Tag 21, 22, 23
Es ist soweit. Der letzte Tag meiner Tour ist angebrochen. Nur noch etwa 13km bis Abisko.
Das Wetter begrüßt mich mit Nieselregen. Tja, irgendwas ist immer. Ich frühstücke noch entspannt und räume dann langsam alles in den Rucksack. Trotzdem komme ich ziemlich früh los, es hat sich offenbar eine effektive Routine eingestellt. Schade, dass ich diese neue Routine und Kondition nicht mehr für weitere Etappen nutzen kann .
Erstmal geht es südlich am Rande des großen Sees entlang, an dem die Abiskojaure Hütte liegt. In ein paar hundert Metern Entfernung knattern ein paar ATVs den Weg entlang, auf den ich auch gleich komme. Nicht so schön, die Zivilisation rückt wieder näher. Etwas später folgt noch ein Helikopter. Also dieser Motorenlärm hat mir überhaupt nicht gefehlt.
Nach etwa zwei Kilometern endet der See, aber ein Fluss entspringt hier dem See und der Kungsleden folgt ihm mit mehr oder weniger Abstand bis nach Abisko. Und so langsam ist mir auch das Wetter gnädig. Der Nieselregen und Dunst verschwindet und der Himmel reißt langsam auf. Dafür bin ich jetzt noch sehr dankbar, da der nun folgende Abschnitt am Fluss noch viel schöner ist.
Wenige Kilometer vor Abisko zwängt sich dann der Fluss durch enge Felsformationen und es ergibt sich ein faszinierendes Spiel aus zum Teil karibischen Farben und Wasserstrudeln.
Ich bleibe immer wieder stehen und muss staunen und die Natur bewundern. Versuche die Schönheit digital zu bannen und mit nach Hause zu nehmen. Was für ein Finale meiner Tour!
Bald kommt jedoch eine große Straßenbrücke und der Bahndamm in Sicht, ich bin zurück in der Lappländischen Zivilisation. Fühlt sich etwas surreal an. Und dann ist sie schon da, die brühmte Bretterwand, die den Start/Zielpunkt markiert.
Hier herrscht reger Menschenverkehr, daher halte ich mich hier nicht lange auf, sondern gehe weiter zur Abisko Fjällstation. Mein Zug nach Stockholm geht übermorgen und ich möchte mir zum Ende ein Zimmer mit Bett gönnen. Leider stellt sich bald heraus, dass nur noch "Premium"-Einzelzimmer für 170€ pro Übernachtung frei sind, ansonsten Schlafsaal. Puhh, nein. So buche ich dann einen Stellplatz auf dem Zeltgelände, so habe ich wenigstens etwas Privatsphäre. Und mein Zelt ist ja auch gemütlich und mir ein richtiges Zuhause geworden.
Der Zeltplatz liegt etwas abseits und so laufe ich an diesem Tag noch erheblich mehr, als die 13km der Etappe. Zuerst zum Platz, Zeltaufbauen, Klamotten sortieren. Zurück zur Fjällstation, Wäsche waschen. Zurück zum Zeltplatz, Sachen zum Duschen packen, zurück zum Sanitärhäuschen und Duschen. Zurück zum Zelt, warten, zur Waschmaschine, Wäsche in den Trockenraum, zurück zum Zeltplatz.
Dann geht es ans Einkaufen. Der Supermarkt ist etwa 1,5km vom Zeltplatz entfernt, los geht´s. Dort angekommen bin ich etwas überfordert und gleichzeitig enttäuscht von dem Angebot. Schwierig was Passendes für meine kulinarischen Gelüste zu finden. Am Ende kaufe ich ein paar Fertig-Sandwiches, Cocktailtomaten, Bier, Wasser und noch ein paar Sachen, die ich nicht mehr erinnere.
Zurück am Zelt wird der Einkauf erstmal verstaut, dann die Wäsche vom Trockenraum in der Fjällstation eingesammelt. Danach ist endlich Zeit fürs gemütliche und ausgiebige Abendessen. Und endlich nicht mehr rumlatschen, am Ende waren das bestimmt auch über 25km mit dem ganzen hin und her.
Entspannt gehe ich dann irgendwann schlafen. Doch leider steht mir keine erholsame Nacht bevor. Mir wird langsam aber sicher übel. So ein Mist. Bald ist es so schlimm, dass ich nur noch für kurze Erholungsphasen im Zelt liege, den Rest der Zeit verbringe ich auf dem Klo im Sanitärhäuschen. Gott sei Dank gibt es hier ein solches. Mit fließend Wasser. Was sich genau auf der Toilette abspielt, möchte ich hier nicht weiter detaillieren. Ich achte aber darauf, dass ich trotzdem immer etwas Wasser trinke, um nicht zu dehydrieren. Morgens wird es dann endlich etwas besser, so dass ich auch mal zum Schlafen komme. Etwas Fieber habe ich wohl auch und so verbringe ich den Tag zwischen Wachen und Schlafen in einem leichten Delirium. Zum Glück geht mein Zug erst morgen und ich habe meine Wäsche und Reisevorbereitungen schon erledigt.
Gegen Abend kann ich mir einen Tee kochen und esse etwas trockenes Brot. Es bleibt drin! Yeah! Ich grüble schon länger, was mir dieses Elend eingebrockt hat. Ob es die Fertig-Sandwiches waren? Die nächste Nacht kann ich durchschlafen.
Morgens bin ich noch sehr schwach, aber nicht mehr krank. Glück im Unglück, gestern in dem Zustand wäre ich nicht reisetauglich gewesen. Im Schneckentempo geht es zum Bahnhof.
Der Zug ist pünklich, los geht es Richtung Heimat. In irgendeinem Ort ist nochmal Umsteigen angesagt. Hier ist der Anschluss leider verspätet und die Warterei ist in meinem schwachen Zustand etwas belastend. Aber dann ist es auch hier soweit, mein Platz im Schlafabteil ist auch schnell gefunden. Schnell komme ich mit einem Mitreisenden ins Gespräch. Als er hört, dass ich vom Kungsleden komme, fragt er sofort ob ich auch krank war. Etwas irritiert, dass es das weiß, frage ich nach mehr Infos. Offensichtlich ist auf dem Kungsleden unter den Wanderern eine kleine Noro-Virus Epidemie ausgebrochen. In Hütten wurden Quarantäne-Bereiche eingerichtet, manche kranken Wanderer mussten auch schon mit Hubschraubern ausgeflogen werden. Später wurden die Hütten dann sogar für ein paar Wochen komplett geschlossen. Man vermutet eine verseuchte Wasserquelle, von der dann wohl auch ich getrunken hatte. Es ist also auch auf dem Kungsleden ratsam immer das Wasser zu filtern.
So hatte ich dann doppelt Glück im Unglück, dass mich der Noro-Mist nicht auch noch auf dem Trail erwischt hat, sondern erst in der Zivilisation.
Ende