Wintertour in den Alpen 2019

  • Im Spätwinter 2019 habe mir einen lange gehegten Traum erfüllt und eine viertägige Tour durch die Alpen bis an die Baumgrenze unternommen, auf der ich mit Rucksack und Schneeschuhen völlig autark unterwegs war. Dieses Projekt möchte ich hier dokumentieren. Beginnen wir mit der

    Ausrüstung

    Mir war von vornherein klar, dass ich bei dem geplanten Unterfangen streng genommen nicht im UL-Gewichtsbereich würde bleiben können, aber mehr als 15 kg sollten es nicht sein - und wurden es auch nicht. Mitgenommen habe ich (in Leserichtung zeilenweise aufgeführt):

    • Ein Sirui-Carbon-Stativ (knapp 1 kg),
    • ein MYOG-DCF Tarp für meine Cross Hammock Querhängematte (118 g),
    • ein MYOG-DCF Hot Tent, soweit ich sehe das erste seiner Art (269 g) - inzwischen wiegt das Zelt nach diversen Umbauten 458g,
    • einen Titanium Wood-Stove von Seek-Outside, mit Klappsäge, stabilem Messer für Batoning und anderem Feuerequipment (2 kg),
    • einen MYOG-DCF-Rucksack von 42 Litern mit äußeren Netztaschen an drei Seiten (299 g),
    • einen gelben Sack mit Lebensmitteln, einen 2-Liter Titankochtopf zum Schnee schmelzen, darin befinden sich weitere Lebensmittel,
    • ein oranger Sack mit MYOG-Merino Unterwäsche lang und ein zusätzliches Paar Merino-Socken,
    • eine Thermoskanne 0,5
    • meine Lumix GH4-Kamera mit Olympus 12-40 2.8 Objektiv (1 kg), Go Pro 7 Black,
    • einen dunkelgrünen Sack mit Kabeln,  Akkus und Stirnlampe,
    • eine Daunenjacke von Arcteryx (300 g),
    • eine Cross Hammock Standard in robustem Stoff (350 g),
    • zwei kleine Säckchen mit Schnüren fürs Tarp und die Hängematte und anderem Krimskrams,
    • einen 750 ml Titanbecher mit 100 ml Gaskartusche und Soto-Gasbrenner,
    • einen MYOG-Daunenschlafsack mit 750 g 850 Cuin Daunenfüllung (950 g),
    • schwere Leki Makalu Stöcke (die aber auf 145 cm ausgezogen werden können),
    • 2 Schneeteller
    • eine Termarest Neo-Air X-Therm Max Large mit (blödem) Speed Valve,
    • ein No-Name Gorilla-Pod Stativ für die Go Pro und
    • meine MSR lightning Ascent Schneeschuhe (1,77 kg)

    Das Herzstück der Ausrüstung ist das DCF-Zelt mit Stove Jack für das Ofenrohr. In dem habe ich mich abends und morgens aufwärmen, Schnee schmelzen und Essen zubereiten können.

    Der aufgebaute Ofen mit den Töpfen. Wie ihr seht, habe ich keine Aufstellstange (und auch keine Heringe) mitgenommen, sondern mir immer einen Holzstab und Stöcke zum Abspannen gesucht.

    Der Rucksack hat von der Größe her gerade so gereicht, sogar die Schneeschuhe konnten außen für den An- und Abtransport noch angebracht werden.

    Geschlafen habe ich aus Komfortgründen nicht im Zelt, sondern immer in der Hängematte, das Tarp habe ich nur in einer Nacht aufgespannt.

    Und auf diese Weise konnte ich mit immer noch überschaubarem Gewicht bis an die Baumgrenze 4 Tage völlig unabhängig unterwegs sein. Am Leib getragen habe ich MYOG-Kleidung aus Wolle und als äußerer Schicht eine MYOG-Jacke und -Hose aus Etaproof.

    Tourbeschreibung

    Die Strecke der Tour habe ich so gewählt, dass neben öffentlichen Verkehrsmitteln nur die eigene Muskelkraft zur Fortbewegung eingesetzt wurde. Start- und Zielpunkt war der Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen. Mit dem ersten Zug von Berlin über München kann man 13:00 Uhr dort sein. Anschließend bin ich, vorbei am Olympiagelände, zum Eckbauer aufgestiegen (Bildmitte), und dort war dann auch der erste Übernachtungsplatz.

    Bei leichten Plusgraden und später einsetzendem Schneefall habe ich dort am einzig geeigneten Baum die Hängematte aufgehängt und auf einem Plateau oberhalb das Zelt errichtet.

    Der zweite Tag führte bis Mittag über eine relativ leicht zu bewältigende Wegstrecke bis zur Elmauer Alm (links), die auch noch von vereinzelten Winterwanderern frequentiert wird. Ab dem König-Ludwig-Weg habe ich in den folgenden zwei Tagen nur noch drei Leute getroffen.

    Von der Lawinengefahr im ersten Abschnitt wusste ich, aber da in den letzten 10 Tagen kein Schnee mehr gefallen war, habe ich dieses Risiko gering eingeschätzt.

    Die kurzen steilen Hänge hatten ihre Schneelast schon vor Tagen abgeworfen.

    Über die Wettersteinalm bin ich dann bei inzwischen deutlichen Minusgraden zum Schachensee aufgestiegen und habe dort an der Baumgrenze auf etwa 1800 m das zweite Lager errichtet.

    Nach Einbruch der Dämmerung gingen die Temperaturen bis zum nächsten Morgen auf -15 Grad in den Keller. Den sternklaren Himmel hatte ich am einzig geeigneten Baumpaar beim Einschlafen und Aufwachen immer im Blick, weil ich kein Tarp aufgespannt hatte.

    Der Rückweg am dritten Tag sollte eigentlich pures Genusswandern sein, aber es kam - leider - anders.

    Nach Empfehlung von zwei Tourengehern, die am Vormittag schwer bepackt den Lagerplatz passierten und über meine Anwesenheit und die Größe meines Rucksacks ziemlich perplex waren, bin ich rückzu links auf den Kälbersteig abgebogen, der bis ins Partnachtal führt. Leider ist es mir an der Schlüsselstelle in Ermangelung jeglicher Wegzeichen und Spuren nicht gelungen, den richtigen Weg zu finden.

    Ich musste deshalb über zum Teil gefrorene Wasserfälle in äußerst heiklem Gelände ins Tal absteigen und dann dort einen knietiefen Bach durchwaten. Mit einbrechender Dunkelheit bin ich auf der anderen Talseite wieder in Richtung Partnachalm aufgestiegen und habe dort das dritte Lager errichtet.

    Der letzte Tag bestand aus dem unproblematischen Rückweg zum Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen.

    Erfahrungen

    Mit meiner Tour wollte ich - neben dem Genuss der Landschaft und der Freude am Draußen-Sein in diesem schneereichen Winter - auch einiges herausfinden. Zunächst war da die Idee des Hot Tents aus DCF, von der ich nicht wusste, ob sie überhaupt funktioniert. Ein solches Zelt gibt es meines Wissens nach bisher noch nicht und es hätte ja durchaus sein können, dass das Konzept nicht aufgeht - beispielsweise, weil die Klebeverbindungen der Hitze nicht standhalten. Von einem meiner anderen Hot Tents weiß ich, dass die Temperaturen im First an die 70°C betragen können. Dass die Klebeverbindungen diese Temperatur problemlos aushalten, weiß ich erst jetzt. Das Zelt wird durch die Hitze richtig schön aufgepustet.

    Zu den Dimensionen der Hütte muss ich noch sagen: je größer je besser! Meine finanzielle Schmerzgrenze lag bei 7 m DCF, die bei Extremtextil damals für 230 € zu haben waren. Das Zelt wird deshalb bei einer Kantenlänge von 220 cm (zum Glück habe ich deinen Rat beherzigtigt Omorotschka ) nur 167 cm hoch und ich kann nicht darin stehen. Mit 10 m Material wäre es 2 m hoch und nur 50 g schwerer geworden. Aber irgendwann ist eben finanziell Schluss. Da ich den großen Seek Outside Titanium Stove habe, wurde es darin phasenweise auch sehr heiß. Mal sehen, irgendwann besorge ich mir vielleicht noch den Cub der wiegt noch mal ein halbes Kilo weniger und passt größenmäßig besser. Diesen Ofen besitze ich seit 2020 – leider gibt es ihn 2024 aber nicht mehr zu kaufen. Er passtgrößenmäßig perfekt zum DCF-Hot Tent.

    Die täglich Routine beim Lagerbau sah folgendermaßen aus: Zunächst Holz sägen,

    dann zerkleinern,

    dann den Ofen anfeuern. Dabei habe ich auf alle Bushcraft-Spielereien mit Feuerstahl und Zunder verzichtet und statt dessen die Brachialmethode Flammenwerfer gewählt.

    Warum? Um 2 Liter Schnee zu schmelzen braucht man bei zweistelligen Minusgraden von Zustand A

    bis Zustand B

    einschließlich der Holzvorbereitung knapp 2 Stunden. Diese Zeit wollte ich nicht noch verlängern durch das langsame Aufpäppeln des Feuers. Auf diese Weise habe ich für 7 Mal Feuer machen 50 g Gas verbraucht.

    Insgesamt bleibt aber doch recht wenig Zeit, um im Zelt Platz zu nehmen und sich richtig durchzuwärmen. Aber für diese kurzen Intervalle ist man in der Kälte doch sehr dankbar. Bei mir kam das Glück mit dem Wetter dazu und ich konnte immer trockene Sachen einpacken. Ob das bei Schmuddelwetter auch funktioniert, werde ich austesten.

    Ein weiterer Aspekt der Tor war das Übernachten in der Hängematte. Wie hoch kann man hängen? Ursprünglich wollte ich bis zum Schachenhaus aufsteigen (unterhalb der Mitte der Rauchwolke), bin aber des erkennbar spärlichen Baumbestandes wegen doch an besagtem Platz geblieben.

    Zum Aufspannen blieben am Ende eine Baumruine und ein Weihnachtsbaum, den ich nur deshalb nutzen konnte,

    weil ich ihn mit einer Tarpschnur an einem benachbarten Jungbaum gegengelagert hatte. Mit einer normalen Bananenhängematte wäre aber auch das schwierig geworden. Wie auch bei Übernachtung 1 zeigte die Cross Hammock, dass sie einer Gathered End-Hängematte relativ überlegen ist, weil man kürzere Baumabstände nutzen kann.

    Die letzte Übernachtung unterhalb der Partenachalm war lagertechnisch dann noch mal ein purer Genuss, weil Zelt und Hängplatz dicht beieinander liegen konnten.

    Mein Fazit dieser Tour: Viel gelernt und noch mehr Spaß gehabt!

    Abschließend noch zwei Bilder von den Flops and Fails: Das Ali-Messer verlor beim Batoning seine Mircata-Griffschalen, blieb aber aufgrund der Full Tang-Bauweise benutzbar. Inzwischen habe ich die Hohlniete gegen Vollniete ausgetauscht.

    Die gebrochene Bindung der MSR-Lightning-Ascent-Schneeschuhe ließ sich nur kurzfristig reparieren und ging genau am kritischsten Punkt des Steilabstiegs endgültig kaputt. Inzwischen habe ich die Bindung erneuert.

    Zur Kamera: die GH4 ist zwar nicht mehr das neueste Modell, ist aber absolut zuverlässig und der Akku hält auch bei zweistelligen Minusgraden mehrere Tage und macht dabei viele Langzeitbelichtungen und Zeitrafferfilme mit mehreren tausend Bildern mit. Wenn man sie mal nachts draußen vergessen hat, sieht sie am nächsten Morgen so aus. Macht aber nichts, anschalten, Objektiv putzen, weiterfotografieren.

    Ich hoffe, ich kann damit den einen oder die andere für ähnliche Touren inspirieren!

    Cross Hammock - die Querhängematte

    (gewerblich)

    3 Mal editiert, zuletzt von Cross Hammock (15. Oktober 2024 um 07:57)

  • Von der Lawinengefahr im ersten Abschnitt wusste ich, aber da in den letzten 10 Tagen kein Schnee mehr gefallen war, habe ich dieses Risiko gering eingeschätzt.

    Das ist ein Fehler. Nur weil die Gefahr gering ist, oder als gering eingeschätzt wird, ist sie nicht Null. Und dann sollte man - ausser man legt wenig Wert auf das eigene Leben - zum einen sich mit Lawinen etwas beschäftigen (einlesen, Lawinenbericht einschätzen lernen,...) und auf Touren im Schnee im Gebirge immer ein LVS, Sonde und eine stabile(!) Schneeschaufel einpacken.

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    Die kurzen steilen Hänge hatten ihre Schneelast schon vor Tagen abgeworfen.

    Siehe Bild. Ich sehe hier z.B. schon, im Hangbereich hinter dem Abgang hier Schnee in einem Steilhang liegt, und da dieser - wie im Bild festgehalten - im gesamten Bereich durchaus in der Lage ist, abzurutschen, wäre das solo ein No Go, vor allem ohne Lawinenausrüstung. Der Hangbereich ist eindeutig steil genug für Abgänge, so wie auch der sonnenbeschienene Bereich, der eventuell noch gefährlicher ist als der Bereich links.


    Falls nicht bekannt: selbst kleine Hänge mit 3m Höhenunterschied reichen schon aus, um mit Pech einen komplett einzubetonieren. Wenn man dann wie hier sich abseits der Skitourenrouten befindet, dauert es Tage/Wochen, bis da zufällig jemand wieder entlang kommt.

  • Noch ein paar Anmerkungen zu dem Bild:

    im rechten Bereich sieht man felsdurchsetztes Gelände. Das ist eigentlich immer >45° steil, und aufgrund der schneeunterbrüche und der Steilheit besonders lawinengefährdet. Kommt dazu, dass die Tour im Spätwinter stattfand, und da die Wärme im Tagesverlauf für Grundlawinen sorgt - der Bereiech ist im Tagesverlauf extra kritisch.

    Die Lawine im Vordergrund ist auch eine Grundlawine, was man an der Form und Grösse der Schneebrocken erkennt. Somit bestätigt sich der erste Absatz, und der sonnenerwärmte Bereich ist besonders gefährdet.

    Auch der Hang linksseitig ist gefährdet, was man eben an der Grundlawine sieht. Es ist nicht mehr kalt genug, als dass sich im Schattenbereich nicht doch aufgrund Erwärmung etwas lösen kann. Dem Bild nach zu urteilen ist dort kaum jemand unterwegs, es ist also wohl ein Spontanabgang und nicht Fremdausgelöst. Damit ist der ganze Hang auch im Schattenbereich nicht gering, sondern eher stark gefährdet, denn auch weiter hinten hat es lange Strecken, wo sich noch spontan etwas lösen kann.

    Der ganze Weg ist Mist, denn er verläuft am Talboden. Sobald man von etwas erwischt wird, landet man im Bachbett und wird zugeschüttet. Man hat also keine Chance darauf, frei liegen zu bleiben, wie es in einem nach unten offenen Hang der Falls ist. Hier nutzt auch kein Lawinenairbag, der bei Nasschneelawinen eh kaum Sinn macht.

    Für mich wäre der Talverlauf hier No Go-Gelände

  • Das ist ein Fehler. Nur weil die Gefahr gering ist, oder als gering eingeschätzt wird, ist sie nicht Null. Und dann sollte man - ausser man legt wenig Wert auf das eigene Leben - zum einen sich mit Lawinen etwas beschäftigen (einlesen, Lawinenbericht einschätzen lernen,...) und auf Touren im Schnee im Gebirge immer ein LVS, Sonde und eine stabile(!) Schneeschaufel einpacken.

    Na, da behauptet aber jemand, sich ganz genau auszukennen. Da genau dies aber nicht der Fall ist, möchte ich mal etwas ausführlicher antworten.
    Vorwegzuschicken ist, dass die Einschätzung der Lawinensituation ein ganz entscheidender - und im Zweifelsfall lebenswichtiger - Aspekt bei der Planung von Wintertouren ist. Ich habe, wie im Nachbarfaden angegeben, in den Nullerjahren etliche Hochtouren in den Westalpen unternommen und mich darauf gründlich vorbereitet. Dazu gehörte u.a. eine einwöchige Ausbildung vom DAV auf dem Brandenburger Haus, bei der ich neben dem Umgang mit LVS, Sonde und Schneeschaufel für die Verschüttetenbergung auch die Techniken der Spaltenbergung, der Orientierung bei Schlechtwetter und der Techniken zur Begehung von Steileiswänden bis 45° mit Eisgeräten 'vom Pickel auf' gelernt habe. So einen Kurs kann ich allen nur empfehlen, die bei winterlichen (aber auch sommerlichen) Bedingungen Touren in den höheren Lagen der Alpen unternehmen möchten. Da verschiebt sich der Fokus von UL hin zu Dingen die schwer, aber eben essentiell sind.
    Und damit komme ich zu meiner Tour, die ich im Vorhinein nicht nur von der Seite der Ausrüstung her sorgfältig geplant habe. Wie beschrieben, und oben auf dem siebten Bild zu erkennen, verläuft die auf dem König-Ludwig-Weg. Das ist einer der am häufigsten begangenen Wege im Alpenvorland überhaupt. Der spleenige Namensgeber hat ihn vor 150 Jahren bauen lassen und sich darauf sommers wie winters mit Kalesche und Schlitten zum Schachenhaus kutschieren lassen. Genau diese Wegstrecke bin ich auch gegangen, und obwohl ich nur wenige Leute getroffen habe, wird dieser Weg (der im Sommer von Mountainbikern nur so wimmelt) auch im Winter häufig begangen.
    Nun mag es Leute geben, die sich dort nicht auskennen, aber die sollten dann nicht behaupten:

    Dem Bild nach zu urteilen ist dort kaum jemand unterwegs

    Das Gegenteil ist der Fall. (Das kann man übrigens auch auf dem Bild erkennen, das Skispuren über die Lawinenreste zeigt).

    Und damit komme ich zum entscheidenden Punkt, der Beurteilung der Lawinengefahr. Wer, wie Becks, glaubt, die anhand eines einzigen Bildes bestimmen zu können, hat sich schon mal als jemand zu erkennen gegeben, der klar zur Selbstüberschätzung neigt - tut mir leid, das so sagen zu müssen.
    Die Einschätzung der Lawinenlage ist eine äußerst komplexe Herausforderung und verlangt neben der Beurteilung der meteorologischen u.a. auch die Deutung der geographischen Situation in der jeweiligen Gegend. Hier verläuft ein Weg am tiefsten Grund des Tals. Und jetzt muss man wissen, dass 90 % aller Lawinen vom Verschütteten selbst oder einer Person ausgelöst werden, die zur Gruppe des Verschütteten gehört. Hier liegt die Gefahrenlage also bei 10% - trotzdem ist sie natürlich nicht "Null". Und jetzt kommt ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt hinzu, der unbedingt beachtet werden muss und mich damals in der konkreten Situation am meisten ermutigt hat, diese Tour zu diesem Zeitpunkt durchzuführen: die allgemeine Lawinenlage, die in Deutschland vom Lawinenwarndienst Bayern herausgegeben wird. Zu der Zeit, als ich unterwegs war, gab es komplette Entwarnung, was mit der Großwetterlage zusammenhing. Die Lawinengefahr ist am geringsten, wenn milde und nicht abrupte Temperaturwechsel die Verfestigung des Schnees beschleunigen. Genau das lag vor und deshalb war meine Tour zu dieser Zeit in dieser vielbegangenen Region meiner Ansicht und Erfahrung nach verantwortbar.

    Ohne Kenntnis und Interesse an den näheren Umständen der Tour zu verkünden, diese Gegend sei

    ein No Go

    ist ebenso absurd wie die Behauptung, dass sich die umsichtige Frage nach der passenden Ausrüstung über 3000 m am besten mit dem Verweis auf eine Schulklasse beantworten lässt, die von ahnungslosen Lehrern in eine kritische Situation gebracht wurde.

    Ich habe mich gefragt, wie jemand, der hier - und das nicht zum ersten Mal - spekulativ so drastisch urteilt, selbst seine Touren plant und mich etwas im Nachbarforum umgesehen - und erlebte dabei eine kleine Überraschung. Denn derselbe Poster, der sich hier - auf faktisch falscher Grundlage - als umsichtiger Beurteiler von Gefahrensituationen in Szene setzt, tritt im Nachbarforum mit vollkommen anderen Thesen auf, wenn es um die Beschreibung seiner eigenen Unternehmungen geht. Da beginnt ein Bericht schon mal mit den Worten: „20-30cm Neuschnee gab es und prompt geht die Lawinengefahr hoch auf drei. Von solchen Umständen lasse ich mich nicht erschüttern“.

    Aha, das ist ja mal eine interessante neue Meinung zum Thema. Zur Information: bei Lawinenwarnstufe 3 liegt auf der bis Stufe 6 reichenden Skala eine „erhebliche Gefährdung“ vor, bei der 50% aller Lawinenopfer verunglücken. Ich selber habe mal eine geplante Schneeschuhtour von der Weidener zur Lizumer Hütte bei Lawinenwarnstufe 3 abgebrochen, als sich die Situation an der Schlüsselstelle etliche Tage nicht besserte. Becks lässt sich von einer solchen Vorhersage aber „nicht erschüttern“ und ‚verliert‘ auf dieser Unternehmung nicht nur sein Handy, sondern auch einen Kameraden aus den Augen, der mit ihm gestartet ist, was ihn (im Unterschied zum Handy) allerdings nicht weiter zu kümmern scheint.
    Vergessen - oder verdrängt - hat er bei Abfassung dieses Berichts offenbar auch, dass er sieben Jahre zuvor schon einmal die Vorhersage ignoriert hat, „bei nicht optimalem Wetter“ aufgebrochen ist und schließlich selbstverschuldet in ein Lawinenunglück verwickelt war, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Ihr könnt die näheren Umstände in den Links gerne nachlesen.

    Für mich stellt sich die Frage: Wie kompetent ist jemand in Fragen der Gefahreneinschätzung, der auf dürftiger Grundlage zu dogmatischen (und im vorliegenden Fall auch falschen) Urteilen kommt, von anderen verlangt, dass sie die Gefahren auf „Null“ reduzieren, sich aber andererseits in seinen Tourberichten als erfahrungsresistenter (und wenig empathischer) Draufgänger zu erkennen gibt?

    Ich gestehe, dass ich keine große Lust habe, mir von jemandem, der so konsequent mit zweierlei Maß misst, meine Tour analysieren zu lassen.

    Cross Hammock - die Querhängematte

    (gewerblich)

    4 Mal editiert, zuletzt von Cross Hammock (18. November 2024 um 11:29) aus folgendem Grund: Link ergänzt.

  • Hier verläuft ein Weg am tiefsten Grund des Tals. Und jetzt muss man wissen, dass 90 % aller Lawinen vom Verschütteten selbst oder einer Person ausgelöst werden, die zur Gruppe des Verschütteten gehört. Hier liegt die Gefahrenlage also bei 10% - trotzdem ist sie natürlich nicht "Null". Und jetzt kommt ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt hinzu, der unbedingt beachtet werden muss und mich damals in der konkreten Situation am meisten ermutigt hat, diese Tour zu diesem Zeitpunkt durchzuführen: die allgemeine Lawinenlage, die in Deutschland vom Lawinenwarndienst Bayern herausgegeben wird. Zu der Zeit, als ich unterwegs war, gab es komplette Entwarnung, was mit der Großwetterlage zusammenhing. Die Lawinengefahr ist am geringsten, wenn milde und nicht abrupte Temperaturwechsel die Verfestigung des Schnees beschleunigen. Genau das lag vor und deshalb war meine Tour zu dieser Zeit in dieser vielbegangenen Region meiner Ansicht und Erfahrung nach verantwortbar.

    Das kannst Du jetzt noch so sehr schönreden und mit Prozentzahlen unterlegen, aber Fakt ist, dass Grundlawinen, wie hier eine im Bild erkennbar ist, meist spontan abgehen. Sie werden nicht durch Tourengeher ausgelöst (wie Schneebretter), sondern entstehen durch spontane Abgänge oben an der Kante bzw. dort, wo die Sonne den Schnee so erwärmen kann, dass er zu schwer wird und abrutscht, oder indem eine kleine Menge an einer Felskante sich löst, mit etwas Fallhöhe in den Bereich darunter fällt, und dann den Hang auslöst.

    Aus dem Grund steigt auch die Lawinengefahr im Spätwinter über den Tag hinweg an. Morgens, nach einer klaren Nacht, ist alle gefroren, tagsüber wird es warm/matschig, und gleitet dann ab. Wie man im Bild sieht und auch anhand des Sonnenstands rechts (geht bis zum Talboden) abschätzen kann, wird der Bereich hier nicht früh morgens, sondern eher mittags begangen. Und anhand der Felsen im Schnee kann man sicher die Aussage abgeben, dass der Hangbereich über 40° steil ist. Felsdurchsetztes Gelände ist immer so steil.

    Dann kommt Part 2 - der Verlauf der Strecke im Talboden. Hier hat man Null Chancen, unverschüttet zu bleiben, weil der Schnee von oben kommt, und einen im Talboden zudeckt. Das Resultat ist, dass man nicht nur zu 100% verschüttet wird, sondern auch noch extra tief, was die Überlebenschancen bzw. Chancen zur Rettung verringert, und zudem die Funktion von Lawinenrucksäcken ausschaltet. Die funktionieren nur, wenn man im Schnee mitschwimmen kann, nicht aber, wenn man auf dem Talboden steht, und zugedeckt wird.

    Das Vorhandensein einer Skispur ist übrigens kein Hinweis auf eine sichere Spur. Der vor einem kann genauso (falsch) raten.


    Fazit bis hier: Du verwechselt die Lawineneinschätzung von Hochwinter und Spätwinter. Im Hochwinter ist sie eher geringer, wenn die Temperaturen gleichmässig und eher hoch sind (also nicht bei -10°C oder so liegen), weil sich dann die Schneedecke setzen kann, und so die Gefahr von Schneebretter geringer ist. Im Spätwinter dagegen setzt man auf klare Nächte und eine gute Abstrahlung, um dann Steilbereiche wie hier frühmorgens / nachts zu begehen, bevor - wie hier - der Schnee durch die milden Temperaturen aufweicht, und man mit Grund-/Nassschneelawinen rechnen muss.

    Einmal editiert, zuletzt von Becks (21. November 2024 um 09:36)

  • Ich habe mich gefragt, wie jemand, der hier - und das nicht zum ersten Mal - spekulativ so drastisch urteilt, selbst seine Touren plant und mich etwas im Nachbarforum umgesehen - und erlebte dabei eine kleine Überraschung. Denn derselbe Poster, der sich hier - auf faktisch falscher Grundlage - als umsichtiger Beurteiler von Gefahrensituationen in Szene setzt, tritt im Nachbarforum mit vollkommen anderen Thesen auf, wenn es um die Beschreibung seiner eigenen Unternehmungen geht. Da beginnt ein Bericht schon mal mit den Worten: „20-30cm Neuschnee gab es und prompt geht die Lawinengefahr hoch auf drei. Von solchen Umständen lasse ich mich nicht erschüttern“.

    Zu faktisch falsch - siehe eins weiter oben. Spätwinter vs. Hochwinter, Schneebrett vs. Nassschnee.


    Zu LWS 3 und Touren: Wenn du die Tour auf den Gemsfairen kennen würdest, könntest du einschätzen, ob eine Tour dort bei der Gefahrenstufe vertretbar ist, oder nicht. Kurz gesagt: sie ist es. Sieht man auch auf den Bildern, die man gerne ansehen kann, der Bericht ist ja verlinkt. Hier ist eines, falls man nicht auf den Link klicken will:

    Unter 30° steil, keine Rinnen oder Ähnliches, und nebenbei auch von zig anderen Gruppen als sicher eingestuft, wie man an den Spuren und Personen im Bild sichtbar ist.


    Noch eins.


    Jetzt hätte ich doch einmal eine Bitte: erklär mir bitte, wo Du hier eine Lawinengefahr verortest, und konzentriere dich dabei bitte auf eine der physikalischen Grundlagen, wonach Schneebretter nur im Gelände mit mehr als 30° Steilheit ausgelöst werden können.

    Einmal editiert, zuletzt von Becks (21. November 2024 um 09:38)

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