Neuigkeiten vom Trockenanzug (367g)

  • Vor drei Jahren habe ich mir einen Trocki genäht, der mir seither auf Paddeltouren im Frühjahr und Herbst und im Sommer auf Segeltouren ein unverzichtbarer Begleiter ist.

    Zunächst gebe ich hier in aktualisierter Fassung wieder, wie der Trocki gefertigt wird. Als Referenzmodell habe ich mir einen Trockenanzug ausgesucht, der über einen Reißverschluss vom Hosenstall bis zum Halsabschluss verfügt. Warum? Ich wollte einen Anzug, der sich leicht anlegen und für alle Eventualitäten unkompliziert öffnen lässt. Der letzte Punkt war zwar von meinem alten Modell abgedeckt, das über einen Reißverschluss von Fußknöchel zu Fußknöchel verfügte. Aber die Über-Kopf-Prozedur beim An- und Ausziehen war doch immer extrem lästig. Der Anfibio Zip Suit verfügt darüber hinaus über einen nur 6 mm breiten und damit viel leichteren und flexibleren Reißverschluss, als es der übliche 10 mm-Tizip-Reißverschluss ist, den auch ich beim alten Modell verbaut hatte. Das erste Problem war die Beschaffung dieses Reißverschlusses, den es als Sonderbestellung nur bei Shelbyoutdoor gibt. Das dauerte vom 9. September bis zum 28. Dezember - no comment. Nach meiner Sonderbestellung hat Shelby diesen Reißverschluss ins reguläre Programmaufgenommen, sodass man ihn jetzt nur noch anzuklicken braucht.

    Inzwischen hatte ich mir ein drei-Lagen-Laminat bestellt, das sich von den Werten her fantastisch anhört: Wassersäule 20.000mm, Atmungsaktivität 39.000 g/m/24h. Das Material des Anfibio-Modells hat eine Wassersäule von 15.000mmm und eine Atmungsaktivität von 25.000 g/m²/24h. Das Material gibt es immer noch - es kostet heute nur 25,90 € statt 19,90 €.

    Die Schnitterstellung konnte ich auf kleine Anpassungen an den Bündchen reduzieren, denn ich hatte mir von meinem ersten Trocki die Schnitte aufgehoben. Das ist ein Verfahren, das ich wärmstens empfehlen kann: Hebt euch von allen Sachen, die ihr näht, die Schnittmuster auf! Als ich den ersten Trocki genäht habe, habe ich zwar nicht im Traum damit gerechnet, dass ich die jemals wieder brauchen würde, aber umso dankbarer bin ich jetzt dafür gewesen.

    Das Oberteil besteht aus einem modifizierten Schnitt einer Abisko-Jacke von Shelby, den ich mir schon mal zu einer Etaproof-Jacke verarbeitet habe. Für Vorder- und Rückenteil sieht der Schnitt allerdings sechs Einzelteile vor. Wenn man die aus einem Stück zuschneidet, verbraucht man leider sehr viel Stoff - hat aber den Vorteil, dass der Anzug nur über wenige Nähte verfügt, durch die Wasser eindringen kann.

    Für das Unterteil habe ich meinen normalen Hosenschnitt verwendet, den ich gleichfalls aus je einem Teil zugeschnitten habe und um einen Keil verbreitern musste, damit Jackenbund und und Hosenbund den gleichen Umfang haben.

    Ein sehr spezielles Teil sind die Füßlinge, die ich aus Komfortgründen unbedingt wieder aus dem gleichen Stoff wie der Anzug haben wollte. Das ist übrigens ein Punkt, den ich heute anders machen würde als vor drei Jahren. Die Füße sind der beanspruchteste Teil des Trockis und sollten deshalb aus einem robusteren Material gefertigt sein. Da man sie einfach abschneiden und neu ansetzen kann, ist diese Verbesserung - die bald ansteht - ohne weiteres möglich.

    Sie bestehen jeweils aus einem einzigen Stück Stoff, das auch nur mit einer einzigen Naht geschlossen wird. Man beginnt bei der blauen Klammer am großen Zeh, näht dann zur äußeren Ferse (pinke Klammer), setzt hier die Nadel auf den anderen Oberstoff um, näht, ohne die Naht zu unterbrechen bis zur inneren Ferse (rote Klammer) und dann nach nochmaligem Umsetzen hoch zur Wade (rote Klammer). Aus diesen Füßlingen ließen sich übrigens auch sehr einfach Daunen-Booties herstellen.

    So sehen die Füßlinge fertig aus. Für die Konstruktion der 1,5 mm-Neopren-Manschetten, musste ich eine Kegelstumpfberechnung anstellen,

    für die ich mehrere Anläufe brauchte, bis die Schnittmuster vorlagen. An der Stelle bedanke ich mich bei @Omorotschka, der mich mit Fotos seines Trockis versorgt und mir damit bei der Konstruktion geholfen hat!

    So sieht dann die Handmanschette aus (allerdings in einer ersten Version, die ich nicht verwendet habe, weil sie zu locker saß). Nach dreijährigem Gebrauch stelle ich fest, dass auch die zweite Manschette zu locker sitzt, die deshalb demnächst gegen eine engere ausgetauscht werden wird.

    Vom Zusammennähen selbst habe ich nur wenige Bilder, weil ich an der Nähmaschine in einen Flow geraten bin, den ich nicht unterbrechen wollte.

    Hier ist eine der kniffligsten Nähte, nämlich die zwischen Handmanschette und Oberstoff. Mein Tipp: Glattneopren nach unten, Stichplatte mit Spucke anfeuchten, damit das Material rutscht, Obertransport ausschalten, dann klappt es!

    Um die Füßlinge anzunähen, braucht man einen langen Freiarm, weil das ganze Bein drübergestülpt werden muss.

    Und schon ist das Ganze fertig! Mit dem Zurückschneiden der Nahtzugaben spart man noch mal paar Gramm.

    So sieht der eingesetzte Zipper im Detail aus.

    Zum Abdichten der Nähte habe ich diesmal auf Nahtband verzichtet, weil ich sehr schlechte Erinnerungen an das nervige Gebügel bei meinem ersten Trocki habe. Statt dessen habe ich den Reißverschluss und die Manschetten mit Aquasure abgedichtet. Dabei muss man natürlich höllisch aufpassen, denn ein falscher Tropfen macht den Zipper unbrauchbar...

    Die anderen Nähte habe ich mit einer PU-Lösung auf Wasserbasis behandelt, was zwar langwierig, aber nicht so nervig ist wie das Bügeln.

    Zum Schluss wird der Zipper gefettet, der in trockenem Zustand geliefert wird.

    Das Gewicht des Anzugs hat mich umgehauen!

    Und klein aufrollen lässt er sich auch. Ganz billig ist er allerdings nicht geworden: die Materialkosten betragen heute ca. 200 € (davon allein 70 für den Zipper). Die Fertigung (ohne Schnitterstellung) dauerte knapp drei Tage.

    Der Badewannentest, den ich vorgestern absolviert habe, verlief eigentlich zu meiner Zufriedenheit. Der Trocki bewirkt, dass man wie ein Michelin-Männchen auf der Oberfläche treibt. An einigen neuralgischen Stellen, d.h. den Nahtkreuzungspunkten, sickert nach einer Minute schon was durch, aber nachdem ich an diesen Stellen die restliche Aquasure-Tube aufgetragen habe, dürfte der Anzug inzwischen noch mal etwas dichter sein.

    Das war der erste, herstellungspraktische Teil, Informationen zur Nutzung folgen demnächst.

    Cross Hammock - die Querhängematte

    (gewerblich)

    Einmal editiert, zuletzt von Cross Hammock (7. Oktober 2024 um 15:24)

  • Danke, Schwede, wenn du die einzelnen Schritte liest, wirst du feststellen, dass das kein Hexenwerk und mit etwas Zutrauen sicherlich auch dir möglich ist. Aber ich wollte ja noch etwas zur Nutzung sagen:

    Die erste Ausfahrt mit dem Trocki erfolgte im März 2021 auf der Havel.

    Das Wetter sieht hier zwar sonnig aus, aber ich bin damals mit dem Paddelboot stellenweise über dünnes Eis gefahren.

    Ins Wasser bin ich - auch testweise - bei diesen Wetterverhältnissen nicht gegangen.

    Der erste echte Praxistest erfolgte auf einer legendären Paddeltour mit Omorotschka  questor | hangloose  bieber und noodles Himmelfahrt 2021. Ich hatte am Vortag meine erste Corona-Impfung erhalten und war entsprechend geschwächt, aber die Tour auf der Mildenitz hat uns einiges abverlangt. Hier haben wir gerade eine deftige, von Baumverhauen gezeichnete Wildwasserstrecke hinter uns gebracht. Und hier sieht man auch, dass es sinnvoll sein kann, die Füßlinge des Trockis robuster auszuführen. Kurze Zeit darauf musste bieber , der sein Packraft an einem spitzen Stock geschrottet hatte, mit zu mir ins Boot - und dann kam der Moment der Wahrheit: beim Überqueren eines Baumhindernisses flog ich hinten aus dem Boot raus ins noch sehr kühle und heftig strudelnde Wasser. Uns hier stellte sich heraus, dass die Armmanschetten nicht dicht sind. Ich hatte in jedem Unterarm etwa einen Viertelliter Wasser, das sich, als ich beim nächsten Baumhindernis die Arme mit dem Paddel hob, über die Achseln ins Innere des Anzugs ergoss...

    Über Nacht ist der Anzug aber tatsächlich wieder getrocknet.

    Den nächsten Einsatz hatte der Anzug im Sommer 2021 auf einer Segeltour rund um Rügen, die ich jeden Sommer mache. Dabei muss man beim Ein- und Aussteigen manchmal minutenlang im brusttiefen Wasser stehen. Und da wurde dann der Wasserdruck zu hoch und Wasser sickerte langsam durch das dünne Material. Ich habe den Anzug auch nur dann getragen, wenn der Wind und das Wetter es nötig gemacht haben.

    Und dann kam der Tocki noch auf weiteren Paddeltouren im Winter und Frühjahr 2022 zum Einsatz. Aber da diente er nur als Schutz und hat mich kein Mal aktiv schützen müssen.

    Was ich bei allen diesen Touren geschätzt habe, ist die hohe Atmungsaktivität des Materials, das einen in dem Anzug kaum schwitzen lässt. Der Preis für diesen Tragekomfort ist aber, dass der Anzug in Extremsituationen nicht komplett dicht ist. Deshalb werde ich mir wahrscheinlich in absehbarer Zeit aus richtigem Trockimaterial, das es mittlerweile bei Extex gibt, ein neues Modell nähen.

    Cross Hammock - die Querhängematte

    (gewerblich)

    Einmal editiert, zuletzt von Cross Hammock (2. Oktober 2024 um 00:03)

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