Aus aktuellem Anlass aus dem blauen Forum herüber geholt und ergänzt:
Optisch ansprechende Gamaschen zu bekommen war ja die längste Zeit in unseren Gefilden eher schwer, deshalb habe ich mich mit minimalistischen Nähkenntnissen (Corona-Masken) selbst daran gemacht. Dabei bin ich nach der Anleitung von Hiking Hammonds vorgegangen, bei den Spitzen mit dem Haken habe ich mich vom Tutorial von Gabrielle Kotanidis inspirieren lassen.
Die Abmessungen und Nähte sind in den verlinkten Blogs gut erklärt, aber die ein oder andere Erkenntnis kann evtl. anderen weiter helfen, die sich das erste Mal mit so einem Projekt beschäftigen. Arbeitsgerät der Wahl war eine Carina Professional, eine elektronische Heimanwender-Nähmaschine, die lange nicht so professionell ist wie der Name vermuten ließe, aber eine schöne Bandbreite an Stichen hat und komfortabel einzufädeln ist.
Materialien für die Prototypen:
- Lycra aus einer Restekiste vom Tanzsportbedarf
- Ein Stück nicht dehnbaren Stoff (8x11cm) aus einer alten Skijacke, die kürzlich ihr zweites Leben als Arbeitskleidung beendet hat
- Ackermann Universalgarn 120
- Universalnadel
- Obertransportfuß
- Prym Textil-Klebestift wasserlöslich
- 2 Haken aus Haken&Ösen Set, da habe ich schlecht gelesen und mit 12,5 bis 17mm gedacht, die sind perfekt, dabei ist da die eingehakte Länge von Haken&Öse zusammen angegeben, war also eher fummelig...
- 2 x 4cm Klettband mit Kleber, fürs finale Projekt werde ich aber welches ohne Klebefläche besorgen, da der Kleber die Nadel versaut und ich sie mehrmals sauber machen musste
- Rollschneider (sehr empfehlenswert)
Nähdetails:
Als Garn hat sich Güttermann 120 bewährt, das überall erhältliche Ackermann war ein ausfransender Albtraum. Genäht habe ich mit einer 80er Universalnadel und mit Obertransportfuß.
Materialkosten: ca. 5€
Gewicht (Paar): 24g
Gleich mal vorweg: nur per Nadel zusammen geheftetes Lycra nähen ist extrem schwierig, für mich persönlich sogar unmöglich. Mit dem Klebestift von Prym (vermutlich tuts Pritt oder Uhu genauso, wenn man den Kleber etwas antrocknen lässt) haftet das ganze aber ausreichend, so dass ich auch ohne Obertransport halbwegs saubere Säume hingekriegt habe. An der Verbindungsnaht wäre ich aber ohne Obertransport gescheitert, die dünne obere Lage schiebt sich schon zusammen, wenn man nur blinzelt.
Alle Zickzack-Nähte habe ich in der Stretch-Variante ausgeführt. Ein normaler Zickzack-Stich wäre auch nicht dehnbar genug, da würden meine Füße dann nicht mehr durch passen. Allerdings werde ich an der Beinöffnung im finalen Modell auch einen Zentimeter zugeben. Je nach Waden-Knöchel-Fuß-Verhältnissen kann eine normale Zickzack-Naht schon funktionieren.
Die Verbindungsnaht an der langen Kante (also vorne) habe ich mit einem 2mm Geradstich ausgeführt. Da wurde schnell deutlich, dass ich noch mit dem verwendeten Garn und der Fadenspannung experimentieren muss, sonst hält das nicht lange. Das lässt sich auch auf dem zweiten Bild erkennen. Evtl. wäre auch eine (falsche) Kappnaht langlebiger.
Die Haken habe ich mit der Knopf-Funktion der Nähmaschine angenäht (Stichbreite 4,5mm). Allerdings sind die kleinen Haken gerade nicht breit genug um vom Knopf-Fuß festgehalten zu werden. Ich hab zwar mit der Spitzzange nachgeholfen, aber richtig sauber und haltbar wird es nur mit einem etwas größeren Haken.
Mehr Bilder:
So schauen die Gamaschen in getragenem Zustand aus (die Schuhe auf den Bildern sind Größe 44 / US 10):
Hier in der Seitenansicht:
Evolutionsstufe 1:
Die Hefterei und Kleberei war irgendwie nicht so richtig zielführend und der Wechsel zwischen normalem und Obertransportfuß nervig, weshalb mich die Internetsuche zu wasserlöslichem Klebefließ geführt hat. Gefunden habe ich nur einen einziges Produkt namens Vliesline Solufix. Das ist nicht ganz billig, aber ein Game Changer. Der große Fluss und kleinere Nähbedarfe verkaufen Bögen, die von der Rolle abgeschnitten wurden.
2cm-Streifen für den Saum abgeschnitten und aufgeklebt:
Dann umgeklappt und fest geclippt. Das erste Gefühl sagt schon mal: wie fest gewebte Baumwolle.
Beim Nähen dann: ein Traum! Nix dehnt sich oder schiebt sich! Wenn ich es noch schaffe, die Clips abzunehmen, bevor sie den Nähfuß erreichen, dann wirds vermutlich perfekt. So ist das Nähen auch ohne Obertransportfuß problem los möglich.
Zuguterletzt kommt das Ganze für eine Minute ins Waschbecken in kaltes Wasser und wird leicht geknetet. Das Vlies löst sich tatsächlich komplett auf.
Da jetzt die großen Probleme ausgeräumt schienen, konnte ich mich an den etwas teureren "schicken" Stoff wagen. Auch der ist aus dem Tanzsportbedarf. Leider bockte die Nähmaschine des öfteren, trotz Reinigung, so dass die Nähte nicht ganz so schön wie erwartet wurden. Halbwegs ansehnlich wurde das Ergebnis trotzdem. Zwischendurch konnte ich auch kleberfreien Klett beim lokalen Nähbedarfsladen ergattern.
Evolutionsstufe 2:
Nach einigen verpassten Gelegenheiten konnte ich mir endlich die Overlock-Maschine meiner Schwester (eine W6 454D) ausleihen. Damit ging es jetzt nach einem halben Tag an Näh- und Einfädeltests an den zweiten Effektstoff, den ich noch vorrätig hatte. Das Schnittmuster ist das selbe geblieben, bei den Dreiecken für den Haken musste ich auf einen anderen Stoffrest ausweichen, der jetzt in vernähtem Zustand keinen so haltbaren Eindruck mehr macht. Fürs nächste Paar teste ich da vorher wieder ein wenig ausgiebiger.
Insgesamt ist die Overlock der zweite Game Changer nach dem Klebefließ. Ein wenig Gefühl für die Stoffführung muss man sich am Anfang erarbeiten, und wie bei normalen Maschinen auch die richtige Fadenspannung finden, dann ratterts aber wie am Schnürchen.
Natürlich ist noch Luft nach oben, egal ob bei den Nähten und Rollsäumen oder bei Positionierung und Materialwahl des Haken-Dreiecks. Trotzdem bin ich für den nächsten Hike damit "on fire"