Hier mein erster Versuch des Etappenwanderns mit Zelt auf dem Weserberglandweg und meine Feststellung, dass Ultraleicht gar nicht so einfach ist....
Ich habe mir im Frühjahr für meine Fahrradtouren (E-Bike) Zelt, Luftmatratze und Schlafsack gekauft. Dabei zwar schon auf das Gewicht geachtet, aber in erster Linie auf das Schlafsetting. Ich habe schon seit Jahren Schichtdienstbedingte Schlafstörungen und auf einer schmalen Isomatte mache ich kein Auge zu, leider...
Auch sollte mein Zelt ein Innenzelt haben, damit ich alle Teile getrennt voneinander aufbauen kann. So bin ich mit den großen Vier schon bei 4,5kg (der Rucksackkauf ist noch nicht beendet, aber ein anderes Thema).
Und jetzt geht das "Ich bescheiss mich selbst am besten" los:
Da ich erst einmal kleinere Testtouren plane, brauche ich ja keinen Kocher und auch nicht viel Proviant. So packe ich den 60l Übergangs-Rucksack mit den Sachen voll, die ich gerne auf der Tour dabei hätte und nicht nur die, die ich unbedingt brauche und komme so auf ein Gesamtgewicht inclusive Wasser und Proviant von 12 kg. Mit der inneren Ausrede, dass ja selbst der krasseste Ultraleichtwanderer vor seiner 7-tägigen Wüstendurchquerung ohne Resupply bestimmt auch mit so einem Gewicht losläuft.
Und sowieso sind es nur 4 kg, da ich vor einiger Zeit noch 8kg mehr auf den Hüften hatte, das zählt ja auch...
Außerdem sind meine drei Etappen nicht über 20 km lang und ich habe genug Zeit für Pausen. Die zweite Etappe will ich außerdem nur mit Tagesgepäck laufen, da es auf der Sababurg keinen Campingplatz gibt und ich mit dem Bus zurück fahren werde. Aber das kommt auch noch anders.
Den ersten Test mit Übernachten im (am) Wald (Trekkingplatz Firnsbachtal) habe ich schon hinter mir und das war sehr schön, obwohl die Gräusche der eigentlich nicht so nahen Autobahn die Naturgeräusche ziemlich platt gemacht haben. Aber da bin ich mit dem Gepäck gut zurecht gekommen und morgens statt den geplanten 5km zur Straßenbahn noch 5km mehr durch den schönen Bergpark Wilhelmshöhe gelaufen. Also fand ich mich schon mal gut vorbereitet - husthust....
Ich also morgens mit dem Bus nach Hann Münden gefahren und frohen Mutes bei hochsommerlichen Temperaturen losgestiefelt.
Erste Etappe: Hann Münden - Veckerhagen (für mich Hemeln), 18km, 500hm. Also quasi euer Pensum vor(!) dem Frühstück...
Landschaftlich ist das jetzt nicht so aufregend, bisschen Hügel und Wald mit zwischendurch Blick auf die Weser. Der Rucksack ohne Tragegestell ist ungewohnt, es liegt mehr Gewicht auf den Schultern und ich muss den Beckengurt richtig eng schnallen, damit das alles halbwegs hinhaut. Trotzdem läuft alles gut und nach 18 km erreiche ich Veckerhagen, wo ich mit der Fähre nach Hemeln zum dortigen Campingplatz übersetze.
Ich mag Campingplätze eigentlich ganz gerne, allerdings nur die kleinen ohne viel Gedöns.Hier gibt es eine riesige Zeltwiese, dort bin ich das dritte Zelt und habe massig Abstand zu den Nachbarn.
Tja, und jetzt kommt die erste Überraschung. Ich ziehe die (gut eingelaufenen) Schuhe aus und finde zwei Blasen, klein aber fein. Auch der Zehnagel am linken großen Zeh tut weh. Ob das von der langen Bergabstrecke an Schluss kommt, wo ich auch schneller unterwegs war, keine Ahnung... Geh ich erstmal duschen und Pizza essen.
Nachts im Zelt ist es schön ruhig, die Campingplatzgeräusche sind weit genug weg, bis auf einmal gegen Mitternacht zwei Jungs meinen, lautstarke Ballermann"musik" nebst ebenso lauten Gegröhle wären genau die richtige Unterhaltung für uns Zelter. Und mit laut meine ich echt laut!
Gottseidank ist mein Nachbar schneller genervt als ich, spricht drei Takte und dann ist wieder Ruhe (bis auf den Ballermannohrwurm, den ich jetzt im Kopf habe - irgendwas mit Bumsbar sein, das krieg erstmal aus dem Kopf raus...
Etappe 2: Veckerhagen - Sababurg, (so die Theorie, in der Praxis 12 gefrustete Kilometer im Regen durch die Pampa).
Komischerweise war es nachts echt kalt und so gegen vier bin ich aufgestanden und hab mir im Waschhaus eine Wärmflasche gemacht. Das hat so gut geklappt, dass ich das noch warme Wasser gleich morgens für Kaffee und Porridge verwendet habe (ich bin Krankenschwester, da hat Kaffee nicht zu schmecken, sondern zu funktionieren!)
Mein Plan für heute: Etappe 2 zur Sababurg laufen, dort schön was essen und ggf. eine Runde durch den Tierpark. Kenne ich zwar alles schon, ist aber trotzdem schön. Dann mit Bus und Fähre zurück, also nur Tagesgepäck. Es Regen angesagt und das finde ich bei über 30 Grad sehr angenehm, zumal man im Wald etwas geschützt ist.
Erste Feststellung: Ein 60l Rucksack ist nicht unbedingt für Tagesgepäck geeignet, hüstel.... Er schiebt sich am Rücken zusammen und das Tragegefühl ist sehr seltsam. Immerhin scheuert nichts. Die Füße nehmen mir den gestrigen Tag leider noch übel, aber egal.
Auf der Hälfte mache ich eine Pause und gucke nochmal in die ÖPNV App. Ich hatte am Vortag schon meine Busverbindungen gecheckt, Sonntags fährt nur alle zwei Stunden was. Aber jetzt: Fahrt fällt aus, Fahrt fällt aus, Fahrt fällt aus!
Einen einzigen Bus gibt es noch, aber für den müsste ich jetzt die letzten Kilometer den Berg hoch hetzen, natürlich ohne Verlaufen (schwierigschwierig, da ich gerne mal was verpasse beim Umhergucken) und wenn der dann weg ist, gucke ich blöd. Theoretisch könnte ich ja die Strecke wieder zurück laufen, aber dann fährt die Fähre nicht mehr und es gibt auf vielen Kilometern keine Brücke.
Erstmal bin ich voll angepisst und dehne meine Pause so lange aus, bis ich definitiv keinen Bus mehr kriege. Inzwischen regnet es auch richtig und wird schwül ohne Ende. Genervt und sauer auf mich selbst (hätte ja früher losgehen können) breche ich ab, latsche auf dem schön asphaltierten Weserradweg zurück und denke, ich bin das größte Weichei unter diesem Himmel.
Es sind weder Fußgänger noch Radler unterwegs, nur manche Autofahrer gucken blöd, wie ich da so patschnass langstapfe.
Nun war ja der weitere Plan, am nächsten Morgen mit dem Bus zur Sababurg zu fahren und von dort aus die Etappe nach Bad Karlshafen in Angriff zu nehmen.
Allerdings tun mir die Füße echt weh und ich bin immer noch sauer wegen den Bussen und überhaupt hab ich mir das ganz anders vorgestellt...
Außerdem wiegt der Rucksack immer noch 11,5kg, dank Pizzeria sind meine Vorräte nicht sonderlich geschrumpft.
Das Wetter ist auch noch nicht viel besser und ich habe keine Lust, den restlichen Tag in feuchten Klamotten auf dem Campingplatz rumzusitzen.
Also packe ich zusammen und sitze eine Stunde später im Bus nach Hause. Mein Mann guckt nicht schlecht...
Am nächsten Tag bleibe ich zuhause und schmolle vor mich hin, aber eigentlich sind die vier freien Tage zu kostbar, um sie auf dem Sofa zu verbringen.
Und so tape ich am Morgen darauf meine Blasen, ignoriere den Zehnagel (der sich tatsächlich später blau verfärbt, aber immerhin dran bleibt) und steige wieder in den Bus. Wie schön sich doch mein alter 26l Vaude mit Tragegestell und Tagesgepäck anfühlt
Etappe 3: Sababurg - Bad Karlshafen 18,5km 360 hm rauf, 540 runter.
Es ist wieder heiß, aber durch den Wald erträglich, nur die Mücken haben durch die feuchte Wärme ihr volles Potenzial entfaltet. 12 Stiche werden es später sein - und mein nächstes Utensil ist Autan im Minifläschchen für unterwegs, morgens die Beine einsprühen reicht einfach nicht...
Der Weg ist wechselhaft, von Forststraße bis hüfthohe Wiesenpfade ist alles dabei. Ich sehe die Zecken quasi auf mich warten und klopfe mich nach jedem engeren Weg hektisch ab.
Außer mir ist niemand unterwegs und teilweise sieht die Borkenkäfergeschädigte Landschaft echt bizarr aus. So macht wandern echt Spaß!
Am Nachmittag komme ich gechillt am Ziel an, gönne mir erstmal ein großes Eis im Schatten des Bad Karlshafener "Hafens" und dann auf mit Bus und Bahn nach Hause.
Fazit: Ich habe viel gelernt!
Ultraleicht werden ist schwerer als gedacht (und teurer auch). Bescheissen kann man nur den Kopf, leider nicht den Körper. Große Rucksäcke passen nicht zu kleinem Gepäck. Blaue Zehnägel sind eine lange Reiseerinnerung.
Ich ziehe ja sooo den Hut vor euch mit den vielen tollen Touren, teils durch Wüste, Unwetter und Schnee, Respekt!