Ein Experiment: Familientrekking im Pfälzer Wald

  • Anfang Juli 2015 war es nun soweit: Ich, meine Frau B. und mein Sohn M. (10 Jahre) brachen zu einer kurzen Trekkingtour im Pfälzer Wald auf. Meine Gelegenheit die beiden an meiner Begeisterung für UL-Trekking teilhaben zu lassen und vielleicht auch ebenfalls anzustecken. In den Vor-Eltern-Tagen hatte ich zusammen mit B. viele Urlaube mit Radreisen und Zelten verbracht und nun wollten wir uns als Familie an das Experiment Trekking wagen. Leider bin ich literarisch nicht sehr begabt, möchte mich aber dennoch an einem kleinen Reisebericht versuchen.

    Früh war schon klar: So UL wird die Aktion nicht. Für einige Tage Versuchswandern wollte und konnte ich nicht für alle drei eine komplette UL-Ausstattung anschaffen. Würde das Trekking bei Frau und Kind nicht auf Gegenliebe stoßen, wäre das eine große Fehlinvestition gewesen. So war erstmal das 3,2kg Zelt gesetzt, auch die schweren Schlafsäcke von Frau und Kind mussten mit. Daraus folgte, dass auch die MYOG-UL-Rucksäcke daheim bleiben würden und mein Exos58 sowie der alte Trekkingrucksack meiner Frau Dienst tun würden. Mein Sohn nahm einfach seinen 800g-Deuter-Rucksack mit 20l Fassungsvermögen. Soweit so Kompromiss. Beim Rest der Ausstattung versuchte ich aber die UL-Prinzipien anzuwenden und so wurde für jeden ein leichtes Kleidungsset mit Hilfe von Decathlon ergänzt. Die Küche wurde auf Freezerbag-Kochen reduziert und auch der Rest vom Ausstattungsgeraffel wie Isomatten, Badbeutel, etc. wurden im Vorfeld soweit möglich reduziert. Meine Gewichtsparbemühungen riefen bei meiner Frau unverständliches Kopfschütteln hervor und die am Ende beim Packen von ihr herbeigeholten Gegenstände kontakarierten meine Bemühungen etwas: Schwere Brillen-Cases, Ledergeldbörse, Hängematte, usw. Dabei müsste sie nach ihrem Bandscheibenvorfall und den kaputten Bändern rund um die Sprunggelenke besonders großes Interesse am Gewichtsparen haben... So kamen am Ende recht schwere, aber noch gut tragbare Packs zusammen. Gewogen habe ich sie lieber nicht

    Am 3.7. gings dann also los. Wir hatten uns vier der Trekkingplätze im Pfälzer Wald gebucht und eine grobe Route überlegt. Schön kurze Etappen, weil ich die Höhenmeter schwer einschätzen konnte und Junior nicht überfordern wollte. Mich natürlich auch nicht, mit dem schweren Rucksack plus 10kg Bürospeck zu viel auf den Rippen. Wir stellten das Auto am frühen Nachmittag in Dernbach ab und machten uns Richtung Annweiler zum Platz Nr. 3 auf.

    Los geht´s!

    Wanderer werden in dieser Gegend kritisch beäugt ;)

    Die Höhenunterschiede waren für uns Flachlandtiroler nicht ohne und ich war froh, die Etappenlänge sehr kurz gewählt zu haben. Viele Wege waren Bach-artig ausgespült oder matschig, die vorangegangenen starken Regenfälle in Süddeutschland waren noch deutlich zu spüren.

    MATSCH!

    Und wegen der reichlich vorhandenen Mücken mussten wir nach wenigen Kilometern eine Autan-Pause einlegen.

    Praktischer Flaschenhalter, auch für Pausen.

    Burg Trifels ist in der Ferne schon erkennbar.

    Auf erstmal unspektakulären Wegen ging es dann nach und durch Annweiler. Dann eine kleine Futterpause im Gras, bevor es in den Anstieg zum Platz 3 ging. Das Essen war lecker, die Pause schön, aber vermutlich hier haben wir uns mit einer unheimlich unangenehmen Insektengattung „infiziert“, die in Norddeutschland nicht so verbreitet ist: Herbstgrasmilbenlarven. Sie blieben lange unentdeckt, doch später mehr dazu.

    Mampf.

    Schließlich fanden wir dank GPS im Handy den versteckten Platz ganz gut und so begann für M. nach dem langweiligen Rumgelatsche der spannende Teil des Tages: Lagerfeuer machen! B. und M. sammelten erstmal Holz im Wald, bevor es dazu zu dunkel wurde. Ich baute das Zelt auf und holte dann Wasser aus dem nahe gelegenen Bächlein. Der Platz ist schön am Rande eines länglichen Tales gelegen, großzügig bemessen und hat zwei Feuerstellen. Sobald dann das Feuer brannte, gab es Freezerbag-Fertignahrung. Das für den Abend gewählte Gulasch mit Kartoffelbrei war sogar recht lecker ;)

  • Das stille Örtchen.

    Am nächsten Morgen dann der erste Gruß von den Herbstgrasmilben. B.: „Reichst du mal den Azaronstift rüber, ich habe hier am Arm ganz viele Mückenstiche“. Merkwürdig, denn dank Autan, einem praktisch mückenfreien Lagerplatz und mückendichtem Innenzelt waren Mückenstiche sehr unwarscheinlich. Egal, Aufbruch nach Morgentoilette, Frühstück, Lager abbauen und Packen zum Platz Nr. 4. Wir kommen spät los, haben aber auch nicht viele Kilometer vor uns. Dafür viele Höhenmeter, wie sich bald rausstellt.

    Immer schön nach oben...

    Über einen Berg mit vielen Felsformationen, Ruinen und Burgen (u.a. Burg Trifels) ging es wieder runter nach Annweiler, wo wir noch Wasser eingekauft, die Pfälzer Sandsteinarchitektur bewundert haben und dann, wie kann es anders sein, Berg hoch zum nächsten Trekkingplatz liefen.

    Coole Sandsteinfelsen.

    Burg Trifels, diesmal deutlich näher.

    Puh!

    Impression aus Annweiler.

    Weiter über Stock und Stein

    Es war dann etwa 18 Uhr, als wir k.o. bei schwüler Wärme den Platz gefunden haben. Diesmal recht steil am Waldhang gelegen, aber mit ebenen Bereichen für die Zelte. B. hängt erstmal ihre Hängematte in die Bäume und entspannt ihren schmerzenden Rücken, während M. sich ums Feuer kümmert. Ich darf mich mal wieder ums Zelt kümmern, dann gehen M. und ich die angeblich in der Nähe befindliche Quelle suchen. Hierfür haben wir leider keine Koordinaten und so suchen wir erstmal in der falschen Richtung. Dann in der anderen möglichen Richtung, auch nix. Mist. Aber dann schlägt sich M. am Rande einer Kuhweide in die Büsche und siehe da, er hatte den richtigen Riecher. Eine kleine Quelle zwischen großen Steinen am Berghang hinter dem Zaun der Kuhweide. Keinen Meter unterhalb der Quelle waren dann auch schon die Ausscheidungen der Kühe zu bewundern… Das Befüllen unserer Platypus war zwischen den Steinen recht schwierig, dann machten uns zurück bergauf zum Lagerplatz. Inzwischen hatte ich auch an mir diese komischen „Mückenstiche“ entdeckt, die besonders bei Wärme und Berührung furchtbar zu Jucken begannen. Die meisten rund um die Handgelenke, sogar auf den Handinnenflächen. DAS können also definitiv keine Mückenstiche sein. Hmm, Azaron drauf, warten, bringt gar nix! Die Nacht war dann die Hölle, dieses Jucken! B. und ich hatten Mühe Schlaf zu finden, nur M. hatte diese juckenden Stiche nicht.

  • Trekking Camp Nr. 4

    Outdoor-Küche

    Schöner Relaxen geht kaum...

    Etwas gerädert machen wir uns am nächsten Tag auf die längste Etappe unserer Tour in Angriff zu nehmen. Es fängt schon schlecht an, wir starten in die falsche Richtung. Als der erwartete Abzweig lange nicht auftaucht, erkenne ich mit Blick auf die Handykarte den Fehler. Unter viel Gefluche und Geschimpfe kehren wir um, zurück berghoch, und schlagen dann den richtigen Weg ein. Aber der Weg bleibt schwierig, das Tal will uns nicht so recht auf die andere Seite queren lassen. Hohes verwachsenes Gras, versteckte Löcher, Bremsen und Mücken. Hier lernen wir die einzige Zecke der Tour auf B.s Rucksack kurz kennen, sie macht schnell den Abflug. Erst mittags erreichen wir dann Rinnthal, nur 25% der Strecke sind geschafft.

    Versteckter Abzweig in Rinnthal nach Eußerthal

    Türmchenbauen am Wegesrand

    Schweres Gerät im Wald

    Es ist wieder schwül warm, die Laune ist besonders bei M. am Boden und wir erheben dann doch keine Einwände, als er sich mit dem MP3-Player verstöpselt und irgendwas hört. Wohl irgendwas Lustiges, er lacht zwischendurch immer mal wieder. Weiter geht’s also nach Eußerthal, was viele Höhenmeter bergauf bedeutet. Ohne zu Murren und mit gelegentlichem Lachen lässt uns Junior am Berg stehen. Wir stapfen schwitzend und schnaufend hinterher, der Weg und die Landschaft sind echt schön. Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir endlich in Eußerthal, machen am Orteingang erstmal auf einer Steinmauer an einem Bach Pause und überlegen, ob wir nicht lieber die nahe gelegene Pension aufsuchen wollen. Nicht lange und ein Anwohner, der seine Biomülltonne kurz am Bach ausspült, verköstigt uns kurzerhand mit Weißwein- und Traubenschorle. Das zischt!!! Das Gespräch ist super nett und nach den obligatorischen Fragen nach dem Vorher und Wohin bekommen wir die Auskunft: „Zum Trekkingplatz? Ach, das ist nicht mehr weit, nur so ein, zwei Kilometer.“ Das schaffen wir!

    Tolle Verköstigung in Eußerthal

    Also auf, M. ist mit MP3-Player nicht totzukriegen, wir suchen den Einstieg zum Aufstieg zum Trekkingplatz Nr. 5. Am Ortsende finden wir den auch recht einfach, es geht steil nach oben, bestimmt 200-300 Höhenmeter. Uff. Im Schneckentempo schleppen wir uns mit frisch gefüllten Wasservorräten den Berg hoch. Oben gibt’s kein Wasser. M. wartet immer mal wieder auf uns, hat sonst aber ein sagenhaftes Tempo drauf. Unser Kampfspruch lautet ab nun: „Lieber hoch als runter“ und wird mehrmals laut in den Wald gerufen. Mit der Zeit merke ich aber, wie ich über mein Limit gehen muss, bei B. ist es genauso. Schweigsam kämpfen wir uns hoch und werden schließlich mit einer fantastischen Aussicht belohnt.

    Steiler Aufstieg mit Hindernissen.

    Eußerthal von oben.

  • Schöner Blick auf den Pfälzer Wald.

    Da gehts lang

    Wir Alten können kaum noch krauchen, versuchen uns mit M&Ms wieder zu reaktivieren. Hunger habe ich komischerweise aber nicht. Leider sinds ab dem Aussichtspunkt immer noch etwa 1000m bis zum Lagerplatz, natürlich weiter bergauf. Dort irren wir dann erstmal umher, offenbar passen die Koordinaten nicht. Schließlich folgen wir dann einem WC-Symbol auf der OSM-Karte und werden endlich fündig. Völlig fertig lässt sich B. in ihre kurzerhand hingehängte Hängematte fallen, ich auf meine Isomatte. Der Zeltaufbau wird auf später verschoben. Sogar das unerträgliche Jucken wird zur Nebensache. M. macht dankenswerter Weise wieder Feuer und nach einer halben Stunde raffen wir uns auf, die Tütennahrung zuzubereiten. Hunger oder Appetit habe ich immer noch nicht, aber das Feuer und das reingezwängte Essen bringen dann doch ein paar Lebensgeister wieder. So kriegen wir noch das Zelt aufgebaut und die Zähne geputzt und fallen dann auf die Isomatten. Der Juckreiz wird wieder stärker, neue Stiche sind hinzugekommen und die Nacht wird wieder dementsprechend unruhig.

    Zähneputzen im Camp Nr. 5

    Blick in die Küche.

    Am nächsten Morgen geht’s uns wieder ganz gut, nach dem Frühstück sind wir recht fit. Der Blick auf die Karte verrät aber, dass die Strecke zu Platz Nr. 6 wieder nur mit vielen Höhenmetern, etwa so wie am vergangenen Tag, zu erreichen ist. Das trauen wir uns aber nicht so recht zu, hinzu kommt der schlechte Schlaf durch die juckenden Stiche und der Akku vom MP3-Player ist leer… Also beschließt der Familienrat die Tour abzukürzen und zum Auto nach Dernbach zu wandern. Hätten wir noch einen Ruhetag am Platz 5 verbringen können, wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Aber leider muss man nach einer Nacht den Platz wechseln. Wir packen unseren Kram und gehen den Weg zurück runter nach Eußerthal. Bergabgehen ätzt echt mehr als bergauf.

    Morgens sieht die Welt anders aus.

    Abkühlung im Bach - das tut gut!

    Zwischen Eußerthal und Dernbach liegt dann nur noch ein moderater Hügel, so dass wir ohne Zwischenfälle mittags das Auto erreichen. Genau die richtige Zeit, um die Pfälzer Gastronomie zu testen! Wir finden im Ort eine sympathische Gaststätte und lassen die Tour bei lecker Wildgulasch und Spätzle ausklingen. Die eheliche Unterhaltung besteht inzwischen zu etwa 40% aus „Na, juckts? Nicht kratzen!“ Erst die Recherche daheim klärt uns darüber auf, dass wir an diesen tollen Herbstgrasmilbenlarvenstichen leiden und dass das Jucken noch so 1-2 Wochen andauern wird. Na toll!

    Zurück nach Dernbach.

    Lecker Pfälzer Essen

    Fazit:

    • Allen hat es eigentlich Spaß gemacht, meine Frau kann sich nun auch längere Touren vorstellen (z.B. den E6)
    • Nur Laufen ist für Kinder langweilig, besonders als Einzelkind. Stimmt die Motivation, z.B. durch einen MP3-Player, sind ungeahnte Leistungen möglich
    • Das Gewicht muss weiter reduziert werden, besonders an Zelt  und Schlafsäcken, aber auch am eigenen Bauch
    • Herbstgrasmilbenlarven sind die Pest. Ein echter Spaßkiller. Unsere Hosen waren mit Nobite behandelt, die Haut mit Autan, hat alles nix gebracht. Und Azaron hilft nicht gegen das Jucken. So bald werde ich mich nicht wieder unüberlegt auf eine Wiese setzen…
    • Nur eine Handykamera dabei zu haben, ist auch irgendwie doof

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!