Beiträge von questor | hangloose

    Unter'm Strich bleiben als hard facts 11 Tage, 250km, 20.000+hm rauf und 19000hm runter.
    Was sagt die Ausrüstung dazu?
    So weit eigentlich alles bewährt. Bis auf die Fizans hat es auch alles unversehrt wieder nach Hause geschafft. Allerdings hatte ich auch traumhafte Bedingungen. Warm bis heiß, kein Regen tagsüber, nur eine gewittrige Nacht und erst am Abreisetag auf dem Weg zum Flughafen ein Wolkenbruch zur Verabschiedung.
    Ich habe meinen Temp. Logger mitlaufen lassen, anbei die Auswertung:

    Aber im Detail:
    Falls jemand Fragen zum ein- oder anderen Ausrüstungsgegenstand hat, gerne


    Hier die Packliste:
    https://www.geargrams.com/list?id=50502
    (Ich merke, für meine Listenansicht beim Packen sind die zahlreichen Kategorien praktisch, um die Liste zu teilen eher weniger)

    Der Reihe nach:

    Accessoires:

    • OR Echo Cap und noname Nackenschutz zum dran hängen sind ein Dreamteam gegen Sonne. In's Wasser gehalten kühlt das Cap auch angenehm lange, das Material ist luftig.
    • Fizan Stöcke: Warum auch immer die in dieser Kategorie gelandet sind. Tja...ich habe immer auf sie geschwört und gegen Skepsis verteidigt. Nun habe ich gleich beide auf ein Mal zerlegt - bei einem eher mäßigen Ausrutscher, aber eben blöd das Gewicht drauf gebracht. Gewicht...70kg. Ist allerdings auch schwer zu sagen, ob nicht vielleicht schon Vorschäden vorhanden waren - habe sie schon etliche Jahre. Eine wirkliche Alternative gibt es in der Gewichts- und Preisklasse ja nicht, von daher werde ich vermutlich wieder ein paar neue F's kaufen.

    Camp:

    • Das noch gerade so fertig gewordene Tarp hat sich gut geschlagen, on Ground wie über der Hängematte.
      Allerdings habe ich gar nicht erst versucht oberhalb der Baumgrenze mit beachtlichem Wind eine Halbpyramide zu stellen. 
      Die mangelnde Spannung von den Ecken zur Spitze ist und bleibt ein Problem der Bauform. 
      Auch die Tarp Worms und Hooks in Verbindung mit Gummiloops haben sich bewährt.
    • Die MYOG Stocktasche mit Teppichstopper Gummi für's Tarp verrutscht nicht - und das bei ordentlich Wind.
    • Die 120er Swiss Piranhas haben sich sehr gut gemacht, endlich eine zuverlässige und leichte Hering-Lösung für's Handgepäck
    • Die Sitzkissen von Dutch sind für das bekannte Noppenpattern besonders leicht. Tagsüber als Rückenpolster, nachts als Isomattenverbreiterung in der Hängematte im Schulterbereich. Kommen auf jeden Fall wieder mit. Als Sitzkissen brauche ich sie allerdings gar nicht.

    Clothing:

    • Auch die Armlinge gehören zu meinen Lieblingen. Leicht, UV Schutz, zur Kühlung nass gemacht, luftiger als ein Longsleeve. Nie ohne.Wenn ich mir Beine und Nase so ansehe, haben sie mir mal wieder einiges an Sonnenbrand erspart, die Hitze erträglicher gemacht und bei Kälte etwas Wärme geschenkt und unter der Windjacke das Kleben verhindert.
    • Die Beinlinge sind etwas wärmenderer Natur - hätte ich bis auf wenige Momente nicht vermisst, wer hätte es gedacht
    • Buff - ganz nett, aber auch meist zu viel. Die ein oder andere Nacht ganz nett, was am Hals zu haben, aber on Trail so gut wie nie getragen. Vielleicht fällt einem da für die Nacht noch was leichteres ein?
    • Windjacke wie immer Gold wert - Kapuze und full Zip sind ein echter Gewinn um das Temperaturspektrum zu maximieren
    • Isoschicht Race Smock - beim aus der Tür gehen doch noch panisch eingepackt, wäre ohne gegangen bis auf eine Nacht
    • Die Schlafsachen waren neu (Leggins&Longsleeve) war fast zu warm. Aber was gibt es leichteres, langes zum Schlafen?
    • Poncho habe ich nicht gebraucht
    • Die Schuhe sind gar nicht mit drauf gewesen merke ich. Innov8 Roclite schlagmichtot.
      Sind einigermaßen durch nach der Tour, würden vielleicht noch eine zweite überstehen, aber das Profil hat schon gut gelitten. Von den wirklich groben Stollen ist nicht mehr viel übrig, manche hat es regelrecht weg gerissen. Was ich bei der Brauereitour, wo ich sie erstmals getragen habe nicht gemerkt habe - Innov8 haben eine für meinen Geschmack viel zu enge Toebox. Auf der Tour wurden meine kleinen Zehen etwas Taub - und sie sind es noch immer! Obwohl sich der Schuh nicht unangenehm trug, waren meine Zehen einfach ungewohnt eng beieinander. Habe gerade ein paar Merrell gekauft, empfinde die Toebox auch als zu eng, aber weniger schlimm als bei Innov8. Beides kein Vergleich zu Vivo.


    Cooking:

    • Hobo - nur mit Spirituseinsatz genutzt, die Versorgung war besser als gedacht - und die Waldbrandgefahr gefühlt hoch. Zufrieden.Auch der Teelichtbrenner macht sich gut.
    • Der Cozy aus Bubble-Scheibenschutz war neu - durch wie immer zu gut gemeinten Tape-Einsatz erschreckend schwer geworden. Funktional super, vor allem für meine Ramen-Nudeln, die immer noch ein bisschen ziehen müssen. Ein Gewinn, wenn sie dann beim Essen noch ordentlich heiß sind.
    • Sawyer mini Filter: Ich habe zum ersten Mal mehr oder minder durchgehend gefitert. So unzufrieden wie viele hier bin ich mit dem Kleinen nicht. Mit sanftem Druck dauert es doch gar nicht soo lange.
    • Schabspachtel - erspart mir jede Menge Wasser beim Abspülen, respektive Abschaben.

    Food:

    • 3l waren ausreichend, weniger hätte es manchmal nicht sein sollen. Ich mag Platypus Flaschen, bei mir halten sie nun auch schon mehrere Jahre. Der Hyperflow Deckel macht das Trinken Trinkblasen-ähnlich. Leider sind mehrere meiner Hyperflow deckel leicht undicht, wenn nicht aufrecht stehend oder mit Druck auf die Flasche gelagert. On Trail kein Problem, da ich den Deckel eh immer auf die Flasche rotiert habe, die in einer der Seitentaschen zum Trinken war.
    • Ramen Nudeln: Wenn es etwas gibt, was ich mir nicht über essen kann, sind es Ramen Nudeln besserer Qualität. Vor allem die koreanischen sind spitze
    • Erbsenproteinpulver - als Müslizugabe gedacht - dickt die Flüssigkeit in den Nudeln an - eine Entdeckung in der warmen Küche.
    • Müsli - ich werde einfach kein Frühstückstyp. Habe inzwischen auf liquid meal umgestellt - VIEL besser. Nur für den Shaker muss ich mir noch was einfallen lassen.

    Hammock:

    • Erprobt und bewährt, Hängematte wie Aufhängung. Auch der Mod, einige der Schnüre zu verkürzen, um eine Überstreckung der Knie zu vermeiden wird beibehalten. Allerdings brauche ich noch ein paar haltbare Perlen dafür, die Plastikperlen hat es teilweise gesprengt.

    Pack:

    • Manchmal wünsche ich mir einen etwas längeren Rücken für den Rucksack - allerdings nur, um breitere Isomatten auch als Rückenpolster außen, nicht innen anbringen zu können. Neu waren diesmal Feinstrumpfhosen-Taschen an den Schultergurten. Für Sonnenbrille und Smartphone eine sehr schöne Ergänzung. Für kleinkram eher weniger, ich muss einen Bluetooth Kopfhörer verloren haben, höre eh meist nur mit einem.

    Personal Care:

    • Wirklich warm werde ich mit dem Azzblaster einfach nicht. Vielleicht habe ich einfach eine andere Anatomie. Meist ist er eher Ergänzung als alleiniges Reinigungsmittel.
    • Waschmittel habe ich nicht genutzt, bleibt nächstes Mal zu Hause wenn ich keinen Pausentag im Hotel plane.

    Sleep:

    • Die Isomatte ist die beste - die ich bisher gefunden habe. Die Breite ist super, im Rucksack schön versteifend. Leider durch die Hängematte nicht wirklich sinnvoll kürzbar. Die Suche geht weiter.
    • Auch der Windhard Quilt ist mittlerweile schon mehrfach erprobt. Ich steige gar nicht mehr aus dem Quilt, sondern direkt in den Mantelmodus, ehe ich die Hängematte verlasse. Bei diesen Temperaturen voll ausreichend. Ich bilde mir ein, dass er inzwischen etwas mehr Daune lässt als zu Anfang - vielleicht liegt es aber auch nur an der Leggins, die jede noch so kleine Daune festgehalten hat.
    • Auch die übergroßen Schlafsocken verhindern, dass es fußkalt wird, falls der Quilt mal durch die Hängematte etwas eingedrückt wird.
    • Was in der Liste fehlt ist mein Nackenkissen. Auch hier - erfüllt seinen Zweck bisher am Besten, aber die Suche geht weiter.

    Tech:

    • InReach: Zum Glück nicht gebraucht - außer für den Kopf in Anbetracht der vorab schwer einzuschätzenden Gegend.
    • Bindi Kopflanpe: Erster längerer Einsatz hat sich gut geschlagen, gefällt. Auch das Aufladen per USB in Verbindung mit Solarpanel.
    • Powerbank: zwei USB Ausgänge sind auf jeden Fall nice to have. Die Kapazität war auch gut. Was mir nicht gelunden ist, ist charge through mit dem Solarpanel. Das Telefon fing an zu laden, nach kurzer Zeit war es wieder vorbei, obwohl die Powerbank voll war. Es scheint also irgendwie auch von eingehenden Strom abzuhängen? Denn zu Hause an der Steckdose funktioniert es.
    • Solarpanel: Tja, Licht und Schatten. Hier hadere ich am Meisten.
      Zu Anfang begeistert, im Laufe der Tour weniger. Obwohl top Wetter, habe ich die Bank kaum noch komplett voll bekommen und musste doch anfangen, etwas mit Strom zu haushalten. Ich bin mir nie sicher, ob Winkel und Ausrichtung passen. Irgendwann kam ich mir vor wie ein Junkie - süchtig nach Sonnenlicht und ständig das Panel in die sich ändernde Sonnenrichtung haltend. Das weniger Stress durch vermeintliche Autarkheit und nicht mehr nach Lademöglichkeiten suchen zu müssen holt man durch Sonne-sammeln wieder rein.
    • Navigiert habe ich mit meinem Smartphone Xiaomi Redmi Note 5 - ein 4000mAh Akku - ein Traum. Dazu Locus, alles wunderbar.
    • Was in der Liste fehlt sind meine Bluetooth Kopfhörer QCY, bzw. VAVA. Das kabelfreie ist top, da das Fon mal in der Hosentasche, mal in der Seitentasche, mal in der Hand ist. Ich höre ausschliesslich Podcasts - mit nur einem Knopf im Ohr. Dadurch setze ich das Paar alternierend ein, wenn der eine Akku leer ist und lädt, komt der andere Knopf zum Einsatz. Setzt natürlich Strom und damit gutes Wetter voraus.


    Vermisst habe ich nichts wirklich - wirklich zu viel dabei war auch nichts, so weit, so zufrieden - fast schon beunruhigend :)

    Ein halbes Jahr später bei Dussmann. Irgendetwas sagt mir, man sollte schnell sein mit Georgien...


    Und noch etwas Nachklapp zum Mestia-Ushguli Touristenmolloch...https://ze.tt/georgien-wie-d…nd-kaputt-macht

    Noch ein bisschen Leben

    Beeindruckende Wodka-Auswahl in der Kühlung, also 'to-go'

    It's a business! 1x wiegen 20 Tetri (Kutaisi)

    Trinken? Löffeln? Sonstiges?

    Loses Gefriergut, da können wir uns eine Scheibe abschneiden

    Marktleben

    Auch Waschmittel gibt's lose

    Acharuli Khachapuri (mit Ei)

    Der 400° Ofen, aus dem das Brot kommt (in der ältesten Bäckerei Tbilisi

    Der 'Knauf' der Chinkali wird nicht mitgegessen, ist bei bestecklosem Essen nur der 'Griff'. Bei Fressewttbewerben, werden die übrigen auf dem Teller gezählt


    I have simply no idea!


    Ein bisschen Söder ist vorhanden, oder?

    Akkurat die Laufgeschwindigkeit abgebildet, mit der man manchmal Straßen queren muss

    Guess the brand

    Deutsche Einflüsse

    Viel spannender finde ich persönlich ja das unperfekte - und davon gibt es in Tbilisi durchaus noch mehr als genug - im herrlichen Architekturmix. Unglaublich viele Straßen und Gassen, die zum entdecken einladen. Zum Teil ist die Substanz allerdings derart verfallen, dass kaum noch etwas zu retten ist. Die Rekonstruktion ist zum Erhalt der Stadt also durchaus begrüßenswert, der Stil diskutabel.

    #facesinthings?

    Die folgenden 1,5 Tage bestanden aus Stadterkundung und Fresserei, ich gehe mal von Chronologie auf Kategorie über:

    Da wäre: Beeindruckende, alte Architektur verschiedenster Einflüsse. Tbilisi wurde so ziemlich von jeder Nation mal erobert, zerstört, geplündert, wieder aufgebaut, multi-kulti ist in der DNA der Stadt fest verwurzelt. Die einzige Moschee, in der Schiiten und Suniten gemeinsam beten steht in...Tbilisi. Neben Synagogen und orthodoxen Kirchen.
    Auffällig inzwischen: Der zunehmende, instandgesetzte Teil. Es werden mittlerweile von staatlicher Seite ganze Straßenzüge kernsaniert. Allerdings derart perfekt, dass keinerlei Patina und Charakter erhalten bleibt und ein leichter Disneyland-Charme entsteht.


    Ab nach Tbilisi:

    Die Marshrutka (danke @Mittagsfrost) kam tatsächlich pünktlich morgens um 7 und sammelte mich am Straßenrand ein. Von da aus ging es nach Lentheki - und von dort nach Kutaisi und dann nach Zugdidi weiter. In Kutaisi hatte ich mir für die letzte nach vor dem Flug bei Anreise bereits ein Zimmer gebucht, da ich noch nicht sicher war, wie sich das so mit Empfang in den Bergen verhält und wie knapp ich eigentlich wieder zurück sein würde. Dort schlug ich kurz auf, um einen Teil meiner Ausrüstung zu deponieren, die ich nicht mit nach Tiflis schleppen wollte und zog weiter nach Zugdidi. Der Nachtzug fuhr erst am späten Abend, ich schlug mir also noch einen halben Tag in einem eher übersichtlichen Städchen um die Ohren. Aber der Nachholbedarf an allerhand Fresserei und die üblichen Podcasts ließen die Zeit irgendwie verstreichen.
    Ich hatte im Guesthouse die Nacht zuvor eine Restaurantempfehlung bekommen, wo ich mich die letzten Stunden noch herumschlug und ein paar französische Radreisende traf, die auch auf den Nachtzug warteten, was die Zeit verkürzte. Wir teilten uns verschiedene Spezialitäten (baje, eine Soße aus Walnuss ist eine spannende Entdeckung) und tauschten Reiseerlebnisse aus.
    Der Nachtzug in der 2. Klasse, die 1. war entweder ausgebucht oder auf dieser Strecke gar nicht vorhanden, bestand aus 4 gepolsterten Pritschen. Preislich lag die Fahrt über Nacht bei unter 5€. Ich hatte noch irgendetwas für einen Lari dazugebucht, ohne verstanden zu haben, was es war - es entpuppte sich als Einweg-Bettwäsche - gott sei Dank, ansonsten wäre nichts dabei gewesen.
    Ich teilte mir das Abteil mit drei älteren einheimischen, viel Kommunikation war nicht möglich und ich legte mich bald hin.
    Es war verdammt heiß im Abteil (das Wetter im Flachen war tagsüber noch um und bei 30°), die Nacht war eine ziemliche Schwitzpartie. Ich bin in Europa ab und an mal Nachtzug gefahren, hatte das seichte Geschaukel genossen und freute mich schon auf die Fahrt. Nun ja - Georgien ist Bergig, die Schienen anscheinen nicht mehr die Neuesten - die Fahrt war mehr Bremserei als Schaukelei, Genuss ist anders.

    Tbilisi:

    Im frühen Morgengrauen angekommen, begrüßte uns der Hauptbahnhof im grauen Charme

    Mein Hostel lag einen längeren Fußmarsch entfernt, ich machte mich auf den Weg und sog einen ersten Eindruck der Stadt in mich auf.

    Mein Hostel, ich hatte irgendwo mal einen Tipp aufgeschnappt, entpuppte sich als Hipsterhölle erster Güte.
    Eine alte Nähmaschinenfabrik aus Sowjetzeiten, die zum Vergnügungsareal mit Bars, Restaurants und Geschäften ausgebaut wurde - eieiei.

    Da ich noch nicht einchecken durfte, ohne den Anteil des laufenden Tages on top zu zahlen, machte ich mich auf den Weg, die Stadt zu erkunden.

    Da ich nicht vor hatte, man-made sightseeing zu betreiben, und mich noch in irgendwelche Städte zu begeben, bin ich abgerissen, wie ich aus den Bergen kam in Tbilisi gelandet - eine interessante Erfahrung, mit Odor und Look eines latent obdachlosen durch die Stadt zu irren.

    Und der letzte Tag in den Bergen

    Tag 11: "Der A-soziale Abstieg"

    Eckpunkte:
    Ushguli -> Latpari pass -> Chvelpi
    25,5km, 1243hm up, 2237hm down, höchster Punkt 2960m

    Endlich mal wieder alle Geräte über Nacht durchgeladen, fühlt sich gut an.Zumal ich noch nicht so echt weiß, wo ich eigentlich hin will heute. Da ich gut zwei Tage schneller als gedacht unterwegs war, stellt sich die Frage, was ich bis zum Rückflug noch anstelle.

    Die Route lässt sich kaum noch verlängern, ich bin bereits meine längste Option gelaufen. Es gäbe wohl noch die Option, aus der Svaneti Region nach Racha weiter zu laufen. Nur um dort wieder in Zivilisation mit Option auf Transport Richtung Flugplatz zu landen ist der Zeitpuffer dann auch wieder nicht ausreichend.

    Also doch noch man-made Sightseeing? Batumi - also Meer und Sonne und Erholung, allerdings auch eher georgisches bling bling Las Vegas für reiche Russen und Türken - oder doch noch irgendwie nach Tblisi - sicher spannend, aber halt auch gute zehn Stunden entfernt. Na erst mal Richtung lower Svaneti raus aus den Bergen. Eventuell mache ich noch auf dem Pass Station, die Bergseen klingen interessant - und ich habe ja auch wieder einen Stock, um mein Tarp aufstellen zu können.

    Die Nacht war auch im Zimmer bereits einigermaßen kühl, obwohl ich unter einer zentnerschweren Decke begraben lag. Im Winter muss es hier wirklich frisch werden. Ich genieße die nette Aussicht aus dem Zimmer, während ich zusammenpacke.

    Ich ziehe los, auf in Richtung der Bäckerei, Puri kaufen, leider von gestern, Touris galore.

    Dann noch ein bisschen Dorf gucken, bis ich mich gegen 8:30 dann wirklich auf mache.

    Die 3l Wasser wiegen, der letzte steile Pass meiner Tour wartet, die Sonne ist schon oben. Im Anstieg gen Pass irre ich tatsächlich zum ersten Mal nach zehn Tagen auf einer Wiese wirklich umher. nach etwa einer halben Stunde wird klar, ich habe mich am falschen Fluss orientiert, vermutlich hat das Wasser die Betten gewechselt. Was noch in der Karte als größerer Bach verzeichnet ist, ist jetzt ein kaum merkliches Rinnsal - und vice versa.

    Direkt nasse Füße vom Morgentau - na was soll's, feuchtes Schuhklima war ja gestern auch ganz angenehm.

    Dann kommt mir beim Aufstieg ein übereifriges deutsches Paar auf dem Rückweg entgegen. Sind um 6:30 gestartet, waren schon "oben". Ich amüsiere mich immer, wenn ich Paare treffe. Es ist doch meist nicht schwer, zu raten, wer der beiden der wanderbegeisterte und wer der kompromissbereite eher medium motivierte Beziehungsteil ist, der gute Mine zum anstrengenden Spiel macht. In dem Fall ist es auf jeden Fall der hyperaktive, männliche Teil, der in aller Frühe zum Fotos machen hinauf musste - Gesichtsausdruck und physische Verfassung der weiblichen Begleitung sprechen Bände. Was sie mit oben meinen, bleibt unklar. Ich nehme an, das erste Plateau. Der eigentliche Latpari Pass ist eher so 4-5h one way. Es gelingt mir abermals, nicht als deutscher enttarnt und fraternisiert worden zu sein - midwest accent ftw!

    Weiter geht der Aufstieg, bis ich das erste Plateau erreiche, von woher das Paar wohl wieder abgestiegen ist. Lagerfeuer Müllverbrennungs-Taschentücher-überall-Romantik - Jikes, nichts wie weiter.

    Kurz vor dem Gorvashi Pass eröffnet sich grandiose Aussicht auf die schneebedeckten Gipfel ringsum. ich halte inne, sauge das wohl letzte majestätische Panorama auf, mache Fotos.

    Zwei Tschechen steigen auch auf, wir treffen uns kurz darauf am Pass, als sie ihr Zelt von letzter Nacht trocknen. Vater und Sohn meinen es wohl auch ernster und suchen eher die Ruhe der höheren Erhebungen und sind froh, dem Trubel unten entflohen zu sein. Sie wollen vom Pass wieder zurück in's Gebiet, ich gebe Ihnen noch den Rat, eher gen Westen zu gehen, wo doch deutlich weniger los war und ziehe weiter.


    Es folgt ein toller Gratweg, inklusive der Seen, von denen ich schon gelesen hatte.

    Ich bin fast ein bisschen wehmütig beim Blick zurück. Die Landschaft und Leute haben doch einen bleibenden Eindruck hinterlassen - das Ende kommt irgendwie immer etwas unvorbereitet. Aber der morgendliche Gedanke, hier noch Station zu machen ist schnell verflogen der Wind zieht unerbittlich über den Grat, Zeltreste einer eher ungemütlichen Nacht am Seeufer raten davon ab, es sich hier bequem zu machen. Zumal ich bereits relativ zeitig hier oben bin und eher noch Lust zu laufen verspüre. Also geht es abermals weiter Richtung Latpari und dann Chvelpi. Unterwegs suche ich nach Guesthouses und versuche per Telefon und SMS herauszufinden, ob sie wissen, wie ich von Chvelpi Richtung Kutaisi oder Zugdidi komme. Auch hier, auf etwa 3000m abermals blendender Empfang, der aber auf der anderen Pass Seite, die in's weniger touristische Tal deutet schnell verschwinden sollte.

    Gen Pass ist dann tatsächlich noch etwas mehr Gekraxel angesagt, dann bin ich oben.

    Auf der anderen Seite wird direkt die Schotterstraße sichtbar, die sich in endlosen Serpentinen über 2000hm gen Tal schlängelt.

    Ab dafür, was soll's. Die Oberschenkel machen recht schnell dicht, eine ätzende Schinderei, dazu Sonne frontal.

    Zwei Autos kommen in meine Richtung von oben, leider habe ich diesmal kein Glück. Das eine holt nur direkt unterhalb Wasser, das andere ist voll - und nicht so wirklich daran interessiert, mich noch irgendwie hinein zu quetschen.


    Es nimmt kein Ende. Ein paar schattige Fleckchen, Podcasts und die ein oder andere Brombeere machen es irgendwie erträglich, aber wäre ich gläubig, müsste ich nach der ebenso endlosen Flucherei die Strecke entlang wohl reichlich abbitte leisten. Irgendwann unten angekommen geht es Richtung Guesthouse, die Marshutka fährt angeblich direkt früh um 7 und würde für mich am Guesthouse halten. Kommt mir alles noch etwas suspekt vor, zumal die Kommunikation nicht ganz einfach war - und ich ansonsten keine verlässlichen Infos über die Verbindung aus Chvelpi finde. Campoptionen im Tal gibt es eh keine, es besteht quasi aus Fluss, daneben liegender Straße (brandneu und breit, auf den ~3km wird mir nicht ein Auto begegnen) und daneben liegenden Häusern.

    Die Häuser hier sind alle ziemlich riesig. Vermutlich mal von mehreren Generationen bewohnt - mittlerweile zieht die Jugend weg, sobald sie kann, da ist Platz für Touristen. Viele sind auch ganz verlassen.

    Ich finde nach etwas Sucherei das Guesthouse und nach etwas Gefeilsche mit Proxy über die auch nicht viel mehr dem englischen mächtigen Tochter und anfänglichen Mondpreisen sind wir uns schnell handelseinig und ich ziehe im wohl ehemaligen Jugendzimmer des Sprösslings ein. Ich genieße die Dusche, staune über die Tonnen an Staub, die ich mir von der Haut und aus den Atemwegen spüle. Die Hausherrin macht sich auf in die Küche, das Abendessen herrichten, ich recherchiere inzwischen meine Optionen für die nächsten Tage. Aus Zugdidi fährt tatsächlich ein Nachtzug nach Tiblisi - unglaublich günstig ist er auch noch. Also los. von hier geht es morgen nach Latpari, von dort kommt man nach Kutaisi, von wo aus ich ja bereits schon einmal nach Zugdidi gereist bin von wo aus der Nachtzug fährt. Den Zug kann man sogar über eine mobile App buchen, die im Gegensatz zur Webseite von Georgian Railways sogar funktioniert. Dann noch ein Hostel in Tiblisi gebucht und ich bin reisefertig. Herrlich, was mittlerweile alles möglich ist mit dieser Glasplatte in der Hosentasche.

    Mir wird ein Mahl vorgesetzt, als würde eine ganze Tafel erwartet. Katchapuri, Bohnen, Salat, Fritten, Käse, Brot, das volle Programm.

    Später trifft noch ein entfernter Verwandter aus Tiblisi ein, der mit freunden ein paar Tage in seiner alten Heimat wandern möchte. Wir tauschen Tipps aus, Svaneti gegen Tiblisi und trinken reichlich großartigen georgischen Wein. Sie sind tatsächlich die bald 400km beschwerlicher Strecke getrampt - in zwei Tagen. Probleme, mitgenommen zu werden scheint es selbst zu dritt mit Gepäck und Gitarre nicht zu geben. Sie bekommen die selbe Kombo wie ich vorgesetzt - schön zu sehen, dass man hier auch nicht anders als die eigene Sippe verköstigt wird. Später werden noch ein paar Songs zum besten gegeben (Man kann hier leider kein Audio hochladen, DL1JPH? daher hier also erstmal keine Atmo im mehrdimensionalen Reisebericht,) bis wir uns vernunfthalber gen Betten verabschieden, da es morgen für uns alle ein langer Tag werden sollte.

    Endlich wieder etwas Muße

    Tag 10: "Licht und Schatten"

    Eckpunkte
    hinter Chvabiani -> Aidishi -> South Karetta Pass -> Ushguli
    29km, 2407hm up, 1754hm down, höchster Punkt 3000m


    Um 7:40 komme ich los. Da ich direkt in der Steigung hinter Chvabiani genächtigt hatte, geht es direkt wieder steil los.

    Kurz nach starte, kommen mir zwei Riesenköter entgegen. Erst bin ich etwas besorgt, dann wird mir klar, dass auch die beiden mich schon wieder zum Auslauf nutzen wollen.

    Während der kleine Vertreter von gestern wenigstens munter vorneweg lief, sind die beiden heute nicht die hellsten Kerzen auf der Torte. Der Pfad ist schmal, was sie aber nicht davon abhält, stehen zu bleiben, sich nach vorne und nach hinten wieder und wieder an mir vorbei zu drängeln. Ich bin genervt, irgendwann verschwinden sie - endlich. Ich komme an einer ungewohnt kunterbunten Schweinefamilie vorbei. Der eine Elternteil sieht eher nach Wildschein denn nach Hausschwein aus, interessant.

    Irgendwann komme ich über eine Kuppe - und stehe plötzlich auf einer breit planierten Fläche, die sich als brachiale Schneise einer Skipiste samt Lift entpuppt.

    Damit bin ich wieder auf dem offiziellen Pfad, den ich in Chvabiani verlassen hatte. Ich stapfe eine Weile hinauf, sehe an einem Abzweig etwas in der Ferne einen Spätaufsteher beim Packen, dann geht es endlich von der Piste ab. Der Weg ist flach und ausgetreten, hat eher Spaziergangscharakter. Ich komme an einem Camp einer Gruppe vorbei, die direkt am Weg auf einer offenen Wiese auf der Erhöhung das Nachtlager aufgeschlagen hat. Schöner Suizidversuch in Anbetracht des Gewitters gestern denke ich mir noch, während ich vorbei ziehe. Es geht sehr moderat weiter, ich kann endlich mal wieder tempo machen, bin aber auch etwas baff, wie wenig fordernd der Trail auf diesem Abschnitt ist, handelt es sich doch um den berühmten Mestia-Ushguli Teil.

    Die Taschentücher allenortens und die kleinen, allerdings geschlossenen 'Bars' (Holzverschläge am Wegrand, die Getränke verkaufen) sprechen jedoch für die Popularität.

    Ich lande in Aidishi, ein durchaus hübsch anzusehendes Dörfchen.

    Dort ist eine ganze Gruppe mit Riesenrucksäcken abreisebereit, die wohl in einem der Gueshouses genächtigt hat.

    Ich shoppe mir in einem Guesthouse ein Puri 'to go', verbuche das vierfache des üblichen Preises und das ausnehmend kleine Brot mal unter der vermeintlichen Abgelegenheit des Ortes - von der Wanderautobahn, die hier durch läuft mal abgesehen.


    Weiter geht es parallel zum Fluss, den es ein paar Kilometer nach dem Ort zu queren gilt.

    Auch hier komme ich an weiteren Wanderern vorbei, die auch umm 11:30 noch nicht wirklich in die Gänge gekommen sind und es scheinbar auch nicht weiter eilig haben.


    An der Querungsstelle herrscht hochbetrieb, hier sammeln sich die Wanderer, Pferde schleppen Wanderer Samt Gepäck hinüber.

    Der Gletscher, dem der Fluss entspringt ist in Sichtweite und verspricht ein durchaus kühles Nass. Die Fließgeschwindigkeit ist definitiv hoch, aber jetzt am Morgen erscheint mir ein Furten bei noch niedrigem Pegel und um diese Jahreszeit machbar.
    Ich gehe auf- und ab, entscheide mich irgendwann für eine Stelle etwas oberhalb. Es ist machbar, aber ohne Stöcker (R.I.P) gar nicht so ohne. Das Wasser ist wahrlich arschkalt und hat ordentlich Zug. Für ein, zwei Schritte kann ich das Zerren der Strömung gut spüren, breiter Stand, und tiefer Schwerpunkt sorgen gerade noch dafür, dass ich mich halten kann. Auf der anderen Seite muss ich erst mal raus aus den Schuhen, Sand ausspülen und in mein trockenes paar Socken steigen - brrr!

    Dann geht es direkt wieder hinauf Richtung Chkhunderi Pass. im unteren Teil ergibt sich ein toller Blick auf den wirklich imposanten Gletscher, ansonsten ist der Weg wie zuvor. Ausgetreten, vielbegangen und über und über markiert mit Taschentüchern.

    Ein Mal werde ich sogar gebeten, kurz zu warten, weil da vorne noch jemand mitten dabei war, diese zu benutzen, ich kann mir nur noch ein 'disgusting' abringen. Alles etwas abstoßend, ich freue mich schon, im nächsten Tal wieder auf weniger begangene Pfade abzubiegen. Bis zum Pass werde ich 15 Leute wieder eingesammelt haben, dort oben noch mal eine Gruppe deutscher Teenies, auf dem Weg nach unten in's Tal noch mal 15.
    Zwei Briten kommen mir entgegen, sichtlich erschöpft und etwas mitgenommen. Ein bisschen Laurel&Hards in Wanderklamotten, der Hardy der Beiden mit einem ordentlich verbogenen, einzelnen Wanderstock. Es stellt sich heraus, dass sie auch über den South Karetta Pass gekommen sind, den ich anpeile. Sie raten mir ab, weglos, schwierig, keine anderen Leute etc. etc. - klingt genau richtig!
    Beim Absteigen kann ich in der Ferne noch einen Riesenrucksack mit Beinen vor mir erspähen. Es sieht derart lustig aus, dass ich mich beeile, um mir das aus der Nähe anzusehen. Ich komme leider etwas zu spät und kann leider nur noch ein Bild der kafkaesk-erschöpften Trägerin mit Ihrem am Boden liegenden Monstrum machen. Gregor Samsa wäre stolz!

    Dann verabschiede ich mich endlich wieder vom Wanderzirkus und biege in Richtung South Karetta Pass ab, während die Wanderautobahn bis Ushguli weiter im Tal verläuft. Schlagartig ruhe, nur noch Flussgeplätscher, keine Taschentücher mehr, herrlich. So schauerig, wie der Hauptweg zwischen Mestia und Ushguli, so schön die Alternative.

    Der Anstieg beginnt direkt ganz ordentlich, irgendwann zwänge ich mich dazu durch dichte Rododendron? Felder. Gen pass wird es noch mal steiler, dazu etwas rutschig auf leicht feuchtem gras. Von oben kommen drei Wanderer über den Pass. Sie entpuppen sich als Tschechen, wir plaudern etwas, sie flüchten genau wie ich in die höheren Lagen, um dem Wandertrubel im Flachen zu entgehen. Auch sie haben einen Hund im Schlepptau und amüsieren sich genau wie ich darüber, zum Auslauf benutzt zu werden.

    Am Pass ist es leider wieder etwas wolkenverhangen, nur kurz kann ich immer wieder die weißen Gipfel ringsherum erahnen.
    Der Abstieg ist ebenso steil, rutschig und wenig begangen. Nur per GPS finde ich zurück auf den Weg, der nicht immer erkennbar ist.

    Es klart noch etwas auf, die Abendsonne gibt eine schöne Stimmung. Eigentlich war der Plan, vor Ushguli mein Lager aufzuschlagen. Jedoch sind Bäume Mangelware und die Umgebung steil.

    Dann komme ich im Tal an, wieder geht es parallel zum Fluss aud einer dirt road. Hier ließe sich ein Bodencamp aufbauen - unbequem, feucht und voll einsehbar zwischen Straße und Fluss. Ich entscheide, bis Ushguli zu gehen und mir dort ein Zimmer zu nehmen - und hoffentlich etwas ordentliches zu futtern. Meine Stromversorgung ist zudem auch etwas im Keller, heute war mit dem Panel bei Wolken kein Blumentopf zu gewinnen, da kann es nicht schaden, mal alles durchzuladen.

    Als ich in Ushguli ankomme, gibt die Abendsonne gerade noch ein paar Strahlen ab - ich laufe noch etwas herum - beeindruckend, diese Menge an Türmen vor bergige Kulisse.

    Aber auch gruselig touristisch. Jedes Haus ein Guesthouse, dazwischen ein paar gar nicht mal so kleine Hotelklötze. Ein harscher Kontrast zur eigentlichen Dorfstruktur. Ich werde mehrfach angesprochen, ob ich nicht in dieses oder jenes Guesthouse möchte. Vor einem kleinen Geschäft und einem Bäcker trifft sich die Dorfjugend, Bier Fließt in Mengen, Sportzigaretten werden herumgereicht.

    Direkt daneben steht ein Polizeiauto. Ich kaufe mir die nächste Limo - Estragon. ESTRAGON! Was für eine Entdeckung! Bis ich Georgien in ein paar Tagen verlasse, werden etliche Liter dieser Grünen Plörre in mich hinein gelaufen sein.

    Ich will erfragen, wann der Laden morgen öffnet, um hier morgen aufzustocken und ein Puri zum Frühstück zu besorgen.
    Die Besitzerin pfeift ihren Sohn vom Saufgelage heran, der übersetzen muss. Ich schätze ihn auf 18,19, spricht gutes Englisch - und ist derart stoned, dass ich staune, dass er noch nicht schwebt. Wir unterhalten uns ein Weilchen, ich erfahre unter anderem, dass Gras hier gerade erst vor ein paar Wochen legalisiert wurde (https://en.wikipedia.org/wiki/Cannabis_in_Georgia_(country)) sieh an.


    Ich schaue mir zwei Guesthouses an, nehmen sich alle nicht viel. Leider ist ein eigenes Bad eher die Ausnahme, aber ich bin eh der einzige Gast. Dazu ist es inzwischen bereits spät geworden, die Küche wird für mich nicht mehr angeworfen. Na gut, dann eben wieder Ramen. Dann eine genüssliche heiße Dusche und ab in's Bett. Ich schlafe passabel, wenn auch weniger gut als in der Hängematte.

    Also zurück und seitlich runter zum Abstieg nach Lakhiri. Es ist steil, größtenteils weglos, teilweise über alte, kaum noch erkennbare trails. Der Grat teilt sich mehrmals, ohne den GPS Track wäre ich nicht nur ein Mal sonstwo gelandet.

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    Die Füße leiden abermals, rutschen in den Schuhen auf bereits seit ein paar Tagen nicht mehr wirklich angenehme Sohlenstellen. Die Wiese ist in voller Blüte - und alles möchte in meine Schuhe und mitgetragen werden. Dafür gibt es Blaubeeren ohne Ende.


    Am Auslauf des Grats wird es waldiger, erste Blicke auf Lakhiri ergeben sich.

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    Nach insgesamt 7h bin ich in Lakhiri. Was für ein Kontrast zu Mestia. Ein gottvergessenes Dorf, nur wenige Meter von der Wanderautobahn zwischen Mestia und Ushguli. Zahlreiche Türme, null Touristen, nur alte, gebückte Muttchen.

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    Habe ich eigentlich schon von den ungewohnt anzuschauenden Kühen berichtet? Da wird einem erst mal klar, mit was für eindimensionalen Züchtungen wir es zu tun haben. Tiger gefällig? Oder lieber grau und zottelig? Für jeden was dabei!

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    Dann treffe ich auch schon auf besagte Wanderautobahn im Tal. Jedes Haus ein Guesthouse, Bars, Shops. In den Vorgärten erholen sich die Teilzeitwanderer von den Flachlandstrapazen des Vormittags.

    Ich mache nur kurz Pause an einem Dorfbrunnen zum Wasser auffüllen und ziehe mir in der Bar daneben die nächsten spannenden Geschmacksrichtungen der Ostblocklimo, dann mache ich weiter. Bisheriger Favorit: Birne!

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    Immer wieder quatscht mich jemand voll, gerne auch nicht mehr ganz zurechnungsfähig: Wasser kaufen, hier schlafen, da Essen, dort Taxi - neee, madloba.

    Bedenklich, wie gewandelt die Leute hier sind. Von freudigem winken und irgendwie kommunizieren und etwas erfahren wollen weiter im Westen zu anstrengenden und auch noch schlechten Salesversuchen hier in der Gegend.


    Ich laufe schon wieder eine halbe Ewigkeit auf der ekelhaft staubigen aber optisch mit betürmten Dörfern durchaus hübschen Strecke im Tal, da trabt auf ein Mal der Köter wieder neben mir, guckt hoch, grinst wieder - als wäre nichts gewesen.

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    OK, jetzt bin ich echt baff. Mich auf dem Grat wiederzufinden, OK. Aber Nach Stunden über den weglosen Seitengrat sightseeing aka Türme anschauen kreuz und quer durch's Dorf und dann noch mal ein paar Stunden im Tal? Abgefahren, was für ein Stalker!

    Nun läuft er wieder vor und hinter mir, als wäre er nicht weg gewesen, komisches Tier! In den Dörfern kläffen andere Hunde den Fremdling auf vier Beinen an, laufen ihm nach, er interessiert sich nicht groß für sie. Ich peile langsam an, ein Nachtlager zu suchen. Es zieht sich etwas zu, der Regen, der für Nachmittag angesagt war, wird wohl am Abend kommen. Wie sich der Köter das wohl vorstellt?

    Ich - oder besser wir laufen durch Chvabiani langsam wieder bergauf, weg von der Autobahn, ich ziele auf ein Fleckchen größerer Kiefern auf einem Hügel, die Hängepotential haben dürften. Da kommt uns ein Minivan entgegen - das bekannte, neuere, asiatische Fabrikat, rechtsgelenkt, verstrahlt?

    Der Van hält, der auch nicht mehr ganz klare Beifahrer quatscht mich an. Ich erwarte den nächsten Sales pitch. Da geht die Schiebetür auf, Einsatz millennial Mädel: "Du ju spiek inglischhh? Hav Ju siehn tzree tschörmanz?"

    Ich bin von der Brilianz der Frage fast sprachlos: "Do they carry a flag? This area is full of Germans!"

    "No, wis a gitar on zhe back"

    "No girl, wrong film, sorry." Ich gehe weiter. Der Van rollt den Hügel hinunter, ich sehe ihn noch am nächsten Guesthouse stoppen und höre sie Namen rufen. Der Köter fand den Van wohl spannender als mich, jedenfalls trabt er lieber ihm in die entgegengesetzte Richtung hinterher. Komisches Tier, es sollte unsere letzte Begegnung sein.

    Herje, ganz Georgien ist ein deutscher Teenie Selbstfindungstrip! Ganz Gallien Georgien? Nein. Ganz einfach höher steigen. Dahin, wo sich das Verhältnis Schweiß zu Instastory Likes der 24/7 Foto- und Videodokumentation des grandiosen Abenteuers nicht mehr rechnet. Da ist man ganz schnell allein - und zwar völlig.

    Der Fleck Kiefern passt, Blick auf das Tal in Abendsonne ist auch vorhanden.

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    Ich baue den Tarpbunker auf und wappne mich für Regen und mehr.




    Dann kochen, etwas Körperpflege, es dunkelt - und tröpfelt auch schon just im Moment, in dem ich mattenfertig bin. Also ab unters Tarp, dem Unwetter lauschen. Ein paar Mal blitzt und donnert es recht unmittelbar und auch später weiter weg sind die Blitze in der Dunkelheit und die Donner in der Stille nicht zu ignorieren. Zu Anfang bin ich noch etwas besorgt, ob auch alles hält, kräftige Böen Drücken und zerren hier und da. Doch es macht alles einen passablen Eindruck und so halte ich noch die Gedanken des Tages fest, sehe mir die nächsten Tage an und schlafe relativ früh.

    Nachts werde ich immer mal von Böen wach, es hat aufgehört zu regnen - ich beschließe, der Eigenkonstruktion zu trauen und freue mich, dass das Tarp gleich wieder trocken gepustet wird und nickere immer wieder direkt weg.

    Tag 9: "Stalking am Höhepunkt!"

    Eckpunkte
    Ruine hinter Mestia -> Chkhuti Ridge -> Lakhiri -> hinter Chvabiani
    19km, 1800hm up, 1700hm down, höchster Punkt 3160m

    Die Wolken sind vorüber und geben einen schönen Blick auf Mestia frei.

    Ich schaue auf's Telefon und kann meinen Dusel kaum fassen. Jozef hat geantwortet, es existiert tatsächlich ein GPS Track für den seitlichen Abstieg vom Chkhuti Grat! Ich feiere den ganzen morgen über und komme voller Tatendrang um viertel vor Acht los.

    Zu beginn geht es noch seicht hinauf, die Blicke in's Tal werden sogar noch besser. Ich bewundere besonders den Flughafen im tiefen, schmalen Tal - das muss ein wahrlich spannender Anflug sein.

    Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass es nichts besseres als ein Hosentaschenvorgewärmtes Snickers an einem kühlen Morgen gibt, nachdem man ein Weilchen gegangen ist? Nun denn - Mahlzeit.

    Ich laufe und kaue so vor mich hin, da trabt plötzlich ein Köter wie selbstverständlich neben mir her, guckt dabei hoch, die Lefzen scheinen zu grinsen. Im ersten Moment denke ich noch an einen anderen Wanderer, dem die Töle zuzuordnen ist, schaue mich um, doch nichts. Habe ich schon erwähnt, dass ich Hunde nicht sonderlich leiden kann? Na was soll's. Bisher müffelt es nicht, er läuft mir nicht vor die Füße, reibt sich weder an mir, noch wird die nasse Nase in Hautkontakt gebracht oder Lärm gemacht, ich lasse ihn gewähren, finde die Kuriosität doch auch etwas unterhaltsam.

    Der Anstieg wird deutlich steiler, gut, dass das Snickers schon Intus ist und Wumms liefert. Ich habe ein Weilchen überlegt, wie man wohl anschaulich dokumentieren kann, was jeweils steil bedeutet, nachdem es mir fotografisch einfach nicht gelingen will, das Ganze adäquat abzubilden. Am ehesten fasst es in diesem Fall wohl die Kategorie 'Fersen-nicht-mehr auf-den-Boden-steil'.

    'Wir' kommen auf ein größeres Wiesenplateau. Als es durchschritten ist, kann ich am anderen Ende andere Menschen erkennen - mit Hund. Das bleibt auch von meinem aufgenötigten Begleiter nicht unbemerkt, da kann ich natürlich nicht mithalten und er trabt wieder zurück in Richtung des anderen Vierbeiners. Fast bin ich etwas Egogekränkt, mag es mir kaum eingestehen, schließlich mag ich doch keine Hunde!

    Nun geht es rauf auf den eigentlichen Anstieg des Grats. Im Angebot: Aussicht, Stille, Sonne, Blaubeeren. Die zunehmende Höhe und der schmale Grat ermöglichen mehr und mehr Rundumblick, ein wirklich großartiger Aufstieg.

    So geht es wohl gut 1-1,5 Stunden Bergauf. Als ich wieder mal innehalte, um mich nach üppigen Blaubeeren zu bücken, da plötzlich die Töle wieder lefzen ziehend-grinsend neben mir, läuft etwas vor und legt sich auf den Pfad in den Schatten. Zunächst bin ic etwas erstaunt, dass er mich wieder gefunden hat, allerdings, wenn ich so überlege - Meine Fährte nach 9 Tagen Geschufte ist wahrscheinlich für eine Hundenase in etwa so dezent wie ne Frittenbude in der Bahnhofsunterführung. Aber das Erfolgserlebnis, mich wiedergefunden zu haben scheint ihm dann auch schon genug zu sein, er bleibt liegen, ich ziehe weiter.

    Weiter bergauf, lande irgendwann recht deutlich rechts des Grats. GPS Kontrolle - der Track liegt links. Super, also Steilhang bergauf auf allen Vieren. Auf einem Grat vom Weg abkommen ist auch eine Leistung, muss man erst mal schaffen - gratuliere!

    Langsam ist mir nach Pause, aber der Grat ist derart schmal und ungeschützt, dass sich weder ein breiteres Plätzchen, geschweige denn etwas Schatten auf absehbare Zeit finden lässt.

    Die Sonne brutzelt ordentlich - das vielerorts erprobte Beduinenoutfit leistet auch hier wieder einmal exzellente Arbeit - und sieht wahrscheinlich wie immer zum Brüllen aus.

    Irgendwann lege ich mich einfach für einen Moment in die Schräge bergab, schnaufe etwas durch und genieße den Blick gen Himmel, ehe es den nächsten Höcker zu erklimmen gilt.

    Irgendwas zwickt da - ich liege mit einem Bein zielsicher quer über eine Ameisenstraße - mal schön was für die Durchblutung getan *frown

    Es geht weiter hoch, so langsam zeichnet sich der Höhepunkt des Grats ab. Drei etwa mannshohe Steintürme, ikonisch in die karge Landschaft gestapelt geben einen tollen Fixpunkt dort oben.

    Ich halte inne, lege auch noch einen Stein drauf, mache ein paar Bilder, gehe noch etwas höher um die 3100m voll zu machen. Dahinter wird der Weg weniger begangen und scheint in Richtung eines kleinen Eisfelds zu führen. Ich habe wenig Lust auf erneute Geröllfelder und Eis, zumal der Abzweig für den Abstieg über den Seitlichen Grat schon eine Weile zurück liegt.

    Tag 8: "Ohne Regen in die Traufe"

    Eckpunkte
    Guli -> Guli Pass -> mestia -> Ruine hinter Mestia
    21km, 1380hm up, 1685hm down, höchster Punkt 2933m

    Die Aufwachmanöver starten gegen 6. Da kann ich kann die Slowaken schon beim Packen und Schnacken hören.
    Ich genieße noch etwas die Hängematte, gegen halb 7 gewinnt das schlechte Gewissen und ich stehe endlich auf.

    Das Übliche, packen, Wasser filtern. Das Unübliche: Musli löffeln. Dann geht es kurz nach 8 los. Da sind die Slowaken schon eine Weile unterwegs. Sie wollten an den koruldi lakes zelten, der Spot wird überall empfohlen, mangels Stöcken und der eher windigen Nacht am toba lake werde ich aber wohl eh weiter absteigen müssen, laufe aber anscheinend eh deutlich längere Tage als sie.

    Die Dresdner vor ein paar Tagen hatten mir ein eco guesthouse hinter Mestia empfohlen, dass nach dem Resupply eine Option wäre. Für den folgenden Tag war die Woche über Regen angesagt, ich bin mir noch immer nicht sicher, wie tief die Wunde am Schienbein eigentlich ist und ob da nicht doch noch mehr Stein rausgeholt werden muss und überlege, in Mestia einen Pausentag einzulegen und einen Arzt aufzusuchen.

    Auch heute ist tagsüber ist leichter Regen möglich sagt der Wetterbericht, dafür sieht morgen schon wieder etwas besser aus - davon war gestern Abend noch nichts zu lesen, na mal schauen.

    Die Sonne ist noch hinter dem Pass, leichte Wolken, äußerst angenehme Bedingungen, um Höhenmeter zu machen.

    Der Weg ist zumeist für erkennbar und so verbringe ich die Zeit beim Serpentinen schinden mit dem memoartigen Festhalten des gestrigen Tages auf dem Smartphone. (An dieser Stelle bin ich bereits kurz unterhalb des passes, die Zeit vergeht super beim Schreiben :)) Unten ist Mazeri und Guli zu sehen - immer wieder rewarding, so ein Blick in die Richtung, wo man herkommt.

    Noch immer beäugt mich der Ushba, diesmal von der Rückseite, noch immer bekommt er den Mittelfinger, aber ich trolle mich ja, gebe mich eindeutig geschlagen!

    Der letzte Anstieg ist noch mal Steiler, der Weg teilt sich in zahlreiche kleine mal bessere, mal schlechtere Wahloptionen vorausgegangener Wanderer. Es geht auf fast 2900m die Ohren knacken.

    Dann ist der Guli Pass geschafft. Hinter dem Pass sind die Slowaken am Pausieren, sichtlich geschafft, aber ich staune, wie tough sich vor allem die zierlichen Mädels mit ihren mächtigen Rucksäcken schlagen.

    Es geht ein Stück weit auf einem Grat weiter, tolle Ausblicke in alle Richtungen, wenn auch etwas wolkig in der Ferne.

    Danach geht es langsam, aber stetig bergab, schöne Blicke in's Tal inklusive, ansonsten relativ ereignislos bis auf ein paar Rinsale, die tatsächlich noch Eisschicht tragen.

    Ich schließe zu zwei Tschechen auf, wirklich nette Typen, wir laufen eine Weile zusammen, plaudern - angenehm, mal etwas mehr Austausch über das Hände-und-Füße mit den Einheimischen und den Smaltalk mit den meisten anderen Wanderern hinaus. Eine erste Hütte kündigt an, dass die Zivilisation nicht mehr allzu weit sein kann.

    Wir kommen parlierend über eine Anhöhe, da trifft es uns plötzlich wie ein Schlag. Wir stehen inmitten einem Zirkus aus Autos, Trauben an Tagestouristen, Paraglidern, Aussichtsplattform, volles Programm. Während der Weg bis hier aus Mazeri ein schmaler Pfad in völliger Natur ist, frisst sich aus Mestia eine dirt road Richtung der Koruldi lakes, was für ein Zivilisationsschock!

    Mein Bedarf, die Koruldi Lakes zu sehen oder gar dort zu nächtigen sinkt gen null - oder gar in den negativen Bereich. Wir rasten kurz, sehen uns das Spektakel der Paraglider an, die mit Touristen gen Tal starten.

    Da kommt ein Deutscher Millennial ohne T-Shirt und wohlgebräunt mit einem wahrlich ernsten first world problem auf uns zu mit Akzent, der dem Gehörgang geradezu physische Schmerzen zufügt.

    Er braucht ganz, ganz dringend Sonnencreme, damit er sich keinen Sonnenbrand zufügt. Hat doch seine Freundin die Sonnencreme mit nach unten genommen, als sie nach diesem hoch strapaziösen Anstieg mit dem Taxi nach unten gefahren ist Drama!
    Ich sitze mit dem Rücken zu Ihm, hadere mit einer Antwort, um mich nicht als Tschörman buddy zu outen und auch noch Smaltalk halten zu müssen. Die Tschechen sind einfach zu nett und hilfsbereit, irgendwo im relativ großen Rucksack muss die Sonnencreme sein. Unser Sonnenbrandgefährdeter Freund wartet seelenruhig minutenlang, wie der Tscheche seinen ganzen Rucksack nach der Sonnencreme umgräbt, um sie sich aushändigen zu lassen. Er cremt sich genüsslich und mehr als reichlich ein, macht ja nichts, dass der Besitzer damit vielleicht noch Tage unterwegs sein wollte. Bedankt sich knapp, verschwindet.

    Wir sind kurz davor, unsere Verstörtheit Auszutauschen, da kommt er tatsächlich noch mal zurück - denn: Er hat das Gesicht vergessen - herrje! Schon wieder ein Drama in der beängstigend kleinen Egowelt. Er lässt sich also ernsthaft noch mal die Creme herausgraben, um dann endlich und endgültig zu verschwinden. OH-MY-GOD, da bin ich ja schon auf Mestia, das größte Touristenmolloch der Gegend gespannt.


    Die Tschechen haben einen alternativen Pfad zur Dirt Road gen Mestia entdeckt, er entpuppt sich jedoch nach einer ganzen Weile als einzige steinig-sandig-staubige Rutschpartie. Die Schuhe voll Sand geht es meist an zum Glück fest verwurzelten Bäumchen und Ästen greifend und der Steile halber eher rückwärts bergab. Den Beiden ist das Ganze irgendwann nicht mehr geheuer, sie entscheiden sich, wieder zurück aufzusteigen und doch die Dirt Road zu nehmen, da sind wir schon fast auf der Hälfte. Ich bin zu faul, also weiter bergab. Wie fängt man Steigung im Bild ein? Gelungen ist mir das auch diesmal nicht.

    Weiter unten werde ich mit einem Schönen Panorama auf Mestia belohnt - denn zumindest optisch hat das Städtchen durch die Türme schon etwas zu bieten. Der weg ist langsam wieder als Weg zu bezeichnen, flacher, etwas ausgebaut, da kommen mir ein Paar eher in nordic walking Anmutung und hoch roten Köpfen entgegen. Wie weit es denn noch zu diesen Koruldi Seen ist, wollen sie wissen. Ich probiere ihnen klar zu machen, dass sie im Leben nicht diesen Weg bergauf irgendwo ankommen werden, der bergab schon kaum machbar war (zumal sie der Spaziergang aus dem Städtchen, das unmittelbar vor uns liegt scheinbar bereits an den Rand der Machbarkeit gebracht hat). Aber sie bedanken sich und stöckeln weiter - das Spektakel am Hang hätte ich dann doch zu gerne mit angesehen.

    Es geht durch ein paar kleinere Sträßchen, noch dörflich und mit den bekannt-kreativen Wegen, Stromleitungen zu legen.

    Dann stolpere ich in mit offensichtlichen Touristen stark bevölkerte, breite, Asphaltierte Straßen, gesäumt mit Cafes, Bars, Restaurants und Souvenirläden. Sogar einen Busterminal und eine raumschiffartige Polizeistation gibt es - Uff!

    Zuerst besorge ich mir in der Apotheke größere Pflaster um das Schienbein die kommenden Tage versorgen zu können.

    Dann klappere ich ein paar Läden ab, bis ich ein Gefühl für das Angebot bekomme. Auch hier ist leichte Nahrung in kleinen Portionen nicht gerade ein Standard. Aber dennoch kann ich ein paar russische Instantnudeln ergattern, dazu das übliche moodfood aus Snickers und Oreos für zwischendurch. Nach den eher mäßigen Erfahrungen mit hiesigen Keksen und Saft setze ich auf die bekannten Evil-Marken. Dann noch die ein- oder andere Limo gezischt - unter Anderem Geschmack Sahne - verbuchen wir mal unter "interessant".

    Zuguterletzt noch ein Puri, das georgische Brot. Am ehesten wohl vergleichbar mit dem Rand einer wirklich guten neapolitanischen Pizza. Außen kross, innen hefig-weich. Liegt wohl an der ähnlichen Zubereitung im 400° heißen Erdofen. Die Zipfel isst man traditionell nicht mit - denn das waren die Griffe, um das Brot zu transportieren - in Zeiten, als noch nicht überall Plastiktüten herumflogen.

    Noch ein bisschen Urban Legend: Schon oben auf dem Berg fielen mir Minivans auf. Allesamt japanische Fabrikate, rechtsgelenkt - und weeesentlich neuer als alles andere, was ich bisher auf vier Rädern in Georgien gesehen habe. Die Tschechen meinten, sie hätten irgendwo gelesen, dass die Vehikel hier direkt nach Fukushima gelandet seien - ouch wäre das zynisch! Ich versuche, hierfür später Anhaltspunkte im Netz zu finden - zumindest englischsprachig zunächst Fehlanzeige.

    Eigentlich hatte ich mich mit den Tschechen auf ein Bier verabredet, da ich ja überlegte, in Mestia morgen einen Ruhetag einzulegen.

    Die 1,5 Stunden, die ich zum Resupply und Erholen dort verbracht habe, schrecken mich jedoch bereits derart ab, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, hier noch den morgigen Tag zu fristen. Die Tschechen kleben auch noch irgendwo am Berg und werden wohl noch eine ganze Weile brauchen - und die Wetterprognose für morgen hat sich auch noch weiter verbessert. Noch ein kurzer Blick unter's Pflaster, sieht auch ganz vertretbar aus, also ab dafür.


    Ich laufe über Mestia hinaus Richtung Chkuti Ridge. Ein toller Abschnitt, aber auf Caucasus Trekking nur als round trip getrackt. In der Routenbeschreibung ist von einem seitlichen, weglosen Abstieg die Rede, der Ideal wäre, um das Wegstück ohne Rückweg in meine Tour einzubauen, aber Hinweise und Karte geben nicht viele Anhaltspunkte, der Abschnitt ist steil. Na mal abwarten.


    Außerhalb des Städtchens gibt es in der Steigung ein paar schöne Blicke auf zurück auf die Türme in der Abendsonne.

    Ich komme an einer Großbaustelle vorbei - was hier wohl wieder tolles entsteht - eieiei.

    Das schlechte Wetter hat sich wohl vom morgigen Tag auf die heutige Nacht verlagert, Wolken nehmen zu. In der Karte sind kurz vor dem größeren Anstieg Ruinen verzeichnet, die ich mir für die Nacht genauer anschauen möchte.

    Kurz davor fällt mir auf, dass ein Stück hinter mir noch jemand ohne Wandergepäck läuft. Dubios, geht es hier doch nirgendwo so recht hin. Und mein Nachtquartier wollte ich auch nicht direkt preisgeben, also werde etwas langsamer. Als ich noch mal kurz abzweige, um eine markierte, aber nicht vorhandene Quelle zu suchen, hat der sich als halbstarker Teeniegangster entpuppende hinter mir aufgeschlossen.

    Ich quatsche ihn an, was ihn hier her treibt. Er versteht und spricht kein englisch, was er sich abringt ist "Marihuana?" Ich vermiese ihm sein Abendgeschäft und lehne dankend kopfschüttelnd ab. Das kann hier in der Gegend ja heiter werden, wenn die Altersgruppe der 15-18 jährigen ohne weitere Bildung mit Grasticken für Touristen mehr Geld verdient als die Generationen davor zusammen mit harter körperlicher Arbeit auf den Bergwiesen.

    Aber gut, weiter zu den Ruinen. Ich kann meinen Augen kaum glauben. Vor mir tut sich eine breit überdachte Aussichtsplattform auf, sollte wahrscheinlich mal ein Cafe oder Restaurant werden, offensichtlich nie fertig gestellt.

    Die Säulen, die die Konstruktion halten, haben ideale Hängemattenabstände.

    Der Boden ist allerdings ziemlich mit Kuhfladen übersäht, ich muss erst mal etwas Frühjahrsputz betreiben.

    Dann wieder die übliche Routine - Aufbau, kochen, essen - diesmal stippen mit den Resten des Puri - die Dinger sind einfach riesig, Kosten übrigens 1Lari, 25ct. Dabei genieße ich den Ausblick auf Mestia im Sonnenuntergang, später die Lichter der Stadt.

    Die Powerbank hat auch heute nicht sonderlich viel geladen, obwohl es eigentlich ziemlich sonnig war. Ich beginne, später zu zweifeln, werde mich wohl doch weiter einschränken müssen. Ich recherchiere trotzdem noch ein wenig rum, ob sich der Chkuti Grat nicht doch ohne Hin- und Rückweg in die Tour integrieren lässt, frage bei Jozef, dem Caucasus-Trekking Machen an, ob er weitere Anhaltspunkte für mich hat. Dann entschlummere ich. Nachts werde ich hin und wieder von aufziehenden Winden und ein wenig Gewitter wach, es bleibt jedoch trocken.

    Tag 7: "Waterloo!"

    Eckpunkte
    hinter Mazeri Richtung Ushba -> Ushba Gletscher -> Mazeri -> Guli
    33,3km, 1982hm up, 1448hm down, höchster Punkt 2780m

    Rekord - ich komme tatsächlich kurz vor 8 los. Dass ich dafür den Wecker um 6 gestellt habe - und um 6:30 endlich die Augen aufbekomme - geschenkt. Fast 8 Stunden Schlaf haben unglaublich gut getan.

    Ich bin scheinbar tatsächlich als erster am georgischen Grenzposten vor dem Gletscher, von dem ich bereits gelesen hatte. Ein Köter, neben dem ein ausgewachsener Bär niedlich wirken würde, und mich ohne seine Kette am liebsten in einem Stück fressen würde macht das Empfangskomitee. Ein Grenzer wäscht sich gerade müde das Gesicht, stoppt mich dann aber doch noch mit ein wenig Aktionismus. Woher? Wohin? Alleine? Auch wieder zurück? Der Blick auf meinen augenscheinlichen Tagesrucksack verschafft scheinbar Glaubwürdigkeit und so darf ich ohne weitere Prüfung, ob ich mich nicht doch über die 4000er nach Russland absetzen will passieren. Es geht direkt bergauf, ständige Spinnweben im Gesicht bestätigen, dass ich wohl tatsächlich der erste heute morgen bin - sehr schön - die zu erwartende Ruhe auf der Strecke und am Gletscher - nicht die Spinnweben *ugh
    Bis zum Wasserfall bleibt die Steigung entspannt. Die Blicke in's Tal, das mehr und mehr von der Sonne erfasst wird belohnen.

    Nach dem Wasserfall gen Gletscher wird es ordentlich steil, dazu staubig-geröllig-rutschig, 'freue' mich schon auf Rückweg - NOT. Erstaunlich - derart anspruchsvolles Terrain hatte ich bei der Popularität als Ausflugsziel gar nicht erwartet. Aber wahrscheinlich strecken wirklich die meisten schon beim Wasserfall die Waffen und gehen gar nicht weiter.

    Es folgt die Querung des Gletscherausflusses, so früh mit einem lässigen Satz zu überbrücken. Dann, etwas weiter oben stehe ich plötzlich vor einem großen Brocken - behangen mit allerlei Bergsteigergedöns - und übersäht mit Plaketten derjenigen, die das Zeug weiter oben wohl eher weniger erfolgreich eingesetzt haben - huiui! Etwas mulmig wird mir ja beim Anblick - gepaart mit einem Blick die eigenen Beine runter - in Shorts und Trailrunnern endend.

    Unter dem Brocken befindet sich noch allerlei vermeintlich für andere zurück gelassenes - Gas en Masse, Essen - und natürlich Müll. Ein paar russische Instantnudeln sehen noch ok aus, das Haltbarkeitsdatum ist das Einzige, was ich entziffern kann. Also eingepackt, die Versorgung mit dererlei erscheint mir ja hier weiterhin zweifelhaft, kann nicht schaden.


    Es geht hinauf, ab in's Geröllfeld. Am Punkt, auf dem der Beginn der Gletscherzunge auf meiner Karte verzeichnet ist, ist noch weit und breit nichts zu sehen, muss die Jahreszeit sein. Also weiter rein - und weiter - und weiter. Ich begegne Gruppe auf dem Abstieg, die weiter oben kampiert hat. Volle Gletscherausrüctung, merklich kurz angebunden und reserviert. Hat da jemand einen Egoknick in Anbetracht des vermeintlichen Spaziergängers in Shorts und Turnschuhen, der da einfach so rein latscht?


    Ich laufe weiter und weiter. Die Umgebung wird immer abweisender, geradezu bedrückend, ja beklemmend. Nichts lebendes, graue Felsbrocken, in der Ferne braungraues Eis, immer mal ein knacken, rutschen, rollen. Dazu Gluckern und Rauschen. Ich balanciere weiter auf den Steinbrocken das Geröllfeld nach oben, mal mehr, mal weniger fest verkeilt. Es wird mehr und mehr Eis unter dem Geröll sichtbar und irgendwann bekomme ich den Gletscher zu sehen, Mehr grau als weiß, ein trauriger Anblick. So gar nicht weiß, prächtig und majestätisch, wie ich ihn mir ausgemalt habe.

    Ich entscheide mich dagegen, noch weiter zu gehen. So ganz wohl fühle ich mich in der Umgebung nicht, zumal mich der lange und länger werdende Weg zurück und bisher mäßig spannende Blick auf den Gletscher wenig motiviert.


    Also balanciere ich die Felsbrocken zurück nach unten. Ich ärgere mich etwas, hierfür unter'm Strich fast einen Tag drauf gegeben zu haben. Irgendwann, ich kann gar nicht sagen, wie, ich meine beim nachziehen des Beins, detsche ich mit dem Schienbein etwas gegen einen Stein, etwas dumpfer Schmerz, angestoßen halt. Als ich schaue, klafft da ernsthaft ein Löchlein im Schienbein, die dickflüssige, rote Suppe läuft herunter - wtf? Es tut nicht einmal groß weh, aber der Stein muss herrlich scharfkantig gewesen sein. Ich halte inne, hole das medikit heraus, der Brennstoff aus der Apotheke kommt auch gelegen. Sogar ein paar Steinsplitter muss ich noch heraus pulen - traumhaft, irgendwo mitten im Geröllfeld. Ich pappe ein Pflaster gegen Schmutz drauf, dann kann ich wenigstens auch sehen, wenn es stärker weiter suppt. Ein bisschen baff mäandere ich weiter hinab, gefühlt hat mir die Hexe Ushba einen kleinen Achtungshieb verpasst.


    Heraus aus dem Gletscherfeld, in den rutschigen Abstieg, der schon beim Anstieg keine Freude war. Immer wieder rutsche ich leicht weg fange mich, muss Gewicht unangenehm auf den geschundenen Knöchel, der eigentlich langsam besser wurde verlagern.

    Dann passiert es - ich rutsche schwungvoll rückwärts weg, die Stöcker landen wie ein Hebel über einem Stein, ich merke direkt, wie der Linke nachgibt - fuck! Noch beim Fallen bin ich Gedanklich bei den Konsequenzen. Hier ohne Stöcker bergab rutschen - OK, noch einer für den dicken Knöchel - Halbpyramide geht damit auch noch - Dackelgarage vielleicht mit dem Stumpf. Da sammele ich mich auf dem Boden, schaue zum zweiten, rechten Stock - auch halbiert! Nee, ne? Beide Mittelsegment, direkt unterhalb der Klemmung. Scharfkantig und zu kurz, um das gebrochene Stück ohne Weiteres aus der Klemmung gedreht zu bekommen. Ein Unterteil kann ich noch auflesen, das Zweite ist nicht mal mehr auffindbar, muss in's Dickicht wegkatapultiert worden sein.

    Ich schnalle die Überreste an den Rucksack und rutsche langsam weiter bergab. Irgendwann begegnen mir die ersten Tagestouristen. Ich komme mir vor, wie ein gerupftes Huhn, das gebeutelt und mitgenommen bergab zieht Bei den wenigen Begegnungen der letzten Tage war doch zumindest immer ein bisschen Austausch angesagt, sobald man mal auf jemanden traf. Aber in der eher touristischen Gegend scheint das eh auszufallen, mir nur recht Ich bin wenig in Gesprächslaune. Auf das georgische Hallo, das ich zumindest anstandshalber hervorbringe reagiert eh keiner, zwei Mal ernte ich ein lautstarkes "HÄÄH?". Die große Mehrzahl ist Deutsch - und macht daraus schon beim Gruß keinen Hehl. In Gedanken kopfschüttelnd geht es weiter runter. Auch der 10er Truppe, die die Russen gestern kurz vor mir getroffen hatten, begegne ich vermutlich - traumhaft.


    Dann der Fluss vom Gletscher, über den ich morgens noch mit einem leichten Hüpfer gekommen bin, mittlerweile mächtig angeschwollen. Beidseitig Menschentrauben, die sich nicht sicher sind, ob oder wie sie es wagen sollen. Einige furten, das Wasser hat ordentlich Kraft. Ich laufe etwas auf und ab, studiere die Lage, verspüre wenig Lust, in's Wasser zu steigen - mit den kauputten Stöckern am Rucksack. Eine stelle erscheint mir geeignet, wenn auch knapp. Aber kann's heute noch schlimmer werden? Fuck it! Rucksack strammer angezogen, Kurzer Anlauf, Absprung - Tap auf leicht überflossenem Stein in der Flussmitte - Satz - Landung - Auslaufschritte - drüben. Wenigstens ein Fünkchen Badass bewahrt und ab durch die Mitte aus der Masse der Leute raus.


    Ab hier wird es wieder leichter aber ich spüre, dass die Rutschpartie bei feuchtem Schuhklima den Fußsohlen nicht gut getan hat, am nächsten Morgen werde ich eine 20ct große Blase entdecken - traumhaft!

    Am Kontrollposten sitze ich etwas, lasse Luft an die Füße. Ich bin etwas wie bekommen ob dieser unerwarteten Tour, die ich vorab unter Ausflug verbucht hatte, nehme mien Umfeld nicht wirklich wahr. Irgendwann geht es weiter. Auch jetzt zieht sich das Gelatsche auf wenig spannendem Forstweg bis ins Dorf, in diesem Fall Mazeri ,wieder ewig. Noch immer kommen mir Touristen entgegen, je später, desto weniger für den Anstieg geeignet oder ausgerüstet. Wahnsinn, was hier rauf gelassen wird ohne Warnung!

    Ich schaue immer wieder zurück, wie ein gehässiges Meme blickt mit der Ushba nach, ich recke den Mittelfinger entgegen.

    In Mazeri fülle ich Wasser auf, entdecke einen neuen Shop, von dem bisher noch nichts zu hören war und den ich bei der Planung nicht auf dem Radar hatte. Essen habe ich genug, aber für eine Limo bin ich zu haben. Ostblocklimo ist einfach grandios.

    Hier werden auch die Fizans in die Tonne gekloppt. Die Mittelsegmente hätte man sicher erneuern können, aber mir fehlte ja auch ein Unterteil. Und beim Gedanken, die scharfkantigen Reste als ständigen Reminder Dieser Fail-Episode noch gut eine Woche mit mir rumzuschleppen werde ich sie mit Freuden los. Ein Problem weniger mit dem Handgepäck denke ich mir und muss erstmals etwas schmunzeln. Zu Hause wird mir auffallen, dass ich ja noch zwei fast neuwertige Mittelsegmente auf Halde zu liegen hatte - schon blöd, wenn man zu viel Scheiß hat und den Überblick verliert.


    Nach der Limo und dem Befreiungsakt von den Fizans habe ich mich wieder etwas Gefangen, verbuche das ganze als Learning: Gletscher sind optisch eher langweilig, hochalpines Umfeld reizt mich nicht allzu sehr. In den unerwartetsten Momenten kann es plötzlich dicke kommen und den selben Weg wieder zurück zu gehen hasse ich doch tatsächlich noch mehr als ich so schon in Erinnerung hatte. Es kann nur besser werden. Also raus aus dem Dorf, etwas weiter Richtung Pass soll ein verlassenes Dorf liegen, ich spekuliere auf alte Kulturbäume zum Hängen. Der Weg ist wie immer ausgeschlagen, staubig, steinig, es latscht sich zäh und zieht sich. Auch hier lukt der Ushba über die nähergelegenen Hügel, verfolgt mich auf Schritt und Tritt.

    Im Guli Dorf angekommen treffe ich auf die sieben Slowaken von vor ein paar Tagen, die die selbe Route liefen aber direkt aus Iskari kommen. Über einen ganzen Tag hatte ich also raus gelaufen, wieder Balsam für das geschundene Ego. Dann zwei traumhafte alte Bäume mit einem Bänckchen davor und Fernblick in's Tal und mit voller Abendsonne bestrahlt - was für eine Versöhnung für diesem verkorksten aber lehrreichen Tag. Ich baue auf, wasche mich ausgiebig an einer quelle, lasse die schwitzigen Sachen in der Restsonne mal gut durchtrocknen.

    Irgendwann kommt die georgische Variante des alte John Wayne zu Pferd vorbei. er landet erst bei den Slowaken, ich höre etwas Gelächter. Ich denke an einen alten, neugierigen Mann, der sich etwas für die Fremden interessiert und Unterhaltung sucht wie die Tage zuvor, wenn ich in den abgelegenen Dörfern ma auf Bewohner stieß. Dann kommt er in meine Richtung. Ich werfe ihm ein freundliches gamarjoba entgegen. Er macht ziemlich direkt klar, was ihn hertreibt - Geld. Mit Händen und Füßen deutet er Besitz an der Umgebung an, fordert 20 Lari. Ich pruste los. Ja klar, der Dorfbesitzer - und 20 Lari - das ist ein durchschnittliches Hotelbett in den größeren Städten hier! Er geht direkt runter auf zehn. Wenn ich irgendetwas heute so gar nicht bin, dann in der Stimmung, mich für dumm verkaufen zu lassen. Ich schaue kurz bei den Slowaken vorbei, die hinter einer Ruine Lager bezogen haben. Sie sind ebenso eher etwas belustigt säuerlich, haben ihm auch zehn gegeben - für alle sieben! Ich komme etwas angepisst zurück, John ist offenbar klar, dass die Karten schlecht steht und schon sind wir bei fünf Lari. Ich habe noch zwei in Münzen, die ich eh nicht tragen möchte, wir handeln etwas hin und her, ich deute an, dass ich gerne auch noch weiter ziehe und er sich die fünf Lari an den Hut stecken kann. Nichts liegt mir im Moment ferner, aber offensichtlich habe ich heute ein anständiges Pokerface. Er lenkt missmutig ein und transportiert mein Hartgeld widerwillig ab. Eine etwas unangenehme Begegnung, ein etwas durchaus unangenehmer Zeitgenosse. Alleine hier oben wäre ich wohl nicht so brüsk aufgetreten, aber die Genugtuung, hier nicht übers Ohr gehauen worden zu sein tut gut.

    Dann noch Mal unters Pflaster geschaut, wie erwartet etwas suppig. Reinigen, mit der UL-Machete aka Swisscard Brieföffner noch ein paar Steinreste raus geholt und frisches Pflaster - für den Rambo für Arme fehlt nur noch der Angelhaken zum Nähen, aber der ist natürlich aus Gewichtsgründen nicht im Gepäck.

    Dann kochen, Blick genießen, den nächsten Tag planen. Irgendwann fällt mir der Sternenhimmel auf - und was für einer! Milchstraße inklusive, wow! Ich sinniere noch etwas auf meiner Bank und genieße den Himmel, setze das Ganze irgendwann mit Blick aus Hängematte fort und schlafe einigermaßen versöhnt mit dem Tag ein.

    Tag 6: "Erstkontakt mit der Hexe"

    Eckpunkte
    kurz vor Iskari -> hinter Mazeri Richtung Ushba
    21,5km, 1710hm up, 1235hm down, höchster Punkt 1455m


    Um kurz nach 7 schäle ich mich aus der Matte, brauche lange, um mich zu überwinden. Plaudere vorher noch kurz aus dem Schlafgemach online, morgens und abends sind die mit Zeitverschiebung die besten Momente, die bessere Hälfte weilt gerade in Japan.

    Durch die frisch geschnittene Wiese wurde alles recht feucht - und das in Hängemattenhöhe. Als Bodenbrüter wäre es jetzt wohl richtig unangenehm.

    Ich genieße beim Abbau den Ausblick auf die langsam gold angestrahlten Bergzipfel, langsam frisst sich die Sonne weiter nach unten.

    Die Bauern kommen samt Heuschlitten wieder auf's Feld - auf einen neuen Tag im Heu.

    Der Knöchel hat einen beachtlichen Umfang erreicht - vielleicht übe ich mich doch mal in Mäßigung.

    Kurz nach 8 Aufbruch nach Iskari.
    Preisfrage - was verbrennt man in diesem beachtlichen Ofen?

    In Iskari gibt es im Hammer Guesthouse einen Store für den Resupply - und auch dem Frühstück für 10 Lari kann ich nicht widerstehen. Es gibt Rührei, Brot, Käse, Joghurt, Marmelade, Butter.
    Dazu kaufe ich mir noch einen Liter ukrainischen Orangensaft - aber die Enttäuschung ist groß, Fanta hätte wohl mehr Fruchtgehalt gehabt.

    Beim Frühstück studiere ich die kommenden Tage für resupply und Wetter. Für Freitag kündigt sich wirklich olles Wetter an. Passt - wenn ich Gas gebe, kann ich da schon in Mestia abwettern, der größte Ort, es gibt sogar ein Museum.

    Resupply für 3 Tage 12 Lari. Obwohl es einer der besser sortierten Läden sein soll, ist die Auswahl an leichtem, klein portioniertem, gerade zum Kochen eher schwierig. Wenn man keine Familienpackung Nudeln braucht, halbliter Konserven oder Gläser hat man es wortwörtlich schwer. Ich lande bei den einzigen Instant Nudeln, die es gibt, winzige Portionen russischer Herkunft - na zwei bis drei sollten wohl gestreckt mit Erbseneiweiß, das ich noch über habe ein Essen hergeben.

    Es ist dreiviertel zehn als ich endlich aufbreche. Dann die große Enttäuschung - die Quellen im oberen Ortsteil sind versiegt, also noch mal Retour Richtung Guesthouse und darüber hinaus, wo es im unteren Ortsteil eine funktionierende Quelle gibt und wieder hinauf - frisst Zeit ohne Ende, es ist zehn vor 11, - so wird das nichts mit Gas geben. Immerhin gibt es ein paar Türme zu sehen.

    Beleuchtete Quelle - IP69?


    Man Beachte die myog 'Hängerkupplung'


    Ich fresse vor Frust den Anstieg in mich rein, da bemerke ich erst spät die zwei Deuterbesitzer dort oben am durchatmen. Ich versuche es noch mit gamarjoba, damit halten sie sich nicht auf, brabbeln direkt auf Deutsch drauf los. OK, ich ergebe mich. Ein Paar mittleren Alters, die im Guesthouse übernachtet hatten und über Nacht direkt Spaß im Darmtrakt nach Genuss einer zweifelhaften Wasserquelle hatten - too much information! Ich erzähle von meinem Pech mit den versiegten Quellen und dass es ja bis hinter dem Pass keine weitere Quelle geben soll, da werde ich belehrt, dass es doch kurz vorn Pass noch eine gäbe, sie selbst hätten deshalb nur ganz wenig dabei.

    Ich bin erstaunt, weder meine Karte, noch der GPS Track Von Caucasus trekking, Der sonst oft Quellen markiert, spricht davon. Ganz im Gegenteil, auf der Seite rät der georgische Autor wegen viel Weidevieh ab, beim Anstieg aus den Bächen Wasser zu entnehmen.

    "Aber der Rother Wanderführer wird das doch wohl geprüft haben..." Man hält mir die markierte Stelle vor, als beriefe man sich aufs Grundgesetz. Na gut, reisende soll man nicht aufhalten. Ich wünsche viel Erfolg und mache mich vom Acker.

    Der Anstieg ist gemäßigt, ich noch immer etwas angefressen über den vergeudeten Vormittag, da läuft es sich gut.

    Etwas weiter oben komme ich an ein paar Hirtenhütten vorbei, derzeit unbewohnt. Ein Bächlein eignet sich zumindest, um Mütze und Armlinge zu tauchen - die Sonne brutzelt mal wieder ordentlich.

    Am Wegesrand werden heute der Abwechslung halber Himbeeren kredenzt, aber in etwas mauer Frequenz - Beschwerde bei der Reiseleitung folgt.

    Der Anstieg wird etwas steiler, da wird mir klar, dass dieses unscheinbare etwas wohl schon der Pass sein muss.

    Eine Quelle kurz zuvor habe ich nicht gesehen - eieiei - Skandal bei Rother denke ich mir noch und schmunzele in mich rein. Am Pass kann ich gerade noch ein grünes Männchen ausmachen, das just über die Kante verschwindet.

    Das war weniger Geacker und kürzer als gedacht. Auf dem Pass sehe ich erstmals den Ushba in voller Pracht. Er thront schon wirklich wehrhaft - faszinierend.

    Als ich den Blick schweifen lasse, sehe ich auch die Beiden, die vor mir angekommen sind beim Vespern.Ich Frage, ob sie eine Quelle gesehen hätten - nein, auch nicht. Es ist ein junges Dresdner paar - auch mit Erkennungsmerkmal Deuter im Großformat. Sie sind mit dem Auto her gefahren, reisen hier nun noch etwas rum, um es dann hier zu verkaufen und zurück zu fliegen - spannend! Wir plaudern recht lange über Pläne, Routen und die Gegend. Als ich weiter ziehe, ist selbst beim Blick zurück den Pass hinunter von den beiden anderen Deutschen nichts zu sehen - hoffentlich nicht ausgedörrt umgekehrt, im Kopf schon den Beschwerdebrief an Rother verfassend.


    Ab jetzt geht es gerade bis bergab, recht gefällig mit schönem Blick auf den Ushba, der eine morbide Faszination auf mich ausstrahlt. So abweisend - und doch so anziehend.

    Bald folgt ein hübscher, lichter Birkenwald, alle herrlich von Wind und Wetter in die abstrusesten Winkel gebogen - hier könnte man in den grandiosesten Kombinationen hängen, aber es ist einfach noch viel zu früh. Selbst in Blickweite des Weges lassen sich Birkenpilze ausfindig machen - ein paar frische knackige packe ich mir ein - wer weiß, was das Geschmackstütchen der russischen Instantnudeln hergibt.

    Es folgt ein hübsches, lichtes Plateau mit tollem Rundumblick.

    Die alpine Variante der Kornkreise? Da sag noch mal einer, Kühe wären nicht wählerisch.

    Ich komme zu einer weiteren nicht wirklich als solche erkennbaren Kirche. Kurz dahinter winkt mich eine Familie beim Picknick zu sich. Sie entpuppen sich als Russen, die hier leben. Wir verständigen uns mal wieder eher nonverbal. Sofort bieten sie mir ihr Picknick an drücken mir Essen in die Hand. Witzig, dieser Unterschied - ob das jemals bei einem Treffen unter Deutschen passieren würde?

    Wieder kommt schnell eine Recht große schon beachtlich geleerte Flasche vergorenen irgendwas zum Vorschein - wieder kann ich mich erfolgreich drücken. Dann zeigen sie mir noch das Gruppenfoto mit 10 Deutschen, die hier wohl gerade erst durch sind.


    Ach du sch... Dann mache ich wohl mal langsam bergab. Muss ich ohnehin, der rechte Fuß mag trotz ibo600 am letzten Abend Abstiege nicht mehr so sehr - ich fange viel mit den Stöcken ab. Der Rest des Abstiegs ist bedeutungslos, lediglich der Ushba, die Hexe, scheint sich hinter jeder Kurve erneut zu verstecken und mir aufzulauern. Irgendwann geht der Weg wieder in eine Latschstrecke über, Mazeri rückt näher, es ist gerade mal 16 Uhr.

    Ich überlege, ob ich nicht schon etwas Richtung Ushba gehe, um den Ausflug morgen etwas zu verkürzen. Das immer gleiche Spiel mit mir selbst am frühen Abend: da geht doch noch was - bis dann irgendwann nichts mehr geht und ich mich mal wieder ärgere, bis fast in die Dunkelheit gelaufen zu sein. So auch diesmal, Lerneffekt nicht vorhanden. Es findet sich ewig keine passable Campstelle, ich laufe weiter und weiter. Der Weg ist ausgetreten, mir kommen noch zahlreiche Tageswanderer entgegen. Morgen also früh raus und den Vorsprung nutzen - hoffentlich. Aber erst mal muss ja ein Lager gefunden werden. Rechts ist direkt der reißende Fluss, der den Gletscherausfluss gen Tal trägt. Links steigt es steil an. Die Brücke, um zu einem auf der Karte verzeichneten, vermeintlichen Campingplatz zu kommen gibt es nicht mehr. Immer mal wieder gibt es Abzweige, die auch nichts hergeben, Trampelpfade zu den Seiten entpuppen sich als Tempo Entsorgungsstellen im großen Stil. Mehrmals Fluche ich innerlich - zwei Bäume, einfach nur zwei verdammte Bäume verdammt! Alles ist eher niedrig mit strauchartigen Bäumen bewachsen, dazu enges Dickicht. Irgendwann finde ich endlich einen Abzweig, der weiter oben in eine ausgewachsenere Waldzone führt. Der Bewuchs ist weniger dicht und letztendlich nächtige ich hängend im lichten Wald mit Blick auf den Ushba, der noch in der blue hour nachleuchtet - zufrieden. Auch die russischen Instantnudeln sind genießbar, aber ich hätte tatsächlich mindestens drei Packungen pro Portion kalkulieren können - Trotz gefundener Birkenpilze und Erbseneiweiß.

    Gegen 10 bin ich nach etwas Journaling in der Falle. Eigentlich ein entspannter Tag, zum Schluss hatte es aber doch etwas weniger sein dürfen, so wird der Fuß garantiert nicht besser.

    Die Powerbank macht mir etwas Sorgen, Trotz Voller Sonne, wenn auch oft nicht exakt von hinten, hat sie nicht viel geladen. Jetzt am Abend zeigt die Skala sogar weniger als tagsüber an - suspekt das Ganze.

    Tag 5: "Latschstreckendoping"

    Eckpunkte
    kurz vor Nakra -> kurz vor Iskari
    21km, 1668hm up, 1610hm down, höchster Punkt 1900m, ~2km per Anhalter


    Tag 5 vor Nakra - vor iskari

    Ich stehe erst gegen 8 auf, spekuliere auf etwas zu Essen, einen Markt oder ein Geschäft im Dorf und will deshalb nicht zu früh dort ankommen - und ein bisschen längerer Schlaf tut gut. Ich packe zusammen und wie meist geht es etwa eine Stunde später los.

    Noch ein kurzes Stück der Latschstrecke bergab in's Dorf, was ein Glück, dass das Stück geschafft ist!

    Das Dorf ist eine hübsche Idylle. Holzhäuser, die Gärten voller Obstbäume, die über und über behangen sind. von Tourismus keine Spur - bis auf einen Wegweiser mit Distanzen und einer Wanderkarte, die die Route nach Iskari ein Wenig beschreibt.

    Auf den ersten Blick kann ich nichts Geschäft-artiges entdecken, frage mich durch. Es scheint etwas zu geben, ein Dorfbewohner begleitet mich zu einem Wohnhaus, klopft...und klopft...und klopft...und ruft...und - es wird mir etwas unangenehm, ich winke ab. Auch um halb 10 gelingt es noch nicht, den Besitzer zu wecken. Der hilfsbereite Dorfbewohner macht einen etwas verärgerten Eindruck, als würde der Ladenbesitzer dem Ruf des Dorfes ein wenig schaden.

    So sehr ich mich auch auf etwas abwechslungsreiches und endlich mal lokales zu Essen gefreut hätte - eigentlich habe ich ja noch genug für heute. Dann eben nur Wasser auftanken und weiter.

    Die Mineralquelle entpuppt sich als stehendes Wasserloch mit zweifelhafter Färbung in ausgehöhltem Baumstamm neben Fluss. Ich lasse widerwillig einen Liter durch den sawyer, habe noch etwas Reserve vom Vortag und hoffe, damit durch zu kommen, ohne die zweifelhafte Brühe anzurühren.

    Fast Forward: Als ich die Flasche später dann doch anbrechen muss, und noch immer mäßiges erwarte, bin ich begeistert - leichtes Sprudel und - mann könnte fast meinen etwas süßlich - ich ärgere mich über meine Skepsis und dass ich nicht mehr abgefüllt habe. Memo: nächstes Mal wenigstens erst mal probieren.


    Aber zurück nach Nakra. Wenigstens meinen Müll werde ich in einer grünern? Tonne am Fußballplatz los. Auf den Weg zurück kurz vor dem vermeintlichen Geschäft kommt mir jemand mit einer Tüte Brot entgegen. Ich deute auf die Tüte, Frage nach, ob er aus dem Geschäft kommt, was er bejaht. Ich schöpfe Hoffnung, freue mich schon auf etwas zu stippen zur Ramen Suppe später, aber auch mein Klopfen und Rufen bleibt unbeantwortet, schade!


    Am Dorfende kann ich zumindest noch einen Apfel über den Zaun hängend ergattern, ehe ich mich wieder hinauf Schraube aus dem Dorf heraus - der nächste ausgeschlagene Forstweg durch Wald wartet - es nervt.


    Bei den am Weg gelegenen Häusern fällt mir erneut auf, was mich die letzten Tage auch immer Mal irritiert hat - bei vielen Häusern brennt auch tagsüber das Verandalicht. Bei einem denkt man an Zufall, bei zwei, drei vier an laissez faire, bei mehr - an lokal übliche Praktik. Vielleicht ein Zeichen von Wohlstand? Oder eher Vertreiben von Geistern, Bären oder Wanderern? Ergründen konnte ich den Umstand nicht weiter - dubios.


    Etwa 7km lang geht es völlig ereignislos bergauf. Podcasts sorgen abermals dafür, nicht fluchend im Rumpelstilzchen-Modus hinauf zu stapfen. In etwa zeitgleich mit dem Übergang des Anstiegs in gemäßigt bis flache Wegführung wird ein Fahrzeug hörbar. Na tolles Timing denke ich mir - noch ganzkörpernass vom drögen Geschufte bergauf. Bedarf mitzufahren habe ich nun eigentlich nicht mehr, aber der große Militärtransporter mit Ladefläche, der auch hier wieder das Transportmittel der Wahl für die heftigen Steigungen und den zerklüfteten Weg ist, hält wie die anderen Fahrzeuge zuvor im Laufe der Tage ohne, dass ich den Daumen raus halte. Ich bin jedes Mal so beeindruckt von der Selbstverständlichkeit einem Unbekannten gegenüber, dass ich nicht ablehnen kann, sondern - zumindest einen Moment lang mitfahre.

    Was für ein Traum wäre es gewesen, sich den nervigen, den ganzen Vormittag gefressenen Anstieg sparen zu können. Etwa zwei Kilometer fahre ich noch mit. Ein wenig weiter hätte ich wohl noch mit fahren können, aber

    die Wandertafel in Nakra hatte Tavari empfohlen, ein verlassenes Dorf mit Kirche und Türmen, also Absprung am Abzweig. Es geht wieder ein Stück bergab, der rechte Spann meldet noch immer Schmerz.

    Als ich mich endlich dem Dorf nähere, bin ich eher underwhelmed. Die Kirche ist kaum als solche erkennbar. Sin kleines Steinhäuschen, verschlossen. Lediglich das Schloss auf der Tür gib und verschlossen, Auch die Türme sind nur noch Rumpf und das Dorf verlassen - na super, wäre ich mal weiter mit gefahren, scheint nur etwas für Kirchengeeks zu sein.

    Da höre ich Stimmen aus einem Haus und dann auch direkt zwei Männer. Man winkt mich sofort mit großem Bohei ran.
    Generell ist in der Gegend die Freude, wenn ich gesehen werde groß. Selbst ein kurzes Hand zum Gruß heben auf der Ferne löst auf den Feldern euphorisches , weit ausholendes winken aus.

    Wo war ich doch gleich? Ach ja. Ich stehe also auf der Veranda des Hauses, da wird mir auch schon die Bank zum sitzen und Erholen angeboten. Ich setze mich einen Moment, wir betreiben das übliche Hände und Füße, mal wieder gibt es ein paar Brocken Deutsch.

    Ich genieße die Sonne und die Pause.

    Man bietet mir sogar das Bett zum Ausruhen an. Ich werfe erst jetzt einen Blick durch die Tür in die zwei Zimmer, es verschlägt mir ob der spartanischen Behausung die eh nicht vorhandene Sprache.

    Als ich langsam weiter will, machen mit die beiden klar, dass ich zum Essen bleiben soll. Es ist mir eher unangenehm, allerdings wird darauf beharrt, das Essen ist fast fertig. Aus dem Nichts wird eine kleine, bescheidene Tafel gezaubert, man könnte fast von einem bescheidenen Menü sprechen.

    Dass selbst diese karge Portion selbstverständlich und mit Freude geteilt wird - Wahnsinn! Ich muss daran denken, was für ein luxuriöses Verhältnis von Brot zu Geschmacksträger wir uns in unserer Überflussgesellschaft angewöhnt haben. Das essen ist einfach wie lecker, aber ich halte mich zurück, habe doch ein etwas schlechtes gewissen, hier noch etwas abzuknapsen

    Als der 10l wasserkanister mit vergoren riechendem und dem Kommentar 'Schnaps' auftaucht, kann ich mich noch erwehren. Als dann zum Nachtisch auf den Bergwiesen selbst angebautes Dessert vom Heuboden geholt wird, kann ich nicht nein sagen - vielleicht hilft's ja dem Fuß :wink: und legal ist's auch seit neuestem, wie ich später lernen werde.

    Ich versuche etwas mehr über die Lebensumstände in Erfahrung zu bringen. 4-5 Monate verbringen sie im Jahr hier - ich meinte zuerst, nicht richtig verstanden zu haben - um Heu zu machen - mit der Sense! Wahnsinn. Wenn ich mir überlege, welchen Wert wir einer derart kleinen Menge Heu beimessen würden - wie viel Arbeits- und Lebenszeit das hier oben bedeutet. Ich bin mal wieder mit meiner abgebrühten Weltsicht konfrontiert und muss nicht nur das Essen verdauen.

    Die Zeit fliegt, ich mental auch ein wenig. Dabei habe ich noch einiges an Strecke vor mir. Ich eise mich langsam los und bedanke mich mit allem, was Vokabular und Gestik hergeben. Hätte ich doch die Couchsurfing-Schokolade nicht schon gefuttert, um etwas zurückgeben zu können - aber sie war so schwer!


    Auf dem Weg, der nun den Blick in's Tal freigibt, sehe ich nun noch viele kleine Grasflächen, auf denen Heu aufgetürmt ist - tatsache - die kleinen Wiesenflächen werden noch bewirtschaftet. Heute gibt es übrigens Mirabellen am Wegesrand. Ich bin kein großer Fan, die Brombeeren sind auch schwer zu schlagen, aber wer wird sich schon beklagen. Und der unerklärliche Appetit, den ich seit dem Dessert habe treibt es rein :grin::roll:

    Ich komme durch noch ein paar Dörfer, alle eher halb verlassen oder saisonal bewohnt. Ich bin beeindruckt von den zum Teil ehemals äußerst stattlichen Häusern und Frage mich, was diesen vergleichsweisen Wohlstand hervorgebracht und was wieder zunichte gemacht hat.

    Ein paar Dörfer weiter sind bereits deutlich besser per PKW zu erreichen, hier sieht es deutlich besser aus. Hier und da gibt es sogar erste vereinzelte guesthouses. Es bewölkt etwas, auch eher gräulich als weiß, es windet und ich meine sogar, Donner vernommen zu haben. Ich spiele trotzdem mit dem Gedanken, ob ich nicht doch wieder durchziehe, um im guesthouse in Iskari nicht nur für resupply morgen zu landen, sondern vielleicht doch auch die Nacht dort zu bleiben. Beim Gedanken an deftige lokale Küche fließt Speichel, das überraschende Mittagessen hat mich angefixt.

    So botte ich weiter, wieder relativ viel - ja wie nennt man es - Straße? Feldweg? Waldweg? Schneise befahrbarer Breite - auf jeden Fall eher unspektakulärer Weg und das übliche Gelatsche.

    Der Himmel wird nicht wirklich ungemütlicher sondern klart sogar wieder auf. Da komme ich nach dem letzten, recht amtlichen Anstieg vor Iskari an einer weiteren Heuwiese vorbei, die in Abendsonne getaucht ist, während dort noch Heu gemacht wird. Die Wiese ist oberhalb mit Bäumen gesäumt, Blick auf's Bergpanorama. Leckeres Abendessen hin oder her - gegen dieses Nachtlager stinkt doch jedes Guesthouse unbesehen ab.

    Ich Frage, ob ich hier mein Lager aufschlagen darf - natürlich darf ich.

    Wir smaltalken etwas, so weit es die Gestik hergibt. Ich bekomme heraus, dass die Beiden für diese Fläche zu zweit bereits drei Tage gebraucht haben - und wenn ich den Rest so sehe wohl morgen noch einen Vierten. Wahnsinn - ich bin abermals platt über den Wert und des Heus und dem damit verbundenen Zeiteinsatz.

    Ich genieße die Restsonne, hänge das Solarpanel noch mal zum Laden auf, baue auf - gewissenhafter als die letzten Tage, falls da doch noch etwas runterkommt über Nacht.

    Als die Sonne untergeht, werden die zwei Bullen, die die ganze Zeit im Schatten gedöst haben vor den Heuschlitten [sic!] gespannt und der Heuberg bewegt sich von dannen und hinterlässt mich - wie so vieles - sprachlos. Über die Arbeitsweise hier oben, über meine eigene Lebensweise, über Sinn von Arbeit - eieiei.

    Nach Essen und ein paar Fotos (leider alle nicht so dolle) lande ich gegen 10 in der Matte und freue mich, dass ich mir diese Gelegenheit nicht habe entgehen lassen.

    Noch etwas Internet - wie immer bester Empfang, etwas Route für morgen studieren und notwendigen Resupply planen und dann werden die Augenlieder auch schon schwer.

    Tag 4 - Zemo Marghi - kurz vor Nakra

    Tag 4: "Keene besonderen Vorkommnisse"

    Eckpunkte
    Zemo Marghi -> kurz vor Nakra
    25km, 2014hm up, 1799hm down, höchster Punkt 2700m


    Ich stehe um 7 auf, laufe erst um 9 los, da ich tatsächlich mal frühstücke und doch noch mal an die Quelle ziehe, um Wasser zu holen.

    Die freilaufende Pferde und Kühe beäugen aus der Nähe den neuen komischen Bewohner. Es ist ein sonniger morgen mit Blick in's Tal, ich möchte mich kaum losreißen.

    Beim Frühstück kommen 7! Slowaken vorbei, die mehr oder minder die selbe Route gehen. Wir müssen uns am Toba gesehen haben, ich nehme an die Zelte am Wasserfall im Dunkel.

    Meine Füße sind angeschlagen, die Sohlen geben Rückmeldung ob der Strapazen der ersten Tage, dazu ist mein rechter Knöchel geschwollen und der Spann schmerzt. Vor allem das Pensum Bergab wird wohl etwas viel gewesen sein, ich werde etwas ruhiger machen (müssen). Bis weit hinter den Pass ist keine Quelle verzeichnet, ein paar Rinnsale, jedoch rechne ich auch mit Kuhherden, weshalb ich bis unter die Zähne vollgetankt los ziehe, die Schultern geben entsprechend Rückmeldung.


    Der Start über Bergwiesen und nur leichtem Anstieg ist angenehm. Es folgen noch ein paar einzelne Hütten mit Blick in's Tal - eine Aussicht, für die andernorts Unsummen gezahlt würden. Dazu ein paar Kühe und Pferde - und noch ein weiterer kurioser Grabstein - irgendwie gruselig diese lebensnahe Darstellung.

    Die Slowaken sind schnell eingeholt, das seicht ansteigende Terrain liegt mir - und meinen Füßen. Wie lange es wohl so bleibt?

    Während im letzten Tal noch MC Blaubeer reichlich vertreten war, ist hier das äußerst gut ausgebaute Filialnetz von all you can Brombeer ein Hochgenuss. Für die Slowaken bleibt nicht viel hängen nach meinem Kahlschlag, ich habe fast ein schlechtes Gewissen. Aber wer dem Anschein nach eine Einbauküche die Berge hoch trägt, hat sicherlich auch noch den ein oder anderen Snack im Pack. Der Anstieg wird Steiler, nicht unbedingt spannender. Schotter, links und rechts Bäume, keine Weitblicke, langweilig.


    Irgendwann bricht der wald auf und wechselt in ein herrliches Bergwiesenpanorama - was aber auch gleichzeitig ordentlich Sonne bedeutet. Ich komme am ersten Flüsschen vorbei, stelle fest, das hier auf den Wiesen keine Kühe unterwegs sind - womit ich also gut 3l Wasser zu viel geschleppt habe. Na gut, dann zumindest mal Mütze, Nackenschutz und Armlinge getaucht um mit etwas Kühlung den weiteren Anstieg zum Pass anzugehen.

    Der Weg ist inzwischen gesäumt von Himbeeren und Blaubeeren - Vielzahl an Insekten. Mal laufe ich inmitten Herde Schmetterlinge, mal geht es durch fetten Klee, der vor Bienen und Hummeln nur so brummt. Der Anstieg ist angenehm, die Aussicht motiviert.

    Der Pass selbst, obwohl auch immerhin auf 2700m gelegen ist eher unspektakulär, ebenso der See dahinter.

    Ich steige auf der anderen Seite wieder ab, Knöchel und Spann melden sich. Ein ganzes Stück weiter unten ist sogar ein offizieller Campspot mit shelter verzeichnet, ehe der Abstieg Richtung Dorf in steile Serpentinen übergeht. Als ich dort ein ganzes Ende später ankomme entpuppt sich der spot als von Kuhherden komplett zugeschissenes, kahles. Plateau. In den Hütten hausen die Hirten, der Die Schelterhütte scheint kurzerhand mit vereinnahmt. Verständigung ist nicht wirklich möglich, es herrscht irgendwie ein eher unangenehmer Vibe. Also doch noch weiter bergab - es ist ja auch erst 16:30, da geht noch was. Der Fuß frohlockt, im langsam machen bin ich nicht besonders gut. Als ich ein Stück weiter unten bin, brechen Schüsse vom Plateau weiter oben, ich bin ganz froh, weiter gezogen zu sein.

    Es geht ereignislos bergab, vorbei an einer weiteren, ebenso wenig zu empfehlenden Schutzhütte. Der Weg wird wieder Forstweg-artiger, damit auch etwas gerölliger, nicht unbedingt angenehm. Zumindest komme ich langsam wieder in Brombeerhöhe, das lenkt vom Gelatsche ab. Irgendwie hatte ich mir das Gebiet etwas zusammenhängender vorgestellt. Die Abschnitte, die ich bergauf und bergab auf Forstwegen in der Nähe der Dörfer zurücklege sind doch recht beachtlich. Dank 4G telefoniere ich ein wenig, die Motivation ist so medium, die Schritte bergab schmerzhaft, ich stütze mich viel auf die Stöcker um den Fuß zu entlasten.


    Nakra kommt näher, der Weg windet sich bis dort hin weiter in steilen Serpentinen. Ich suche eine ganze Weile, bis ich ein weniger steiles Stück Wald am Wegrand finde, das sich für's Camp eignet. Ein unspektakuläres Lager, erstmals auch ein paar Mücken (1200m). Ich liege früh in der Matte, klebe noch etwas Internet, liege ich doch mal wieder unweit von ein paar 4G Antennen, freue mich aber auch schnell, etwas länger schlafen zu können und vielleicht auch den Fuß etwas zu regenerieren und schließe früh die Augen..

    Tag 3: "Der Weg ist das Ziel my Ass!"

    Eckpunkte
    Irgendwo weit hinter Dudi pass -> Zemo Marghi
    hab mir die Campstelle nicht genau markiert, ~37km, 1480hm up, 2295hm down, höchster Punkt 1800m


    Der Wecker klingelt, ich snooze etwas, dann gegen 7 in die kühle, etwas feuchte Welt. Für Frühstück bin ich einfach nicht zu haben - es wird die tour über bei Schoki oder Snickers bleiben. Ich zehre noch immer am Couchsurfing-Schokopaket, heute gibt es Knusperkeks zum Frühstück.

    Gegen 8 geht es los. Die Sonne hat es noch nicht über die Gipfel geschafft, erste Hänge in der Ferne leuchten bereits goldig. Es ist kühl, aber nicht kalt. Ab durch nasse, mannshohe Hogweeds, matschige, schmale Trampelpfade, gemäßigt bergab. Recht ereignislos geht es so immer mehr oder minder parallel zum Fluss bergab. Vorbei an einer Schäferhütte, außer Rauchschwaden lässt hier noch nichts auf Leben schließen. Nicht mal die Hunde beachten mich, sind entweder noch schlaftrunken oder hier kommen doch deutlich öfter Wanderer vorbei, als es mir den Eindruck macht.

    Der Pfad wird zum Forstweg - einem herrlich zerklüfteten, tief matschigen Exemplar. Ich tänzele um die besonders tiefen Stellen herum, klettere auf den schmalen, festen Teilen an Schlammkuhlen vorbei, eine wahre Freude - not. Es wird besser und besser, die Fahrrinnen immer tiefer und voll Wasser, der aufgeschobene Schlamm dazwischen eine traumhafte Suppe.

    Der Grund für den Zustand steht ein Stück weiter den Weg entlang. Ein geradezu prähistorisches Kettenfahrzeug mit Räumschild, dass hierzulande Museumsstatus verdient hätte, in Georgien noch fleißig Wege verwüsten darf.

    Immer mal gibt es einen Blick entlang des Flusses zu erhaschen, ansonsten geht es von Bäumen umsäumt wie Autopilot den Forstweg entlang.

    Die Brücken sind allesamt temporär aus Baumstämmen konstruiert - wahrscheinlich jedes Jahr nach der Schmelze aufs neue. Der Fluss wird breiter, das Flussbett noch vielfach mehr. Man kann nur erahnen, was hier zur Schneeschmelze herunterkommen muss. Treibgut beachtlichen Ausmaßes liegt verkeilt an den Rändern des Flussbetts.

    Ansonsten weiterhin ereignislos, der matschige Weg nervt, habe inzwischen Podcasts auf dem Ohr und beginne irgendwann bereits im Laufen Gedanken auf dem Smartphone festzuhalten, sliding Tastatur sei Dank.

    Etwas vor Khaishi, dem etwas größeren Ort und ende der Toba Lake Route bekommt das Tal etwas mehr Canyon Charakter, sonst weiterhin Gelatsche, Gelatsche, Gelatsche auf dem endlos erscheinenden Forstweg - der inzwischen staubig anstelle matschig ist und mir die Sonne frontal in's Gesicht lacht.

    Khaishi ist auch nicht der Rede wert, ein paar kioskartige Läden, die eine recht große, stärker befahrene Straße Säumen, nichts, was zum Verweilen einlädt. Ich genehmige mir ein georgisches Dosenbier, lasse die Füße etwas baumeln und ziehe weiter Richtung Chuberi.

    Der Asphalt der Straße kocht, ich brate auf ihm. Der Weg zweigt irgendwann von der Hauptstraße ab, es folgt eine übel staubige Piste, die im Windkanal des Tals einen wahren Sandsturm erzeugt - zusätzlich befördert von an mir vorbei donnernden LKWs - das umstrittene Hydropower Dammprojekt, von dem ich gelesen hatte, ist nicht weit.

    Einziges Highlight ist ein erstes Fundstück hiesiger Grabsteinkunst, die ich am Wegesrand bestaunen darf, weil sich hier wohl zwei Kollegen in Ihrem Bimma, der ebenso sogar samt Nummernschild Teil der Jenseitskunst ist, aus dem Leben geschossen haben.

    Langsam habe ich keine Lust mehr auf Sandsturm und Panade auf der schwitzigen Haut, ich halte den Daumen raus und einer der LKWs nimmt mich 3-4km mit. Vorbei an den Baggern und Raupen, die das Flussbett bearbeiten und riesige Gesteinsbrocken bewegen - es kracht, knirscht und wummst überall. Hatte ich schon erwähnt, dass ich in den zwei Wochen in Georgien keinem einzigen Fahrzeug mit intakter Windschutzscheibe sitzen werde?

    Kurz vor Chuberi heißt es dann wieder Fußensatz. Chuberi ist der offizielle Einstieg nach Nakra. Es gibt sogar wieder eine Tafel, die die Route beschriebt. Auch einen Laden und eine Kneipe soll es hier geben. Der Laden hat zu, die Kneipe entdecke ich gar nicht erst. Der Weg schraubt sich direkt wieder bergauf, erreiche Zemo Marghi, eine kleine Siedlung, daneben eine Wiese mit Bäumen und Ausblick, unweit eine Quelle verzeichnet - perfekt um hier zu verweilen - und das sogar zur Abwechslung noch im Hellen. Ich fragte mich beim Anstieg aus Chuberi noch, wie lange das Netz wohl diesmal halten wird, da werden auf den Kämmen dicke Mobilfunkantennen sichtbar, die das ganze Tal lang strahlen. Zu Hause ist der Empfang schlechter als in meiner Hängemattewürde ich meinen. Während ich darüber nachdenke, ob es nun eher erstaulich oder erschrechend ist, dass Netflix & chill irgendwo im nirgendwo auf etwa 1300m eine erschreckend reale Option ist, vergesse ich direkt für einen Moment, dass ich keine Serien mag.


    Ehe ich aufbaue, mache ich noc runter zur Quelle, bin inzwishcen doch fast leer gelaufen, will noch kochen und morgen lieber direkt durchstarten. Ich treffe ein paar jüngere Bewohner an der Quelle, die etwas englisch sprechen. Sie sind neugierig und wollen später bei mir vorbei kommen. Ich wasche mir die Staubkruste vom Leib, das kalte Quellwasser ist herrlich, ich bin wie neugeboren. Dann Aufbau, Essen, es dämmert, dann noch ein paar Langzeitbelichtungen vom Camp.

    Ich liebäugele gerade mit der Hängematte, da kommen die zwei Jungs tatsächlich noch vorbei. Sie haben Maiskolben im Gepäck und laden mich ein auf ein Lagerfeuer, um diese zu rösten. Zum Glück bin ich noch nicht in mein stylisches Nachtoutfit inklusive Strumpfhose geschlüpft. Ich freue mich über die gastfreundliche Idee, aber die ganze Aktion zieht sich. Die Maiskolben landen direkt auf der roten Glut, gegessen wird eher zylinderförmige Kohle als dass man noch von Mais sprechen könnte.

    Nach gutem Willen und einem Kolben passe ich. Etwas Verständigung ist möglich, Google Translate hilft zusätzlich. Die Jungs erzählen von den zahlreichen Bären in der Gegend, die sie immer wieder sehen - ich weiß nicht genau, ob ich das hören wollte. Auf das Staudamm Projekt sind sie nicht gut zu sprechen, leider können wir uns nicht gut genug verständigen, im die Gründe zu erörtern. Ich bin tot - und glücklich, als ich mich irgendwann verabschieden kann, der Tag war lang. Ich penne direkt weg. Alles in allem ein komischer Tag. Für's Auge eher Überbrückung, trotzdem irgendwie befriedigend, weil endlich ordentlich Strecke gemacht und der erste Abschnitt geschafft ist. Auch im hellen an einem wirklich schönem Platz aufgebaut zu haben belohnt.