Schanfigger Höhenweg - Pleiten, Pech und Pannen

  • Sitzen ist das neue Rauchen. Um meine innere Balance nicht ganz zu vernachlässigen und UL nicht nur theoretisch im tollen neuen grünen Forum zu praktizieren, mache ich mich auf ins schöne Chur, Hauptstadt des Kantons Graubünden in der Schweiz.

    Chur von oben. Auch im Bild hinter der Stadt: Das Calandamassiv, dort leben blutrünstigste (Wer?)Wölfe und es hat eine SAC-Hütte

    Ab meiner Wohnung (siehe Karte, hö hö, nein ich wohne natürlich nicht genau dort - aber Herr Carl Hirschmann jr. hat mal dort gewohnt, der Erbe von Jet Aviation, er wurde dann vom Hotel hinaus komplimentiert, sein Umgang mit Frauen hatte strafrechtliche Konsequenzen) sind es 20 Minuten zu Fuss an den Hauptbahnhof hier in Zürich.

    Wieder einmal weiss ich nicht so genau, welchen Quilt ich einpacken soll. Ich entscheide mich für den 20 F oder - 6 C. Schon im Zug kommen mir erste Zweifel. Die Temperaturen sollen auf 2 C fallen, jedoch in tieferen Lagen. Wenn ich höher oben übernachte, habe ich Pech gehabt.

    Der Schanfigger Höhenweg beginnt in Maladers, dies ist bequem von Chur Bahnhof aus zu Fuss zu erreichen. Theoretisch könnte man auf diesem Höhenweg von Chur nach Davos oder Arosa wandern.

    Der Zug braucht 1.5 Stunden nach Chur, hierzu lege ich 21 Franken aus (Halbtax). Die Dame gegenüber im 4er Abteil fragt, ob sie ihre Beine auf meine Sitzbank legen kann. Warum auch nicht. Erst als sie dies getan hat, fällt mir auf, dass sie ein kurzes Röcklein trägt. Exhibitionismus ist eigentlich verboten, mich stört es nicht, nehme aber zur Kenntnis, dass mein mangelndes Interesse sie enttäuscht. Keine fünf Minuten später nimmt sie ihre Beine wieder runter.

    In Chur wimmelt es von Leuten. Viele bummeln offensichtlich durch die Stadt. In Zürich gibt es das fast nicht mehr. Wer hier bummelt, hat zu viel Zeit und kein aufregendes Sozialleben oder ist Tourist. Kaum aus der Stadt raus, kommt mir in den Sinn, dass ich noch den Monarch Podcast ganz zu Ende hören muss. Es sind nur noch etwa 15 Minuten, aber auch diese sind grauenhaft. Es ist ein Horror-Podcast und eigentlich fiktional. Die Erzählerin startet auf dem CDT und schafft es nach New Mexiko. Am Schlimmsten ist, dass man nie weiss, wie viel Wahrheit in der Geschichte steckt. Es gibt manche Passage, die sich so ähnlich tatsächlich zugetragen hat - es ist beispielsweise dokumentiert, dass Otter in einer WC Anlage verstorben ist, nachdem er von schlechtem Wetter überrascht wurde und sich die Suchcrews etwas Zeit gelassen hatten.

    Ich bin selber Teile des CDT gegangen und man begegnet tatsächlich derartigen Menschen wie in diesem Podcast. Ich bin ein älterer Herr, weiss wie Mayonnaise und darum von vielem Mist nicht betroffen. Es ist auch sehr schwierig, z.B. Mitwandernde vor gewissem Schrott zu schützen. Natürlich kennt man die Situation beim Autostoppen, wenn die Frau in der Gruppe wie selbstverständlich die Jacke auszieht, sich die Autofahrer fast prügeln und sie dann die Jacke noch vor dem Einsteigen wieder anzieht. Jemand sagte mir einmal, sie wisse, dass sie sehr "gut" aussehe. Meist sei ihr dies lästig, aber hier profitiere sie gerne davon und es freue sie, dass nun die ganze Crew innert Minuten einen "ride into town" gefunden habe.

    Es hat also Schnee in den Bergen. Natürlich habe ich in Zürich die Schneekarte im Internet angesehen - keine Daten, ausserhalb der Saison. Der Höhenweg geht bis auf 2300 m hinauf. Irgendwo habe ich auch gehört, die Schneefallgrenze sei auf 1400 m gefallen. Interessant, ich habe keine Microspikes dabei, habe aber meine zu Hause extra noch gewogen. Ich hätte jene von Nortec einpacken können, 241 Gramm oder generische ohne Marke, 424 Gramm. Beides war mir zu schwer.

    Der Höhenweg ist komfortabel, ohne grössere Steigungen, jedoch hat es eine Person mit Hunden, diese lässt sie frei laufen. Einer rennt zu mir und ich weiss nicht, in welcher Absicht er angerannt kommt. Pfefferspray in die eine Hand, die Stöcke leicht gehoben. Der Hund ist intelligent genug und nimmt eine Kurskorrektur vor. Die Dame überholt mich, gezogen von ihren Hunden. Sie grüsst freundlich. Ich sage gar nichts. Dann überholt mich ein anderer Hündeler, er hat einen kleineren Hund, aber eine sehr lange Leine. Ausserdem trägt er einen grünen Fasserpelz mit einem grossen Logo drauf. Das wird doch wohl kein?

    Ich habe mich gewissenhaft auf diese Wanderung vorbereitet. Deshalb weiss, ich dass die Hochjagd im Kanton Graubünden bereits vorbei ist. Nun ist Niederjagd, die Jagenden dürfen nun kleineres Wild wie Fuchs, Dachs und Wiesel umlegen. Und gewisse Vogelarten abknallen. Ich war einmal während der Hochjagd in Graubünden. Hinter jedem Wurzelstock ein Jäger, die Flinte im Anschlag. In Chur war ich an einem Jagdzubehör-Laden vorbei gekommen. Im Schaufenster waren die Flachmänner gleich neben den Zielfernrohren ausgestellt.

    Als Jäger pflegt man offenbar einen gewissen Stil und füllt deshalb RedBull in solche Flachmänner. Oder das Vitamingetränk mit wenig Kalorien. Damit man beim Ansitzen nicht von Müdigkeit übermannt wird und dann der Zwölfender seelenruhig vorbei stöckelt. Alkohol auf der Jagd ist in der Schweiz erlaubt, obwohl es schon Zwischenfälle gab. Ein völlig besoffener Jäger hatte auf einen Mountainbiker gezielt, seinen Irrtum aber noch rechtzeitig bemerkt. In Frankreich gibt es dadurch jedes Jahr Tote.

    Bald schon kommt das erste ziemlich ernsthafte Hindernis. Ich spaziere darüber, als wäre nichts gewesen. Vom PCT weiss ich, dass dreckiger Schnee nicht rutschig ist. Die Schneebrücke ist jedoch russisches Roulett. Hätte die nicht gehalten, wäre ich in einer sehr schwierigen Situation gewesen. Der Bach darunter war ein halber Meter tief und absolut reisend.

    Die Schneebrücke ist unten im Bild...

    Auf der nächsten Alp laden die Bewirtschafter ihr Auto mit Koffern voll. Ich muss wieder hinauf. Der Schnee ist matschig und rutscht auch im Wald. In ca. 20 Metern Entfernung ausserhalb des Waldes geht eine Nassschneelawine nieder. Die Brocken haben ca. 30 cm Durchmesser und fliegen durch die Luft. Wiederum ernsthafte Schwierigkeiten in Sicht. Der Schnee ist schon hier auf 1700 Metern 30 cm tief.

    Es gibt nur eine Lösung: Umdrehen. Rasch die Karte studiert und nach einem Platz für die Nacht Ausschau gehalten. Im Wald selbst ist es zu steil, jedoch gibt es eine Strasse, deren Sinn sich mir nicht erschliesst. Die Zufahrt zur Alp verläuft jedenfalls anderswo. Es ist 18:00 Uhr, kein Bauer in Sicht. Es gibt auch keinen Grund für einen Bauer, diese Strasse zu benutzen. Sie ist auch mit einem Kuh-Zaun versperrt. Ich komme aus dem Staunen kaum heraus. Obwohl die Strasse U-förmig durch den Wald verläuft und in einer Sackgasse endet, ist sie sehr schön ausgebaut. Ich beschliesse spontan, in einer 180 Grad Kurve zu übernachten. Die Alp hat dort Balken und Wellblech sowie Steinplatten gelagert. Hinter einer Holzbeige hat es gerade noch Platz für mein Zelt. Von der Strasse aus bin ich auf dem Präsentierteller, jedoch perfekt vor allfälligen Verkehr geschützt und ich rechne nicht damit, dass noch jemand vorbei schaut, um diese Zeit an diesem Ort.

    Der Aufbau meines Zeltes ist ziemlich mühsam, da ich nicht beliebig viel Platz habe. Zunächst kommt das Groundsheet auf den Boden, dann die Ecken des Zeltes, unterstützt durch Steine, denn der Boden ist kiesig. Ich verwende nur noch Carbon-Heringe, dafür schön lang (20 cm) und ich habe genau 6 Stück davon (diese hier). Sie werden nie geschlagen. Entweder ich kriege sie mit der Hand in den Boden oder ich lasse es bleiben. Wenn der Boden steinig ist, gibt es auch in der Umgebung Steine, die nicht aus der Erde gerissen werden müssen. Das hält auch bei üblem Wind. Hohe Tannen halten den nun aber ab. Ich habe zu wenig getrunken und gegessen, das hole ich jetzt nach. Dann sinniere ich lange, ob ich die Ohrstöpsel einstöpseln soll.

    Es gibt schon wieder ein Problem. Die Hirsche röhren. Und zwar laut und es sind mehrere Hirsche, die sich immer wieder in meiner Nähe aufhalten. Und die auch diese Strasse nutzen. Dagegen habe ich nichts, sie halten gebührend Abstand zu meinem Zelt und sind schlau genug, um herauszufinden, dass keine Hirschdame darin auf sie wartet.

    Mehrmals wache ich in der Nacht auf, weil ein Hirsch herumschreit. Auch hierfür habe ich Verständnis. Es gibt kein Hirschtinder und die Hirschdamen lassen sich nur für kurze Zeit im Jahr mit einem Hirschstier ein. Auch das kann ich nachvollziehen. Würde ich als Mann so herum röhren, würde ich innert Minuten sanft, aber bestimmt in die nächstgelegene Klapsmühle begleitet.

    Irgendwann gönnen sich aber auch die Hirsche eine Pause und die Kühe auf der nahen Weide hören auf, herum zu bimmeln. Ich schlafe nicht mal schlecht. Morgens um 7 Uhr werde ich von einem lauten Geräusch geweckt. Ein Hund rennt herum. Er ist klein, aber sehr schnell. Mein Zelt lässt er in Ruhe. Nun habe ich anderswo im Forum herum geblufft, dass ich noch nie beim Wildcampen erwischt wurde. Vorbei, ein Jäger zeigt sich keine 2 Minuten später, seine Flinte hat er lässig eingehängt, geladen ist sie auch. Er wünscht mir einen guten Morgen und fragt mich, ob ich die Hirsche schreien gehört hätte. Er sagt tatsächlich schreien. Allerdings.

    Dann studiere ich erneut die Karte. Es gibt ein riesiges Tobbel, aber keinen Weg herum, ausser dem Höhenweg und der ist durch Schnee versperrt. Der einzige Weg führt nach unten.

    Waldstrasse in der Schweiz: An Geld für den Strassenbau scheint es der Gemeinde Arosa nicht zu mangeln. Sogar die Abwasserrinnen sind gebrandet. 

    So gebe ich mich geschlagen. Besonders weit bin ich nicht gekommen, aber es war trotzdem interessant und ich habe mich bewegt.

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