Buche sitzt im Gegenlicht jemand auf einem Bankfahrrad im dortigen Fitnesspark und kurbelt sich Muckis in die Beine, den Kreislauf hoch oder den Speck vom Po. Dunstig wabert funkelnd weiße Luft über der tauglitzernden Wiese, gleißt strahlend Warm die Sonne durch die Reste des Bodennebels. Ich genieße kurz den kontemplativen Anblick, klatsche das Schild des Trailheads ab und laufe los.

       

    Der Wald, ein leuchtend gelber Tunnel, schwarze Säulen recken sich gen Himmel, verschwinden im warmen Leuchten. Schnöde Forstpiste herbstlich inszeniert. Ich packe die Kamera aus. Der Faseneriesee kündigt sich schnatternd an. Stockenten und Nilgänse. Die blaue Spiegelfläche kräuselt wellig auf der Himmel, die Bäume schwappen träge spiegelnd gegen das Ufer. Ich versuche mich mit den typischen Vlogging-Monologen, merke das ein Kaffee und fünf Minuten on trail nicht ausreichen für Performancelaune. Lasse es sein, versinke im Gelb.
    Hundewiese, weißes Funkeln taubenetzt. Joggende uns Vierbeiner Plus Anhang, letztere geben dem Ort seinen Namen. Milchig schüttet sich das Sonnenlicht über die Wiese, glitzernd bricht sich das Hell in nassen Spinnenweben weißlich, kristallin wirken Gräser und die späten Kleeblüten des Jahres. Violetter Schimmer, fast gefroren. Die letzten Wolken hängen in den bunten Kronen. Im schwarzen fast blätterloses Geäst schimmert es diesig, gelb grün, braun, rote Sprengsel hängen träge herab. Im Licht beginnt der Tag zu verdampfen. Licht und Farbenspiel. Kontrast kaltes Morgennebellicht bricht durch warmfarbenes Blätterwerk. Ich komme vor Begeisterung gar nicht voran. Verweilen, betrachten, genießen, festhalten.
    Um den Godelsberg herum, Streuobstwiesen. Haibach. Friedhofscamelup. Wie so oft keine Wasserplanung gemacht. Soviel rein wie geht, Falsche voll. 0.75l, wie immer. Zuversicht wiegt weniger als Angst, und kostet weniger Zeit als Planung. Das Risiko des Dehydrierens in deutschen Mittelgebirgen ist kalkulierbar.
    Nach Ortsrand-Roadwalks verschwinde ich wieder in Wald. Buntes Leuchten, der laubbedeckte Boden raschelt trocken mit jedem Schritt. In einem Bogen folgt der Trail dem Strietbach, senkt sich langsam in sein Tal, die Luft wird muffig kalt, modrig feuchter Waldbodengeruch, humos, pilzig. Ich sauge die Eindrücke tief ein. Nasendusche im Waldbad.
    Kloster Schmerl. Ein paar Ausflügler:innen kommen mir entgegen Brezen und Kaminwurzen essend. Muffig wabert Frittenfett und Spülmaschine aus den Seiteneingang der Klosterküche. Olfaktorisches Wellbeing, alte Gastroliebe. Ich entdecke einen Überquellen Aschenbecher, neben einer Bank. Pausenraum.
    Auf der Anhöhe hinter Schmerlenbach Fernblick auf die Berge zu dessen Füßen Waldaschaff sich langzieht. Ein sanftes Wogen in dunklem Grün, getüncht in rot, bräunlichen Farben. 400ish Meter Brandenberg, Steinkückl, Hockenbuckel, Brandberg. An ihren Flanken laufe ich oberhalb Waldaschaffs. Blätter- und Autobahnrauschen verschmelzen zu einem sonoren Sound.
    Als der letzte Nebel die letzte im Geäst verfangene Wolke von der herbstlichen Mittagssonne verdunsten worden ist, ein strahlend blauer Himmel, diffusweißlich gen Horizont, direkt über meinem Kopf ein klares ungetrübtes Himmelblau. Kontrast für das gelb, orange, hellbraun leuchtende Blattwerk der Buchen. Kaum merklicher Wind, ein raschelndes Rauschen in den Kronen und lautlos segeln und schweben Blätter auf den Boden.
    Pause um 14h oberhalb von Waldaschaff. Die Autobahn rauscht, verschwimmt mit dem wogenden Wald, tritt hier an der Lichtung wieder als durchaus romantisch in das Blätterwogen in das Bewusstsein. Vor mir funkeln Lagerhallendächer und Autos auf Parkplätzen in der Sonne. Vorderspessart-View und Stulle.
    Für ein paar wenige Kilometer teilen sich Spessartweg Eins und Zwei den Trail. Ein schwelgender und schmunzelnder Ausflug in die Anfänge meiner Wander- und UL-Karriere. Den zweiten der Wege Trilogie bin ich mal gewandert. Vielleicht 2016, vielleicht 2015. Es ist länger her. Ein sonnig warmes Oktoberwochenende um den Tag der deutschen Einheit. Mein Packliste eine Unentschiedenheit aus UL und Residuen der Schwere. Eingepackte Unsicherheiten, Erfahrungslosigkeiten und Ängste füllte den Rucksack, zugleich leerten ihn verwegenes aussortieren, Lust am Improvisieren und Ahnungslosigkeit. Ein Sommerschlafsack im Oktober, weil leicht. MSR NX 1 ohne Innenzelt, weil leichter. Groundsheet eine Rettungsdecke. Großer Titan Topf, weil Titan. Noch hatte ich Angst in Wäldern alleine zu schlafen und wagte mich mehr und mehr an den Rand des Baumbestandes heran. Der Preis allmorgendliches kondensverfrösteltes Wachwerten in taunassem Gear. Meine Salomon Irgendwas Gore-Tex Trailrunner verwandelten meine Füße binnen der 60 Kilometer in eine Landschaft aus Leucotape und Schmerz.

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    Bis Rothenbuch verbleibt der Weg im Wald. Verloren in Farben und Licht und tauche ich erst an einer Trailkreuzung nähe Eselshöhe wieder in mein Bewusstsein. Hier kreuzt der Eselsweg. Thruhike Januar 2022. 111. Kilometer von Schlüchtern nach Großheubach. Ich kann die Wegkreuzung nicht erinnern, sie ist leidlich unspektakulär, warum auch. Und dennoch verweile ich ein paar Augenblick und tauche ab in einige Bilder des Hikes Während auf dem Eselsweg, benannt nach dem vornehmlichen Lasttier der alten Handelsstraße, Salz und Wein durch den Spessart pendelt wurden, verriet die Infotafel, dass es auf meinem Wege später vor allem Spessarter Glas war, neben allerlei anderer Handelsgüter, die das Mittelalter so von A nach B transferierte.

    Rothenbuch empfängt mich mit dem 5 Uhr Geläut. Am Friedhof fülle ich Wasser für den Abend auf. 27k ish bisher. Fehlen noch so sieben bis achtish, neun bis kurz vor Lohr. Das heißt auch Nachtwanderung. Ich horche in mich. Hunger ja, aber nicht so sehr. Nachtwandern, eher ungern. Essen bei Tageslicht oder im Camp? Ich mag nicht mit vollem Magen ins Bett, Kocher hab ich eh nicht dabei, das Argument für Camp-Essen, wärmendes vor dem Schlafengehen, entfällt. Bei Tageslicht, heißt zwei, drei K im Dunkeln mehr zu laufen. Überschaubar. Abendessen im Camp heißt Zeit im Dunklen sinnvoll zu nutzen. Ich wäge ab, lasse mich von eine Wiese voller Parasole, riesiger Parasole aller Alter, ablenken. Und schlussendlich entscheidet eine Bank am Waldrand für mich. Sonne. Blicke den Spessart hinab - beziehungsweise könnte ich, wenn die erste Hügelkette Spessart nicht bereits den Blick auf mehr Spessart versperrt. Goldwarm angepinselt wirkt es behaglich. Ich versuche dennoch so viel, so schnell wie möglich an Essen in mich hineinzubefördern, damit ich das restliche Tageslicht noch möglichst effizient nutzen kann. Und die letzte Stulle dann auch noch to go.
    Mit der tiefstehenden Sonne verschwindet die Wärme aus dem Wald, ihre letzten Strahlen streifen die Kronen und setzen sie rot in Flammen. Dumpf werden die Farben. Blaues Licht, blaue Stunde. Die Stämme werden Schwarz, das Gelb eigentümlich kalt, das Grün satter. Suchend geht mein Blick nach oben, das letzte Aufbäumen der warmen Farben in den Wipfeln, bis auch dies verschwunden ist und die Kühle der Nacht Einzug hält.
    Am Bischofsborner Hof läuft die Senke des Rechtenbachtals sanft zwischen Kuppel und Gauberg aus. In der Wiese wabert weiß der erste Bodennebel. Ich betrachte den Verkehr, ein diffuses Rauschen. Lichterlinien im Dunkel. Der schwarze Wald zeichnet einen Scherenschnitt gen Himmel im Westen noch die letzten Rest Licht sich an den Kronen festzuhalten scheint, während von Osten dunkles Blau nachgeschoben wird. Eine Ahnung von Schwarz der Nacht. Der Nebel wabert weiter kriechend über den Boden und verharrt am Strassenrand. Ich tauche wieder ein in den dunklen Wald. Verkalkuliere mich bei der Pennplatzsuche, weil die Landstraße dann doch sonor ihren Lärm in den Wald gießt und die Topographie der Karte weniger schief aussah als in Realiter - ganz abgesehen davon, dass dieses Grün mit zweierlei Baum-Icons nichts über die Tatsächliche Vegetation aussagt. Zu dicht für eiben guten Spot. Und zu schief. Also laufe ich weiter. Kurz vor der Weikertswiese finde ich ein leidlich gerades und freies Stück. Cowboy-Camp kompatibel. Direkt neben dem Weg. Unprätentiös und Pragmatisch. Habe keine Lust mit Taschenlampe durch das Unterholz zu stolpern auf der Suche nach einem Pennplatz. Das passt doch alles.
    Ich habe spätestens seit meinem ersten Thruhike ein völlig unromantisches Bild vom draußen Schlafen - die meisten Pennspots genügen ihrer Hauptanforderung, ruhiger und erholsamer Schlaf. Ja, manche sehen schön aus, aber das verschlaf ich eh…

       



    [Tag 2: Weikertswiese >> Gemünden]

    Hikersmidnight bei kurzen Touren Hikers Fate. Müde genug zum frühen einschlafen, aber nicht erschöpft genug um lange durch zu schlafen. Also lag ich tags zuvor noch etwas wach, hörte einen Podcast, erfreute mich daran dass das Schlafsetup toasty genug war, trotz drei Grad angekündigter Tiefsttemperatur. Aber lang genug schlafen um morgens nicht vor Bäckereien, Supermarktöffnungszeiten in Lohr einzulaufen? Um 4.50 bin ich hellwach. Achtish K zu laufen. Viel zu früh. Viel zu dunkel um Zeit flanierend im Wald zu vertendeln. Also rufe ich meine offtrail Morgenroutine ab. Zumindest einen Teil davon. Mache einen Podcast an und drehe mich wieder um. Ich spekuliere - zugegeben in Unterschätzung der Gegebenheiten auf mehr Licht je später der Morgen. Das das gegen erst 8 Uhr der Fall ist merke ich, als ich bereits ein paar Mal meinen Singletrail verloren habe, und bereits seit geraumer Zeit durch den dunklen Wald laufe.
    Also räkel ich mich noch von rechts nach links und wieder zurück im Wechsel und höre "Wie wir ticken" - Folgen über Alleinsein, Heimweh und Natur als Heilmittel. Eher unbewusst. Erst als ich das schreibe fällt mir, ganz und gar küchentischspsychologisch informiert, auf dass das sehr alles sehr Mehrdeutig ist. Therapieerfahren lassen ich es jedoch auch einfach stehen, schmunzel es weg und zergrübel es nicht. Manche Volten des Lebens kommen bedeutungsschwer daher habe jedoch keine tiefere Bedeutung als das sie Zeilen füllen oder den Smalltalk mit vermeindlichem Tiefgang bereichern.
    Um kurz vor sechs höre ich lautraschelndes Schlurfen und sehe einen sehr hellen Lichtkegel sich meiner Schlafstatt leidlich schnell nähernd. Frühsport. Waldlauf. Erst jetzt fällt mir auf, wie nahe ich am Wegesrand liege. Drehe den Podcast leiser, das etwaige Erschrecken meines Gegenübers möchte ich mir nicht ausmalen. Jemand schlurft schnell an meinem Bett vorbei. Es soll mir das Signal zum Aufbruch sein. Ich verstaue gemächlich meinen Kram, schiebe noch zwei Riegel nach und breche auf.

    Im Dunkel durch den Wald laufen rüttelte mal mehr an meinen archaischen Urängsten von nacktem Ausgeliefertsein. Umflossen von tiefem Schwarz eine körperlich spürbare Schutzlosigkeit. Der Hauptsinn der Moderne, das Sehen, reduziert auf ein Minimum, überreizt das Hören voller Adrenalin, der eigenen Herzschlag im Kopf pulsiert und versucht die wenigen unbekannten Geräusche die die nächtlichen Stille kalt klar und deutlich durchbrechen zu deuten. Ich habe immer versucht, die mit eigener Geräuschkulisse zu übertönen, die Stille und die Geräusche des Waldes. Die Angst und die Schutzlosigkeit. Geblieben ist das mit mir Reden und das Kommentieren des wahrnehmbaren Geschehens um mich herum. Hat meine frühkindlichen magischen Phase ein wahres Kompendium an phantastischen Ängsten vor Dunkelheit und der Wesen die sie bevölkert geschaffen, bedeutet erwachsen sein und werden zunächst nur das die Ängste mit anderen Bildern besetzt worden sind. Horrorfilme sei dank, fanden phantastische wie auch archaische Ängste nun ihren Ausdruck in Zombies und Psychokillern. Popkultur überschrieb die ursprüngliche Angst in ein Bild. Was zwar unrealistisch ist, aber dennoch schreckend ist. Das ist nach vielen Nächten im Wald vorbei. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Anspannung weg ist, dass die Erfahrung des Ausgeliefertseins weg ist. Ich werde nicht mit Angstbildern überflutet. Es ist als ob sie nicht da sei, dann und wann schreckt ein Vogel durch meine Taschenlampe auf, die hektischen Flügelschläge erschrecken mich kurz, keine Adrenalinwellen mehr die durch den Körper schwappen. Ich reden mehr laut mit mir selber, kommentiere das erahnte und gesehene im Lichtkegel. Es ist als ob die Selbstbetruhigungsstrategien so tief verinnerlicht sind das sie nicht nur wirken, sondern auch quasi automatisch ablaufen. Als jedoch im schwarzen Nichts das rote Leuchten eine Friedhofskerze in einem Bildstock auf taucht, lasse ich mich kurz von einem Bildersturm aus Blair Witch Project und Adrenalin wegreißen. Die Pumpe pumpt. Diese sogenannte Volksfrömmigkeit, ich verfluche sie. Rot strahlen mich welke Blumen und eine Marienbild im Schwarzen lautlosen Nichts an.

    Die Weikertswiese eine Ahnung im Lichtkegel der Taschenlampe. Eine dunkle Lichtung die sich im Schwarz verliert. Trete aus dem Welt laufe parallel zur Stromtrasse. Ein heller Streifen, sachtes Orange am Horizont. Die Ahnung des fernen Sonnenaufgang. Es ist mehr mein Wunsch. Wahrscheinlich eher Lichtsmog Lohrs. Es bleibt Dunkel.
    Auf Forstpisten geht es weiten gen Main. Abzweig Steinernes Haus, zwei Kilometer von Lohr. Singletrail. Die Orientierung auf naturbelassenen Wegen stellt sich im Dunkel als schwierig heraus, ich verliere regelmäßig den Weg. Dicke Steinquader liegen im Wald, tastend von Markierung zu Markierung bewege ich mich durch den Wald. Der Kontakt meiner Taschenlampe gibt dann und wann auf - dann ist es stockdunkel. Warum fluchen, wenn ich auch lachen kann. Also lachen. Ein herzliches, belustigtes Lachen. Licht wieder an, Weg trotzdem weg. Der Pfad verwischt im Laub, mehr eine Ahnung, als dass er im schwachen Schein der Taschenlampe sichtbar wäre.

    Das Steinerne Haus scheint eine Felsformation zu sein, dunkle massive Schatten, die sich vor mir zwischen schwarzen Säulen auftürmen. Später sagt mir Wikipedia, dass es ein Sandsteinhohlraum und als solcher ein Naturdenkmal ist. Ich schmunzel mir zurecht, dass ich wohl eines der Highlights des Weges im dunklen Morgen einfach nicht sehen kann – Ironie der Geschichte. Ich verliere wieder den Trail. Langsam wird er von einer Dickung begrenzt und erscheint als erkennbare Linie durch den Wald. Durch die schwarzen Wipfel sickert die blaue Stunde. Schwaches Licht fällt auf den Pfad. Ich wage die Lampe auszumachen, sie geht nicht wieder an. Ich denke ich mache mich mal auf die Suche nach einer neuen – vielleicht, nach guten sechs Jahren mal eine Headlamp. Im Herbst/ Winter liegt der offenkundige Nachteil der Taschenlampe an kalten Händen, die Fenix E5 hat keinen Clip. Stolpernd tritt der Trail wieder in meine Aufmerksamkeit.

     

    Mit Erreichen der Schanzkopfhütte ist es endlich hell. An einer Infotafel kratze ich einen Nazisticker ab, summe dabei „Ich hab einen Antifa-Tarifvertrag“, den Chorus von Akne Kid Joes „What the AfD think we do“ und laufe nach getaner Arbeit den so genannten Klapper hinab – einem historischen Hohlweg – nach Lohr. Eingegraben in den Hang bilden hellleuchtenden Laubbäume im fahlen Weiß des Morgens eine durchlässige Tunnelkuppel, deren unteren Hälfe ein dunkler halber Röhrenschnitt ist, die schwarze Erde fällt nass gen Hohlweggrund, Laub sammelt sich in der Sohle, tiefes Rascheln. Eigentümlich brechen flechtenüberzogenen Felsen aus dem Erdreich, dicke Steinklötze ragen aus dem braunen Laub.

    In Lohr gibt er verschiedene Resupp-Möglichkeiten. Ich spiele kurz durch was ich noch im Pack habe, horche in Gelüste und Hikerhunger rein – höre nichts. Also gehe ich kurzerhand in den Supermarkt der direkt am Trail liegt. Die Obst- und Gemüseabteilung sieht eher welk aus. Eine Banane und einen Kefir. Für jetzt. Next Stop Bäckerei. Kaffee und irgendeine süße Schweinerei zum tunken in den Kaffee – seit den 1500ish Hextrek-Wanderkilometern in Frankreich weiß ich diese Form des Frühstücks sehr zu schätzen.

    Hatte ich mir zunächst sehr romantisch vorgestellt in der – angekündigt – pittoresken Altstadt draußen der Kleinstadt bei Koffein und Teilchen beim aufwachen zuzusehen, obsiegt der Pragmatismus. Die erste Bäckerei wird es. Ich nehme erfreut zur Kenntnis kein Vollautomat, sondern eine Siebträgermaschine, sondiere die Kaffeeauswahl und will mich schon mit mauem Espresso oder Kuhmilch-Cappucchino anfreunden, als folgendes in meine Auge springt: Hafermilch! Ohne Aufpreis! Mein Tag ist vergoldet. Kaffee mit Milch, ohne Blähbauch, leckerer und ein bisschen veagnerer Alltag. Ich strahle „Wie geil ist das denn? Ich hätte gerne einen Cappucchino mit Hafermilch“.

    „Sehr gerne“ strahlt es hinter der Theke zurück, „zum hier trinken oder…“

    „Ja, hier“ falle ich ihm freudig ungebremst ins Wort. Er lacht es amüsiert – und professionell weg „Gerne, noch etwas“

    „Ja, aber das weiß ich noch nicht“

    „Lass dir Zeit“

    Ich lasse mit Zeit und mich von der Auslage überfordern. Die Nussschnecke mit viel Zuckerguss lacht mich goldgelb an. Ich bekomme noch einen halben Promo-Kreppel. Die Salz-Pfefferbrezel geht noch für später mit. Die kleinen Freuden zelebrierend tunke ich genüsslich den Kreppel in das milchkaffeefarbene Nass, klecker mich und Tisch voll und bin sehr zufrieden. Schicke meiner Frau eine Guten-Morgen-Sprachi für ihren Kaffee im Bett. Seit meiner ersten Fernwanderung nie verloren gegangene Teil der Fernbeziehungspflege on Trail. Ich schaue dem Lieferverkehr beim Liefern zu, der Kleinstadt bei Erwachen.

    Die Altstadt Lohrs ist in der Tat pittoresk. Da und Dort Fachwerk, Giebel und Schnitzereien. Mal recht wuchtig, mal schmal und hutzelig. Am Alten Rathaus werden vor den Sandsteinarkaden Flohmarktstände aufgebaut. Die Presslufthämmer des Straßenbaus geben den Takt vor. Die Beschaulichkeit wird übertönt. Jemand lässt sich von seinem Hund auf dem Longboard die Einkaufsstraße herunter ziehen. Geschäfte öffnen langsam. Ich sehe kein Cafe. Gute Entscheidung denke ich mir.

    Durch die verwinkelt wirkenden Gassen des alten Fischereiviertels mit dem wuchtigen Fischerbrunnen, ein Sanksteinklotz eines Fischers, der mit Schiebermütze, Bart und muskulösen Armen Fische dem stilisieren Fluten entreißt. Heute wird aus den Fenstern geschaut und Wandernden Guten Morgen lächelnd entgegen genickt, Kinder zur Kita gebracht, der Gehweg gefegt oder der Hund Gassi geführt. Muschel- und Fischergasse, weitere Reminiszenzen an das alte Gewerbe. Es geht Richtung Main.

    Auf der anderen Seite des Flusses verkündet am Fuße der Alten Mainbrücke ein Wegzeichen 20 Kilometer nach Gemünden. Die letzten Reste der Stadt ziehen sich bis an die Flanken des Rombergs. Unversehens stehe ich im gleichnamigen Naturschutzgebiet. Sandtrockenrasen und Magerwiese, Stierkäfer-Habitat informiert mich eine Tafel. Eingestreutes Totholz, stehend und liegend dumpf silbrig im weißen Dunst des Morgens durchsetzen die Wiese. Richtung Main abfallend verdecken die letzten Bäume das Gewerbegebiet Lohrs auf der anderen Flussseite eher dezent. Gen Romberg herbstlich bunter Wald, der als gelb-rote Wand die Wiese flankiert. Da und Dort eine Streuobstwiese und etwas lichtes Gehölz. Ein paar Pilz-Shots und andere Bildeinstellungen, ich hadere mit dem Licht. Weißes Streulicht. Landschaftseinstellungen, eher schwierig. Gegenlichtaufnahmen unmöglich. Also mehr den Fokus auf die Details. Ich rolle lächelnd die Augen innerlich, weil ich mir mein Footage vorstelle voller Pilz und Blatt-Detailaufnahmen.

    Wichtigeres drängt jedoch in mein Bewußtsein: Ich habe vergessen Wasser aufzufüllen. 300-400ml für 20 k. Und bisher hat sich der Weg nicht durch Wasserreichtum hervor getan. Ja, ist jetzt passiert konstatiere ich schulterzuckend. „Was willste machen. Ich werde was finden und wenn nicht, sind nur 20 Kilometer und schwitzen ist heute eher nicht angesagt“ akzeptiere ich im besten positiven Reframing meinen Fehler. Abgespeichert im Vorbewussten: Nach Wasser Ausschau halten. Wasserfrage damit für das erste geklärt.

    Verschwinde wieder im Wald für die nächsten paar Kilometer. Bildstöcke und biblische Geschichten säumen wieder den Weg. Das geht bis zur Wallfahrtskirche Mariabuchen so. Halleluja frotzel ich häretisch, als ich das WC-Schild sehe. Sehr weltlich nutze ich die sanitäre Infrastruktur für Pilger*innen für Camelup und Waterrefill. Bestaune den Pilger:innen-Pomp der aufgefahren wird: Kerzen, Marienbildchen - gesegneter Nippes in meinen atheistischen Augen. Verweile kurz an jener Tafel, an der die Kirchengemeinde jenen Schäfchen gedenkt, die sich für Reichskanzler und Kaiser in spe haben 1870 auf die Schlachtbank nationaler Einigkeit führen lassen. Wie vermessen diese Repräsentanz der göttlichen Macht auf Erden doch ist, wenn sie gemeinsame Sache mit der weltlichen Macht macht – und statt ihre Gläubigen vor Tod und Verderben zu schützen führt sie sie mit in eine Hölle aus „Blut und Eisen“, die dann später heldenhaft und sehr weltlich besungen wird. Eine unscheinbare Tafel mit Eisernen Kreuzen und verwaschenen Namen. Noch gute 15 Kilometer bis Gemünden.

    Ein seichter Aufstieg um alten Weiler Rettersbach. Diffus dumpf ist der Wärme des waldenen Farbenspiels genommen, in kaltem Gelb klebt das Laub auf geschotterten Forstpisten. Der Himmel ist ein flächiges weißgrau. Die paar Höhenmeter sorgen für genügend Wärme, als dass ein paar Klamotten an der nächsten Rastbank ausgezogen werden. Ausblick auf dunkles Spessartwogen, eine flach gen Tal abfallende Pferdeweide malerisch in die Landschaft komponiert.

    Bis Halsbach bleibt das die Choreographie des Trails: Ein Paar Kilometer Feld und Wiese unter konturlosem Himmel, vage bleibt im weißlichen Licht die Landschaft. Oder Wald, Wald dessen Wärme vom grau-weiß geschluckt worden ist. Gut weglaufbar auf Forstpisten und Wiesentrails, immer den Markierungen hinterher, die in prämierter Regelmäßigkeit an die Bäume genagelt, Orientierung geben. Gibt sich das Denken und Fühlen der Gefälligkeit des Trails hin. Ich spiel mit Gedanken oder der Kamera, spreche mit Kühen oder mit Entdeckungen am Wegesrand, Filme mehr um mich zu beschäftigen, weil es ansonsten nur Laufen ist. Sinnfällig beim Wandern. Aber ich habe nichts zu zerdenken, mein Kopf und meine Seele brauchen aktuell keine besonderen Raum den sie im Idealfall kathartisierend durchschreiten müssen. Ich bin leidlich sortiert on Trail gegangen. Ein Kopf leer laufen ist gar nicht das Ziel gewesen, vielmehr die Lust Draußen zu sein, das Draußen zu nutzen um was neues zu schaffen – Text und Bild. Also laufe ich ziemlich leer einfach weiter.

    Oberhalb des Mündung des Ziegelbachs in den Main befindet sich die Klosterruine Schönrain. Etwas hin und hergerissen, aus der Waldmeditation der letzten Kilometer gerissen, stehe ich vor einer Wiese hinter der eine wuchtigen fensterlosen Wand recht unvermittelt steht. Ich bin kein Kulturwanderer, merke ich immer wieder. Infotafeln nehme ich meist zwar mit, überfliege sie jedoch nur, Ruinen und ähnliches schaue ich mir mehr aus der Distanz an, als sie zu besuchen. Demnach hadere ich einen Augenblick begutachte, das mir dargebotene aus der Distanz um schließlich meiner Neugierde doch nachzugeben. Das es einen Aussichtspunkt gen Maintal gibt übersehe ich.

    Wieder Wald.

    Oberhalb von Massenbuch eine jener Landmarkinseln im Wald. Wiesen, Felder, Äcker. Der Blick öffnet sich Richtung Maintal, der Spessart fällt seicht hüglig gen Ort und Fluss. Fünfish Kilometer noch. Ich habe keine Lust mehr.

    Die Psycho-Meteologie der Grauzustände kennt verschiedene Abstufungen. Als Hashtag Moody wabert es mystisch durch den Wald, oder erschaudert in horroresken Bildkomependien. Wenn es gleißend Warm durch den Nebel bricht und das Grau von Gelb und Wärme verdampft wird, der Widerstreit der Farben. Wenn das Grau flächig in Tälern hängt, oder in bewaldeten Bergflanken in Wolkenfetzen sich verfangen zu scheinen hat. Grautönungen, die nicht grauen. Dieser pastöse Filter jedoch eines flächigweißen Hochnebelhimmels, der alles warme aus dem Farbspektrum filtert, Lumen nimmt und die Reste kalt, diesig, dunkel auf die Erde gießt, dass schafft ein Grau das graut. Die Lustlosigkeit ist auch ein Seinszustand, den die äußeren Umstände gebieten. Ich esse meine letzten Chips, mäkle etwas für die Psychohygiene in die Kamera und besinne mich auf das was ich gut kann: laufen. Noch Vier Kilometer.

    Jedes Trailende hat so seine Eigenheiten, meist ein Zusammenspiel aus Wegbeschaffenheit und den inneren Zuständen die die letzten Meter auf diesem Weg verbringen. Der Spessart fällt, im Vergleich zur Gesamtstrecke, dann doch erstaunlich steil und lange ins Maintal. Zumindest kam es mir so vor, der Abstieg wollten nicht enden. Gefälliger Waldweg. Demnach kann es auch sein, dass der Abstieg gar nicht so lang war, die konkrete Topographie von Unlust überschrieben wurde. Nur war der Weg, dieser gefällige Waldweg auf einmal unvermittelt zu Ende. Ich stehe direkt an einer Straße, Verkehr donnert an mit vorbei, eine Wiese, eine Böschung hinter sich wahrscheinlich der Fluss versteckt, ein riesier Brückenklotz und Gemünden mit Burgruine im Hang auf der anderen Seite. Konstaniert und überrumpelt stehe ich am Straßenrand.

    Gewohnt, dass Ortschaften sich durch Zersiedeltes Umland oder Naherholungsinfrastruktur ankündigen, ist dies hier diesmal nicht so. Als ob ich Überprüfen muss dass die gemachte Erfahrung real ist, zücke ich mein Handy und schaue noch einmal auf der Karte nach. Alles hat seine Richtigkeit, sagt die Streckenführung. Orientiert dennoch orientierungslos wende ich mich Richtung Brücke.

    Ein Sinnbild der eben gemachten Erfahrung, steigt sie so ausladend und steil auf, dass ab einem bestimmten Punkt es so scheint als verliere sich die Brücke im flächig grauen Horizont. Es gibt nur die Straße und diese weißlich graue Fläche in die erstere führt. Damit es surreal bleibt, steht kurz vor der Horizontlinie, die ins Nichts führt ein gelbes Ortsschild. Wie die Auflösung einer Spannung ins Groteske. Ballardesk, wie ein Szenenbild aus Concrete Island. Nur ohne Verkehr.

    In langen Kurven entlässt mich der Trail der von der Brücke und führt Richtung Altstadt. Der Spessart-Tourismusverband kündigte auch diese als pittoresk an. Profaneres als die Schönheit mainfränkischer Kleinstädte treibt ich um: Trailheadsuche.

    Ich habe mich daran gewöhnt, dass es Deutschland keine Trailheadkultur gibt. Und dennoch suche ich sie immer wieder am Beginn und am Ende. Ikonisch Bilder sind sicherlich der augenscheinlichste Nutzen. Nicht zu vernachlässigen erscheint mir auch, dass es uferloses ausgleiten in Trailheadloser Unbestimmtheit bleibt am Ende – oder am Anfang. Robert Moor sagt in seinem Buch „Wo wir gehen“, die „Freiheit des Pfades ist flussartig, nicht ozeanisch“, umso erstaunlicher ist wie oft wir vom Trail gespült werden vom Weg in die Weglosigkeit. Sinnbildlich mag dass folgerichtig sein, tauschen wir doch die „diskrete Minimierung von Möglichkeiten“ durch den Pfad gegen die ozeanisch anmutenden Zumutungen und Freiheiten des Off-Trail-Lebens wieder ein. Obschon ein ritualisierbares hinausfließen aus dem Trail wünschenswert ist, ist es oftmals ein rauspülen aus eben jenem. Und so dümpelte ich ohne offizielles Ende in einer Zwischenzone aus auf dem Trail und schon nicht mehr. Ein Unort. Die GPXies sagten das der Trailhad in einer Pizzeria zu verorten sei. Ich schaue mich etwas auf dem Platz und seiner Nachbarschaft um, die letzte Markierung liegt 100 Meter hinter mir. Brückenkopf über einen Mainnebenfluss. Alles irgendwie unbefriedigend. Also suche ich das Ende des Trails in mir. Genau da wo ich spöttisch und schulternzuckend in die Kamera spreche „Kein Trailhead“ ist der Spessartweg Eins für mich zu Ende.

    einzigen Sonnenstrahlen des Tages tausche. Frittierte Kartoffelstäbchen sind zumindest nah genug dran.

    schöne formulierung.

    schöner bericht und stimmungsvolle fotos.

    jaja, das BW ist ne andere liga. die von dir reklamierte irrelavanz eines nicht SUL hikes gilt vice versa. ich spiel in der liga nicht mit, und verbleibe stabil in der UH-UL Liga der BW3.6er. Bei deinen packlisten krieg ich UL-depris, habe aber in therapien gelernt: einfach nicht reingucken, dann ist es auch nicht da ;) :D ok im ernst. nice packliste. komme ich im oktober nicht dran, ich brauch nachts mehr reserve beim schlafi u.a. plus so ein paar summasumarum kleinigkeiten, die einfach gewicht bringen. anyway. ich sach ma wie dermuthige "ordentliche grübelgrundlage". gute winterbeschäftigung.

    Knapp 2 Jahre Schreibtischjob haben nicht geholfen

    fühl ich instantly.

    tib Ich versuche das was ich aus. Meinen laufstretchund yoga yt kanälen kenne von der matte auf trailgegebenheit zu übertragen.


    Hüftöffner on trail:.

    Deepsquat/yogisquat, horsestance

    im camp: happy baby, twisted seat, 90/90hip rotations, crossed leg forward bend, single forward bend


    Hammies:

    Runnersstretch stehend; standing forward bend (eng, hürtbreit, wide), bein auf bank erhöhing ablegen und forward bend


    Beides:

    Deep lunges an bank oder andere erhöhungen; varianten den down dogs/ walking dogs


    Das sind so die stannies, die ich u.a mache. Nix besonderes, aber vllt als hinreichend als inspo

    Aus gegebenen Anlass. Meine Taschenlampe (eine Fenix E05) gibt so langsam ihren Geist auf, ich werde mich also mal auf dem Markt der Möglichkeit umtun, oder anders: ich frage einfach was ihr warum und wie nutzt.


    Also: ⁠⁠⁠⁠⁠⁠⁠Welche Lampentypen nutzt ihr? Welches Modell? Und warum? Genre auch Lumen dürfen genannt werden


    --


    Ich bin seit Jahren mit einer Fenix E05 unterwegs (22gr) ist eine Taschenlampe.

    Warum Taschenlampe? Weil ich die Argumente von ua Jupiter Hikes einleuchtend fand, dass der flachere Lichtkegel bei niedrigerer Halting, die Schattenwürfe etwaiger Hindernisse verlägert und sie bei Dunkleheit damit besser sichtbar macht. Also Taschenlampe.

    Eher aus unreflektierter gewohnheit habe ich da nie hinterfragt, zudem dato (2019) gewichtsmäszig kaum konkurrenzfähige headlamps gab, bestand für mich nicht die notwendikeit das zu ändern, sowie, sie hat ja funktioniert...

    Weil dieses fenix modell. Keinen clip hat, improvisiere ich sie als headlamp in dem ich sie neben mein ohr zwischen kappe und buff klemme, das hält sehr gut. Damit kann ich zb im. Camp beidhändig aufbauen oder beim laufen die hände in die taschen packen (weil keine Handschuhe meistens)

    Die lampe habe nur ab Oktober bis März SETUP weil Nachtwandern, Dunkelheit im Camp.. Im sommer schlaf ich mit dem letzten licht eh ein, und da greif ich eher aus handy zurück wenn denn dann...


    Ich denke da es mittlerweile auch leichtere headlamps gibt ggf auf eine umzusteigen va wegen der praktikabilität. Weiss aber noch nicht. Haut mal als inspo und als sharing is caring eure leuchtmittel so raus. Merci

    Ich mag ja hitzewandern :)

    Langarm Hemd, aktuell das Columbia Silver Ridge in einer Nummer grösser (in meinem. Fall L/XL) wegen Luftigkeit. Leichte runningshorts, eine Ciele go cap als Kopfbedeckung, sowie ein buff und wenns richtig heiss ist, dann wie masui_ und micha90 sonnenschirm.

    Das hemd wird ausgeknüpft für bessere belüftung. Gerne auch wenn wasser keine rolle spielt, das hemd nass machen/ auswaschen und nassanziehen.

    Kappe wird an wirklich jeder wassermöglichkeit (inkl. Pfützen) werden zur benässung genutzt.

    Buff wird als sonnenschutz des halses angezogen (und vorher nass gemacht) oder wird als nackenschutz unter die kappe geschoben (gerne auch nass) oder wird als schweisstuch um das handgelenk gewickelt - nass sorgt es für kühlung des handgelenks

    Running shorts wird auch an den beinen gerne nass gemacht zur verdunstung/ kühlung

    Schirm bei viel sonne!

    Wenn gar nix mehr geht, siesta. Bei mir meist dann zwischen 14 und 17h finde ich die unangenehmste hitze zeit. Ggf. Weckerstellen und früh loslaufen (5ish) bis in die dämmerung...

    Pausen der hitzebelastung anpassen. Viel trinkdn. Elektrolyte abends und/oder zwischendrin, sowie salzige schnacks

    Sonnencreme kommt nur auf die nase (weil die verbrennt immer bei mir) beine sind ziemlich unendfindlich.

    Team kein Kissen.

    Mein Kissen:

    Nehme meinen Rucksack, packe ins Frontmesh meine 2l Platybladder ein (mit wasser, meist zwischen ein und anderthalb liter, puste nochn bissi Luft an), dann rolle ich die pack-bladderkombi so, dass das rückenteil eine fläche bildet, buzzel alle schnallen und träger in die rolle rein, ziehe dann mein buff über das Ganze und für das weiche buzzel. Ich dann die puffy noch zwischen buff und pack, damits am ohr nicht so hart ist.

    Da ich auch keinen packsack habe für klamotten ist das die beste lösung für mich. Das praktische ist, das eigengewicht des kissens lässt es nicht ständig von der matte rutschen.

    Falls sich jemand fragt ob das mit dem. Wasser im "kissen" gut geht. Ja. Bis auf einmal, da ist die kaputt gegangen und och bin nachts von was nassem am ohr wachgeworden, pack nass, puffy nass, shorts nass. Das war doof. Aber ist eben nur einmal passiert. Bin öfter durch schlecht gepitchte/ zu kleine tarps nachts nass(geregnet) worden..

    Wenn die puffy als reserve ran muss dann nehme ich das an klamotte noch übrig ist (windjacke, windhose oder das wanderhemd) das ist meist nicht sooo bequem erfüllt aber seinen zweck.


    Puffy ist dazu da, dass man keinen Schlafsack mit Reserve mitmehmen muss

    Genau so handhabe und praktiziere ich das auch, inklusive der stupidlight preise eben ein paar unruhinger/ schlaflosen nächte😅 auf der langstrecke. Auf kurzen touren ist wetteradäquate kleidung einfacher planbar

    Das muss dieses pfälzer genusswandern sein dass du zelebriert hast, wer braucht schon wasser wenns schobbe gibt, gut das das geduppte so schöne duppe hat, kann das glas auch der der vierten schorle noch griffig gegriffen werden. ^^

    Aber im ernst: thx for sharing❤️ Bin dieses jahr mIt meiner frau auch den PWP gelaufen, und weiter auf dem Weinsteig, bis uns der Regen runtergespült hat vom trail.

    Ist wirklich ne sehr schöne ecke. Macht spass da zu wandern. Lukullisch sehr fein - es sei denn du bist veggi/vegan dann ist meist doch meist pommesdiät angesagt. Die hützeninftastruktur ist dicht und lädt durchais dazu ein kocher zuhause zu lassen. Schorlenhiking galore, da werden die horizontalen Höhenmeter doch gerne mal in vertikale Schwankungen umgesetzt. Das ist dann der nebeneffekt des genusswanders ;) Pennspots gibts auch ausreichend. und ein trail der in frankreich endet ist immer auch ein guter trail. Wissembourg ist wirklich pittoresk und hat ein paar sehr vortreffliche gastronomien.

    Picon biere chinchin.

    Outside the box idee...

    Wie baust du dein tarp auf und hast du immer einen schirm dabei?

    Erinnerst du dich an micha90s bugdome aus dem blauen forum? Einfach ein netzschlauch, der mit schirm zusammen ein bugdome über deinem Kopf bildet.. Keine probleme mit der beinfreiheit :)

    Gibts in fancy und schwerer und ohne schirm von montbell... Klickklick (145gr)

    Ganz anderer zugang, aber hey noch leichter👍🏻


    Ups... Sehe gerade das winddichte seiten ein kriterium ist. Das ist wohl nicht der fall in meinem vorschlag😅

    Ausoniusweg | Bingen >> Trier | 124 km | 8.-11. 08.24

    Wer kein Bock auf lesen hat, kann gucken: YT :)

    bilder füge ich noch ein. Sind zu gross. Viele werdens nicht hab zu viel gefilmt...

    [Tag 1] 

    Eine alte Römerstraße von Bingium nach Augusta Treverorum – 120ish Kilometer von Bingen nach Trier. Benannt nach dem gallo-römischen Dichter Ausoinus, der im 4. Jahrhundert auf seinem Weg an die römischen Peripherie, den Hunsrück, durchquerte. Und so vermarktet es der Hunsrück-Tourismus, ein Stück römischer Dichtung das den Hunsrück besingt. Welcher Trail kann das von sich behaupten, welches Mittelgebirge kann mit 1500 Jahre alter Lyrik aufwarten? Richtig, keine Ahnung. Hört sich aber gut an. Das doofe ist Ausonius verewigt auschließlich in seiner "Mosella" eben jenen Fluss und sehr viel weniger den Hunsrück. Aber Marketing ist eben auch kein altphilologisches Seminar.
    Als relativ gerader Strich zwischen Rhein und Mosel für schnelle Truppenverlegung angelegt, geplant nach geostrategischen Gesichtspunkten und, wie viele historische Wege, in die Moderne als immer noch genutzte Verkehrsachse asphaltiert. Also keine Premiumstrecke des deutschen Wanderinstituts, aber mit Reclamheft bildungsbürgerlich aufgewertet und immerhin das Hinterland meiner Kindheit und Jugend. Und auf meiner Bucketlist.

    Warum eigentlich frage ich mich? Vielleicht weil es eine diffuse biographische Verbindung gibt, oder es die Terra Incognita an der Peripherie meines Lebens ist? Fakt ist, ich bin an seinen Rändern groß geworden, habe auf ihn geschaut, bin da und dort in ihn hinein- sowie dann und wann durch ihn hindurchgefahren, habe mein Schulpraktikum in einer Hunsrücker Kleinstadt und habe Arschbomben in einem Hunsrücker Spaßbad geübt. Zugleich ist dieser Hunsrück mir eigentümlich fremd geblieben. Habe mich nie wirklich in ihn hineingewagt. Er hat es nicht geschafft zur Naherholung oder zu einem Fluchtpunkt zu werden. Dabei liegt er quasi vor der Haustür, ist historisch durchaus interessant, landschaftlich nicht minder aufregend als der Hintertaunus und lukullisch genau so offenbarend wie jedes deutsche Mittelgebirge. Also genügend exotisch um zumindest mal die Reise anzutreten. Das tue ich nun. Zum dritten Mal versuche ich mich an einer Hunsrückdurchquerung.

    *

    Die DB bastelt bei 1.08 h Fahrzeit, 1h Verspätung. Obgleich Bahn-Bashing so beliebt ist, und sie an einem Tag wie diesem wieder allen Grund dazu liefert, übe ich mich in Gleichgültigkeit. Einatmen. Ausatmen.
    Angekommen. 15.30h. Nochmal in meinen Magen horchen, der grummelte schonmal prophylaktisch Hikerhunger, also in der Bäckerei noch irgendwas Süßes, das mir auf dem Weg zu Burg Klopp Finger und Schnute verklebt; und etwas Salziges für ein Später.
    Auf der Burg finde ich keinen Trailhead. Lasse stattdessen von der Aussichtsplattform den Blick gen Binger Wald schweifen, zersiedelt kriecht Bingerbrück die Hänge gen Hunsrück hoch, der wuchtige Waschbetonklotz des ehemaligen Karstadt im Häusermeer, Blickfang vor dem Binger Loch. Die Nahe wie sie noch final von zwei Brücken gequert in den Rhein mündet. Der Taunus leistet hier schon ganze Arbeit und zwängt, den mächtigen Inselrhein in sein enges Bett, erst nach der Nahe schiebt der Hunsrück nach und bildet damit eine der schönsten Kulturlandschaften der Republik. Das Mittelrheintal. Schwelgen. Schweigen. Kameraeinstellung suchen.

    Statt eines fotoalbumkompartiblen Trailheads, ein grüner „AU“-Sticker neben Parkscheinautomat und Stadtplan. Parkplatz Burg Klopp. Unprätentiös. Dann geht es hier los. Einmal umdrehen. Tief durchatmen. Erinnerungen wallen kurz auf. Im Hof der Burg Klopp habe im Freilichtkino Terminator 3 geguckt und mit dem halben AJZ zu ihren Füssen bei dem legendären Eläkeläiset-Konzert auf dem Winzerfest Pogo getanzt. Hach, Erinnerungen einer Jugend in der Kleinstadt. Schild abklatschen los gehts. 124 bis nach Trier.

    Ich laufe an meiner alten Schule vorbei, an meiner ersten WG. Schüli-WG. 1999. 2.OG in der Eisel. Ich laufe an der Wohnung vorbei in der meine Tochter ihre ersten Schritte gemacht hat. 2003. Ich bin kaum los und schon bin ich durch Wegmarken meines Lebens gelaufen. Ich schüttel‘ ungläubig und amüsiert den Kopf. Runter an die Nahe und Richtung Drususbrücke. Ein 1000 Jahre alter Trumm von Steinbrücke.

    Singletrail und erste Höhenmeter gen Weiler, vorwiegend Roadwalks und ein bisschen Forstpiste bis zur Lauschhütte. Die Sonne steht nachmittagstief und bescheint alles gülden, das macht es versöhnlicher. Und irgendwie ist es auch egal, „Immerhin bin ich rausgegangen“ summe ich in Anlehnung an Babsi Tollwut.
    Schlagschatten der Windräder rotieren im Geäst, der Wind wühlt die Blätter auf, Gegenlichtflimmern und der Forstpistenschotter knirscht unter meinen Sohlen.
    Die letzten „Happy Trails“-Wünsche sliden in meine DMs und ich erinnere mich warum ich dieses Wandern auch mache – connected sein. Alleine im Wald und trotzdem verbunden. Was kitschig klingt ist die Metapher einer verlassen Kindheit auf dem Dorf, die zwischen Einsamkeit und Autonomie chargierte. Bin ich hier draußen weil ich kann und darf oder weil ich muss? Wahrscheinlich beides.
    Ich passiere die Lauschhütte. Meine Eltern sind hier immer hin spaziert, ich hatte keinen Bock damals. Heute laufe ich regelmäßiger vorbei, denke jedes mal genau daran: ich hatte damals keinen Bock auf Lauschhütte! Warum eigentlich nicht? Ich bin alleine oder mit meiner besten Freundin stundenlang durch die Wälder gestriffen, aber das Versprechen einer Bratwurst und eines Spaziergangs mit den Eltern mobilisierte mich nicht, klar Eltern sind ja auch als Kind manchmal irgendwie suspekt, als Teenie erst Recht. Dennoch ist die Lauschhütte zu einem Synonym kindlichen Verlassen seins geworden – vielleicht weil es weniger schmerzhaft ist Trennung, Alkoholismus und Suizid… So blieb ich alleine und meine Eltern wanderten mit Hund zu Lauschütte. Immer gut wenn man nicht gezwungen wird, doof wenn ernstgenommen werden danach alleine sein heißt. Wollte ich was anderes? Ich weiß es nicht. Die Lauschhütte ist ein psychogeographischer Reminder an eine ambivalente Kindheit und Jugend. So sind Landschaften immer auch subjektiv mit einer anderen Kartierung überlagert. Die Sonne steht noch etwas tiefer, ich lasse romantische Verklärungen in mir aufwallen. Es leuchtet so schön.

    Der Soonwaldsteig bis zum Ohligsberg. Die Fauna wuchert den Blick auf das Dorf meiner Kindheit zu, ich nehme es amüsiert zur Kenntnis, schwelge kurz in küchentischpsychologischer Deutung des Wahrgenommen und packe mein Essen aus. Ich habe meinen Kühlschrank leergeräumt und den Inhalt mit auf den Trail getragen. Gurke, Salat, Tomate, Aufstrich, Pumpernickel. Es fühlt sich an wie Sterneküche, im Brustton schwärme ich in die Kamera. Food-Footage. No Cook Outdoor Cuisine. Als Apero erstmal in den diesigen Hintertaunus geschaut, sein schieferschroffer Absturz ins Mittelrheintal eine sanfte Vertiefung in der Landschaft. Ich folge der angedeuteten Linien des Flusses den Hunsrück entlang bis er bei Koblenz auch im blauen Dunst des Abends verschwindet. Hach wie schön. Lecker. Ich krümel den Tisch voll.

    Im goldenen Abendlicht wander‘ ich hinab gen Dichtelbach. Die Hochebene kühl, das Blau der Nacht wabert langsam in das letzte Licht des Tages. Weiter nach Rheinböllen und die Waldsiedlung, hier gibt’s trailmagisch Bier und Bett. So slidete es in Weiler u.a. in meine DMs. Na gerne doch. Menschen aus dem Digitalen analog kennenlernen verschiebt den Akzent von Social Media wieder auf das social. Jetzt wird es nur so langsam spät. Bis 22Uhr kann ich da einlaufen hieß es. 21ish Uhr und noch 4km oder so. Geht.

    Der Himmel schiebt sich über Dichtelbacher Feldern zusammen und leuchtet rot und lila: „Bluterguss“ hatte Thorsten Nagelschmitt das in seinem Roman „Arbeit“ genannt, ich schmunzel‘, weil ich mich seit ich die Umschreibung gelesen habe, darauf freute sie zu verwenden. Hier am Ortsausgang von Dichtelbach ist es soweit, ein blutergussfarbener Himmel über den Feldern. Stimmen wabern vom nahen Fußballplatz, Flutlicht fliest weiß in den Himmel. Take run at the sun. Und ich strahle vor Glück.
    Am Freizeitbad Rheinböllen verweile ich kurz und schwelge mit meinem inneren Kind in Erinnerungen: mit aufgeweichten Chlorfingern Rancher-Taco-Chips aus kleinen Tüten fingern, Pizzabaguette am Tresen essen und sich den Gaumen am Käse verbrennen, Tauchen durch die Sprudelfontäne und im Hotwirlpool mit den Wasserdüsen im Kreis schwimmen. heimlich vom Beckenrand springen...

    Mit dem wirklich letzten Licht laufe ich in der Waldsiedlung ein. Bekomme ein Bier und Rhabarbersirupschorle, einen nicen Schnack über Landleben, Antifaschismus, Haussanierung und Wildcampen. Ich rolle meine Matte auf der Terrasse aus. 25ish Kilometer heute...


    [Tag 2]

    Ein bedeckter Morgen dämpft die Stimmung. Ich trete aus dem dumpfen morgendlichen Wald. Sepia liegt auf der Landschaft. Flächiges Grau diffundiert in die Felder, die Ferne verschwindet. Grastrails laufen nass in meine Schuhe, Morgentau.
    Grasige Wirtschaftswege wechseln sich mit Roadwalks ab. Auf einer Forstpiste folgt mir die Polizei, steigt aus, schlägt sich in die Büsche, kommt wieder raus. Sie suchen einen entlaufenen Hund. Der ist mir just in dem Moment begegnet, in dem die beiden im Gebüsch waren. Ich rufe „Suchen Sie einen Hund?“
    „Ja“ sagt die Beamtin und klopft sich den Wald von der Hose.
    „Der ist da drüben quer, in die andere Richtung gelaufen“
    „Ah ja, danke“
    Die beiden steigen in ihr Auto und fahren weiter. So banal, so Vorabend-Landkrimi des ZDF denke ich mir belustigt und staatstragend. Ich laufe weiter. Die Windräder rühren im flächigen Himmel. Der Forst ist da und dort eine dürrezerfressene Plantage. Wirklich spannend ist es nicht, also träume ich mich zu Espresso und irgendeinem süßen Frühstück in Simmern. Noch zehnish Kilometer. Gefällige Forstpisten, zottelige Kühe auf der Weide, ein bisschen Zersiedlung und fernes Verkehrsrauschen kündigen Simmern an. Das erste Sonnenlicht des Tages bricht durch das Grau. Stimmungsaufheller, auch ohne Koffein.
    Pittoresk empfängt mich die Simmerner Altstadt. Espresso im erstbesten Cafe. 2.80 finde ich selbst als Frankfurter beachtlich, die Crema ist blass und hat sich schon auf dem Weg zum Tisch aufgelöst, etwas wässrig sagt der Caffe-Connaisseur. Mit der Kraft der Imagination und viel Zucker trinkbar. Ich habe mich auf den Espresso gefreut, das lasse ich mir von schlechter Qualität nicht vermiesen – so lächele ich gen Sonne, trinke meinen letzten Schluck Zucker mit Kaffeearoma und studiere die Erker und Klinkerfassade der Apotheke gegenüber. Die Auslage der Bäckerei lacht mich süß an. Rosinenschnecke fürs rauslaufen.

    Mehr das mentale, denn das leibliche Wohl stand in Simmern auf der Agenda. Resupply erst in Kirchberg, 13 Kilometer weiter. Es fällt mir immer wieder auf das Orte on Trail ihre Bedeutung nur durch ihre Einkaufsmöglichkeiten gewinnen. Ich vergesse ihre Namen, weiß aber alle relevanten Einkaufsmöglichkeiten. So auch hier. Den Ortsnamen schlage ich für den Text nochmal nach, Norma, Aldi, Lidl erinnere ich direkt. Ich wäre geneigt mich zu der These zu versteigen, das Trails zu einem Transitionsraum zwischen Resupplymöglichkeiten verkommen, in der es nur noch um die Überbrückung der Distanz geht, weil das Essen irgendwann im Vordergrund steht – ich glaube eine Amazon-Rezi von Thürmers „Laufen-Essen-Schlafen“ hat genau das mal kritisiert, das es irgendwann nur noch um Essen geht. An Landschaft kann man sich eben im wahrsten Sinne des Wortes nicht satt sehen. Ich gebe mich ob der äußeren Reizarmut des Trails oppulenten Supermarkt-Feasts hin, bestücke mein Hikertrash-All-You-Can-Eat-Büffett dekadent und lassen meinen Einkaufszettel von Gelüsten und Hikerhunger schreiben.

    Die schattenlosen Höhen, ein landschaftliches Wogen aus Feld, Acker, Wiese, Wald. Gedotted von Ortschaften. Ohlweiler, Schönborn, Rödern. Windrauschen in den Baumwipfeln. Kühlung auf der Haut. Es ist heiß heute. Die Ernte wird eingefahren. Gelbe Staubwolken ziehen über goldene Felder in der Ferne. Dröhnen in der Nähe. Kratzen im Hals.


    In Kirchberg bastel‘ ich mir ein no-cook feast. Mixe Arrabiata Paste aus dem Glas mit Soja-Hack und mache mir daraus ein Sandwich mit Gurke, Tomaten und roter Zwiebel – sowie Fettflecken auf der Shorts. Ein lukullisches Fest. Noch’n bisschen Obst und ein Kefir. Diszipliniert habe ich für den einen Tag nur noch ein Asia-Nudelsnack Chickenflavor geholt, coldsoaked in der eigenen Tüte mit Gurkenstücken stelle ich mir ganz lecker vor. Ein paar Trailsnacks noch, das wird alles schon reichen.


    Kirchberg hat ein pittoreskes Fachwerkaltstädtchen, da ein Erker, dort eine schiefe Fassade, hier ein spitzer Giebel, dort eine Holzschnitzerei. Auf dem Platz ist Markt, der Ort ist unterwegs, klönt vor und neben den Ständen, isst riesige Eisbecher in der Eisdiele. Inspo. Ich auch. So ähnlich zumindest. Ich bestelle einen Espresso, lade PB und Handy. Auch kein guter Espresso. Schade. Dabei sind Eisdielen immer auch ne save Bank. Hier nicht. Für den Weg organisiere ich mir noch zwei Kugeln in der Waffel und laufe langgezogen auf der Landstraße aus Kirchberg hinaus.

    Nun folgt ein Abschnitt des Ausoniusweg der auf der Karte ziemlich beindruckend aussieht, eine fast durchgängige gerade Linie von 10,12 Kilometern. Forstpiste. Eine lange gerade Forstpiste. Kontemplatives Wandern durch Wirtschaftswald. Ich komme bei Niedersohren an der Nachbildung des Römerturms vorbei, an dem ich den SHS ein paar Tage zuvor abbrechen musste. Die Sonne scheint, der Wind rauscht in den Bäumen, die Aussicht ist eben bekannter Landschaftsmix Wald, Acker, Wiese, Feld, Dörfer eingestreut und das ganze hügelig Wogend in grün- und brautönen sowie goldenem Weizen. Schön um nach ca. 30km Pause zu machen. Sitzbänke gibt es auch. Noch schöner.
    Neben mir kommt Stefan auf seinem Fahrrad zum stehen, seine Boombox dröhnt 80er Jahre Rock. „Gude. Schön hier ne? Willste in Bier?“
    Joah, öhm nee.
    „Nein Danke“

    Er kommt aus dem Hunsrück. Ist schön hier. Den Ausoniusweg ist er schonmal mit dem Fahrrad lang. Wir scherzen, das das mit dem SHS und dem Fahrrad sich in der Baybachklamm wohl eher schwierig gestaltet.
    „Ich komme aus Frankfurt“ antworte ich auf die Frage wo ich denn herkomme.
    „Ah, da sind ja auch, wie soll ich sagen, viele Abartigkeiten“
    Ja stimmt. Zu hohe Mieten, zu wenig bezahlbaren Wohnraum, Gentrizifizierung, hohe Lebenshaltungskosten… To name a few. Das meint Stefan aber nicht.

    Er hat sich seit Corona mal in diesem Internet kundig getan und das ist schon „abartig was hier so alles passiert“. KenJebsen, RT, ServusTV sind seine Referenzen. Ich mache hier den Fehler sitzen zu bleiben. Und dann legt er los: Corona ist eine Erfindung, Hitler wurde vom englischen Deepstate finanziert; wir befinden uns aktuell im Dritten Weltkrieg; Aids ist genau so erfunden, wie eigentlich alle Krankheiten; er erklärt mir das wir in einer Diktatur leben und in einer GmbH… Und noch viel mehr- ein buntes verschwörungsideologisches Medley. Angereichert mit den Klassikern aus Antisemitimus, Queerfeindlichkeit, Rassimus, teutonischer Hyperviktimisierung und obligatorischen Ampelhass. Soweit so langweilig, weil weder neu, noch innovativ noch spannend erzählt. Bis auf den Finanzierung des NS durch den „englischen Deepstate“ kenne ich schon alles. Ist immerhin als freiberuflicher Diversity-Trainer auch mein Job, auf der Höhe der Zeit menschenfeindlicher Erzählungen zu bleiben. Hohlerde, Neuschwabenland und Nazis auf dem Mond wurden mir erspart. Schade eigentlich, die find ich tatsächlich unterhaltsam. Nicht minder verstörend und gefährlich, aber seit „Kung Fury“ und „Iron Sky“ haben diese Erzählungen durch die popkulturelle Persiflage ihren Gefährlichkeit etwas eingebüßt. Aber warum mache ich das hier, frage ich mich. Warum höre ich ihm zu, warum diskutiere ich mit ihm? Weil ich so vermessen bin überzeugender zu sein? Das ist ein Fehler.

    Warum habe ich nicht psychologisiert, frage ich mich im Nachhinein? „Ja, Stefan, die Welt ist wirklich sehr kompliziert und krisenhaft geworden, ich verstehe das dir das Angst macht, dich verunsichert und du nach Halt und Erklärung suchst…“ – hätte das was gebracht? Ich bin ja auf einem Hike und nicht in einem Seminar, wo ich Verantwortung auch für die Gruppe habe. Ich muss ihn nicht retten. So beende ich das ‚Gespräch‘ mit „Wir leben auf unterschiedlichen Planeten, wir sprechen zwar miteinander, aber aneinander vorbei, weil wir unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Wahrheiten haben“ – und mache damit einen weiteren Fehler, ich adel‘ seine abstrusen Verschwörungserzählungen zu einer Wahrheit. Ich verabschiede mich und reiche ihm die Hand und sage „Ich heiße übrigens Fabian. Danke für das Gespräch, das war sehr lehrreich, nicht so wie Du meinst, aber ich nehme hieraus was mit. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag“ – Ich habe von Carolin Emcke und im Deeskalationstraining gelernt, Menschen die hassen, die möglichweise mich hassen könnten, ein Gegenüber anzubieten. Wenn man jemanden kennt ist es schwerer zu hassen. Stefan, wird vielleicht immer mal an seine politischen Gegner denken und ihnen menschenverachtendes Wünschen – nur dieses eine „Schlafschaf“ wird ihn vielleicht piesacken, der war nämlich ganz nett und er hat einen Namen. Fabian.
    Dennoch ärgere ich mich über die vertane Zeit. Es war meine Pause, die ich mit sowas verplempert habe. Die Reflexion beschäftigt mich so nachhaltig dass ich mich am nächsten Tag und Tags darauf, just dann verlaufen werde, wenn ich das alles nochmal durchgehe. Heute aber nicht mehr...


    Ich folge der lang gezogenen Schnur des Trails. Felder, Wälder, Äcker und mal wieder ein Mähdrescher der dröhnend staubig den Weizen einholt. Bei Horbruch mache ich an einer Hütte rast, horche ich in mich hinein… Fast 40k. Ich merk’s. Ich habe kaum noch Wasser und etwas Durst. Auf der Karte sieht es nicht so aus als ob noch was kommen würde, außer der Umweg nach Horbruch rein und den Friedhof suchen. Gibt’s da überhaupt einen? Ein Jäger kommt in seinem Auto angerumpelt „Entschuldigen, Sie wollen sie die Nacht hier verbringen?“ ich gucke betont unschuldig, ich habe es eh nicht vor.
    „Weil wenn ja, dann gehe ich auf einen anderen Hochstand“. Er deutet in eine unbestimmte Richtung oder auf den er sich setzen möchte.
    „Nö, hatte ich nicht vor. Aber sie können mir vielleicht helfen. Wissen sie ob es Horbruch einen Friedhof gibt“
    Er guckt irritiert
    „Ich habe kein Wasser“
    Als sei es das natürlichste der Welt „Ja, klar gibt es einen. Das Wasser da ist auch, wie alle Tiefenbrunnen, voll in Ordnung. Gut trinkbar. „
    „Kool, können Sie mir auch sagen wo der ist?“
    „Ojee, das muss ich passen“ lächelt und zuckt mit den Schultern.
    „Hätte ja sein können. Weidmanns Heil sag ich ma‘ und schönen Abend“
    „Ja, danke. Viel Erfolg und guten Weg noch“
    Ich beobachte ihn noch wie er parkt, mit Knarre und seinem Gerödel Richtung Hochstand stapft. Ich lasse derweil die Beine baumeln und schaue mir Karte und Uhr an. Lang ists nicht mehr hell. Lange laufen habe ich auch keine Lust mehr, Wasser brauch ich noch und einen Pennspot. Zu viel Felder, erst hinter Hochscheid wieder Wald. Pfff, entweicht es mir. Also los.

    Dörfer am Abend können ausgestorben wirken, so auch Horbruch. Eine leise Hoffnung hatte ich ja, dass ich Menschen treffe, die Vorabend in ihren Gärten machen, oder in ihren Garagen am heimwerken sind. Mitnichten. Niemand da. Ich irre durch den Ort, treffe eine Frau spreche sie an.
    „Am anderen Ende des Ortes?“
    „Ja“ sie zuckt fast entschuldigend die Schulter.
    Sie erklärt mir den Weg und ergebe mich meinem Schicksal. Laufe jedoch eher zufällig am örtlichen Gasthof vorbei. Geschäftiger Lärm und Geschirrgeklapper.
    Jackpot.
    Ich muss nicht den Gastraum betreten, es gibt eine Seitentür zum Tresen. Eine junge Frau kommt auf mich zu. Ich halte ihr freudestrahlend meine Bladder und meine Wasserflasche entgegen.
    „Wenn sie mir sagen wo ihre Trinkgeldkasse ist, schmeiße ich da was rein und sie machen mir das hier voll“
    Sie schaut kurz verwirrt.
    „Ich brauche was zu trinken, und…“
    „Jaja“ sie lächelt unsicher, dreht sich schnell um „Machen sie das lieber unten im Klo, die Chefin sieht das nicht so gerne,“ Sie zwinkert mir verschwörerisch zu, „aber da unten merkt sie das nicht“ dann kichert sie.
    Ich kichere mit, zwinkere unwillkürlich auch und schleiche mich aufs Klo – die „refill-conspiracy“. Nur konsequent, dass ich mich auch wieder rausschleiche...

    Hinter Hohenscheid habe ich den Marathon voll. Der Lützelsoon leuchtet rötlich in der Abendsonne, schwefelgelbe Wolken, schwarze Fichten im orangenen Himmel. Ich finde eine moosige Kuhle in einem Fichtenwald. Die säulenartige Stämme knarzen, wogende Nadelwipfel im Wind dämmern in das Schwarz der Nacht. Ich habe noch ein Bier in einer Pilgerbox gegen Spende mitgenommen, baue auf – cowboy-camp -, dehne mich, trinke lauwarmes Koblenzer und schaue in die Wipfel.

    [Tag 3]

    Um 7ish laufe ich los. Klebrigkühler Morgen einer lauen Nacht. Ich stakse über Wiesentrails und versuche die Füsse trocken zu halten – warum auch immer. Wie gestern ist Hitzwarnung für Rheinland-Pfalz ausgegeben. Ich geniesze ein leichtes Frösteln.
    Im Archäologiepark Belginum gucke ich mir Grabungshügel und Informationstafeln an. Irgendwie finde ich den angelegten römischen Kräutergarten spannender, probiere mich durch allerlei und entscheide mich für den etwas verblühten Koriander. Pimp fürs Abendessen. Also stecke ich mir welchen zur Brusttaschenfermentation in mein Hemd.
    Auf der Hunsrückhöhenstrasse rollt es geschäftig Hin und Her, ich betrachte die Landschaft, die hier in ein Becken abfällt und den Blick bis Richtung Mosel eröffnet, zumindest sagt das die Infotafel. Dunstig wellt sich die Landschaft gleichförmig vor mir und löst sich diesig im Blau des Himmels auf. Der Horizont eine Ahnung in der Eifel.
    Um 10ish habe ich nicht mehr so viel Bock zu laufen. 5 Kilometer vor Haag mache ich eine ausführliche Frühstückspause. Die ersten 14ish k sind gelaufen. Eher zufällig bemerke ich dass sich der Trail hier gabelt. Noch 43k bis Trier. Huch. Das ist ja. Morgen früh schon. Also dehne ich die Pause etwas noch aus, spinne Pläne mit Blick auf die Karte und denke mir… „Einfach weiterlaufen, der Rest ergibt sich von ganz alleine“. Also laufe ich weiter.
    In Hof hat das Backes aufgefahren. Alles voller Brot, die Bierzelte stehen bereit und die aufbauenden bekommen schon das erste Gezapfte hingestellt. Welches Fest gefeiert wird, erschließt sich mir nicht, herausfinden will ich es auch nicht. Ich überquere die Dhron, von deren Fischreichtum Ausonius in ganzen Versen schwärmt, via einer pittoresken Steinbrücke, verirre mich in den Ortskern. Nichts besonderes…. Wie so vieles auf dem Ausoniusweg.
    Der Trail ist und bleibt keine Offenbarung. Viele Passagen führen über Kreisstraßen, oder asphaltierte Wirtschaftswege – auf der einen Seite können die Gedanken ihren eigenen Roadmovie auf dem Asphlatzelloloid skripten [es ist kein nennenswerter Verkehr], monoton bleibt es dann auch trotzdem. Ich lasse den Blick in die wogende Kulturlandschaft schweifen: Felder, Äcker, Wälder. Wenn nicht Roadwalk, dann Gravelroads durch eben jenes landschaftliche Arrangement. Mir fehlt die Muße mich mit der sozial-kulturellen Leistung des menschgemachten Naturraums nachhaltig zu connecten, dann und wann in romatischen Aufwallungen geben ich mich der Ästhetik der Landmark in der gleissenden Mittagssonne hin – und denke mit beidem hat Tucholsky recht, ich muss nicht vor jeder Ecke niederknien und ach, wie schön lügen, und zugleich bleibt ein eigentümlicher Reiz, den eben dieses Landschaftsmosaik ausstrahlt.
    Ich verlaufe mich ein paar mal, weil der Weg dann doch dröge ist bzw. richtiger: ich bin dröge, habe mich unachtsame Parallelwelten gebeamed, oder ärger mich über mich und das Gespräch mit Stefan gestern, den Rest hat die Hitze weichgekocht – die Konzentration schwächelt.

    Bei Naurath überquere ich die Autobahn und habe ein Tagesziel damit erreicht. Irgendwo hier hinter dieser Linie möchte ich mich auf die Suche nach einem Pennplatz machen. So die Idee. Noch runter in dieses eine Tal. Feller Bach, weil da gibt’s Wasser. Ich hab keins mehr. Drei Bachläufe die in den Feller Bach münden. Ich finde save Wasser da unten. Guter Plan.
    Mit der Fixierung auf die Wasserorga rückt der Pennplatz in den Hintergrund. Ich missachte die Höhenlinien. Okay, dann eben in der Talsohle. Wird eben klamm und kühler die Nacht. Oha, das sind ja alles Kleingärten und Wiesengrundstück. Aha, es ist Wochenende, auf jedem dritten dieser Grundstücke sind viele Menschen mit Grills, Zelten, Biertischgarnituren und schlechter Musik (weder Schlager, noch Bierzelttechno, noch Onkelz finde ich gut). Ich habe zwar jetzt Wasser aber keinen Pennspot. Also suche ich mir Zugang zum Bach, stelle meine Füße rein und esse. Coldsoaked Chicken-YumYum mit Gurkenwürfel ist wirklich lecker, nur den Koriander vergesse ich. Schmeckt mittlerweile wahrscheinlich eh nach mir. Ich sondiere: habe einen weiteren Marathon in den Beinen und müsste noch durch Fell durch und dann, diesmal die Höhenmeter mitgelesen, noch mindesten zweiish Kilometer aus Fell raus, also nochmal fünfish auf die 42, 43 drauf. Nein. Also laufe ich rum und suche nach Spots wo ich mich betten könnte. Und finde nichts. Es wird dunkel, was es nicht besser macht. Doch. Nachts sind alle Katzen grau oder alle shelter stealth. Ich lege mich auf ein Grundstück das jemand zum Holzscheite spalten und stapeln nutzt. Nicht schön und sicherlich nicht erlaubt. Ich lege mir etwaige Ausreden zurecht und weiß das mein schlechtes Gewissen mich früh wecken wird, so wird’s eh niemand merken. So rede ich mir das schön. Trail- und Outdoorromantisch ist das nicht. Ich bin müde.


    [Tag 4]

    Eine spanische Wegschnecke auf meinem Kopfkissen und mein zurechtgelegtes Gewissen wecken mich in der Dämmerung. Packe zusammen. Laufe los.. 13ish km noch bis Trier.


    „Wollen sie in die Kirche?“ ruft mit eine Frau zu. Ihre grauen Locken wippen mit ihren Schlappen im Takt als sie die Straße runterkommt.

    „Ähm, nein. Eigentlich nicht.“

    „Suchen sie den Weg nach Trier?“

    „Auch dass nicht, ich habe gerade überlegt ein Foto von der Kirche zu machen. “

    Wir lachen beide.

    „Wollnse trotzdem mit rein, ich muss eh aufschließen. Eigentlich macht das ja der Zahnarzt, aber der ist im Urlaub. Also mache ich das jetzt. Wir kämpfen um den Erhalt der Kirche.“

    Ich nicke verständig. Und bekomme von ihr noch weiteres aus Interior der Kirche und dem Innenleben der Gemeinde erzählt. Die Fenster sind nicht aus Glas, sondern aus bemalter Haut. Mich. Schauderts. „Ja, gegerbtes und ganz dünngeschabtes Leder. Wir wussten das auch nicht, bis wir im Rahmen von Sanierungsarbeiten einen Glaser kommen ließen, wegen der Fenster, und der nur sagte da könne er nix machen.“ Sie fühlt sich bemüßigt noch hinterher zuschieben „Weil es ist ja kein Glas“

    Ich trete an eines der Fenster. Es wirkt pastös mit kleinen markanten, porig wirkenden, Einschlüssen. Satte Farben, die prall und zugleich eigentümlich dumpf in der Morgensonne leuchten. Unwillkürlich will ich das Fenster anfassen „Darf ich?“

    „Nur zu“

    Ich schubse eine Zitterspinne aus ihrem Netz. Die Oberfläche des Fensters ist glatt, aber nicht gläsern glatt, aber auch nicht ledrig. Taktil nicht einzuordnen. Es fühlt sich wärmer und weicher an, wohlweislich dass das nur eine unzureichende Umschreibung ist. Faszinierend.

    Sie zeigt mir noch die Pilger*innenverpflegung und Bibeln in vielen Sprachen.

    „Für die ganzen Camino-Gänger*innen? Kommen hier eigentlich viele vorbei?“

    Sie schaut mich mit großen Augen an „Hier ist doch kein Pilgerweg, der geht doch…“ sie faltet vor ihrem inneren Auge eine Landkarte auf.

    „Doch, doch. Kommen sie mal mit“ wir treten vor sie Tür und ich zeige auf das Fallrohr am Haus gegenüber. Frisch ausgeflaggt, die markante gelbe Muschel auf blauem Grund. Sie lacht laut auf. „Das wusste ich gar nicht, sind sie dann…“

    „Nein, ich bin kein Pilger. Ich lauf den Ausoniusweg.“

    Wir unterhalten uns noch ein wenig über den Weg und die Pilgerstrecke zwischen Mainz und Trier, dann trennen sich unsere Wege.

    Ein Foto habe ich gar nicht gemacht.
    Nach Fell bushwacke ich noch durch einen krautigen verwilderten alten Forstweg, den Wildschwein mehr umgegraben haben, als das er begangen wird. Dann sind noch 7ish shabby Roadwalk Kilometer durch Industriegebiet und Suburbia zu absolvieren. Ein bezeichnendes Ende des Trails, der auch wirklich nicht enden will. Es zieht sich.
    Sinnbildlich erreiche ich den Endpunkt des Hikes: roadwalks. Und warte final an einem Ampelüberweg auf Grün um zu meinem Trailhead zu kommen. Die Porta Nigra.
    Die Touristen sind schon da und bespielen eifrig den Vorplatz. Ein 2000 Jahre alter Trailhead, und ein Unesco-Welterbe – das kann immerhin keiner der großen Trails…
    124 Kilometer, ein halber Tag, zwei ganze und ein bisschen vierter Tag. Done it.


    Ich suche mir einen Espresso….