Diese Erläuterung soll Anfängern und Einsteigern eine grobe Übersicht zu verschiedenen Zeltmodellen und deren individuellen Vor- und Nachteilen bieten. Ziel soll sein, die Erstellung von Duplikaten im Forum weitgehend zu reduzieren und bereits erste Empfehlungen zur Auswahl geeigneter Modelle auszusprechen.
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung von Ruskaman und wilbo. Vielen Dank dafür!
1 Einleitung
Verschiedene Anwendungsfälle erfordern verschiedene Zeltformen. Während eine Wanderung bei geringer Windstärke und mit wenig Regen in entsprechender Höhenlage durchaus mit einem simplen Tarp absolviert werden kann, so können Wintertouren, stürmische Wetterlagen oder auch Starkniederschläge mit derartigen Leichtvarianten nur sehr schwer komfortabel überstanden werden. Beispielsweise kann ein nasser Schlafsack im Winter einen Tourabbruch oder gar ernsthafte Verletzungen wie Unterkühlung oder Erfrierungen begünstigen, weshalb einer angemessenen Zeltwahl auf jeder Tour eine umfängliche Beachtung geschenkt werden sollte.
Trotz vergleichbarer Zeltgeometrien variieren die Gewichte und Preise bestimmter Modelle signifikant. So bieten zwischenzeitlich die meisten Hersteller gewisse Zeltmodelle in einer günstigeren, etwas schwereren Stoffcharakteristik, aber auch in Varianten aus reinen Leichtbau-Materialien wie Dyneema Composite Fabric (DCF) oder Ultra-TNT (teuer). Die Auswahl des präferierten Materials unterliegt hier einzig und allein dem Nutzenden und seinem finanziellen Budget.
Eine praktikable Einteilung gängiger Zeltmodelle je nach Grundform kann dabei auf Basis der genutzten Gestängeart erfolgen:
- Zelte mit Trekkingstöcken als Gestänge
- Tarptents
- Pyramidenzelte
- Firstzelte
- Zelte mit Gestängebogen
- Kuppelzelte
- Tunnelzelte
- Geodäten
- Andere Zeltformen
Im Bereich des Ultraleicht-Trekkings haben sich überwiegend die Modelle der Tarptents, Pyramidenzelte und Firstzelte durchgesetzt. Im Falle von starkwindgefährdeten Einsätzen (z. B. im Gebirge) kommen jedoch häufig auch Kuppelzelte zum Einsatz.
2 Technologieübersicht
Nachfolgende Abschnitte sollen einen kurzen Einblick in die verschiedenen Bauformen und deren Charakteristika liefern. Die Auswahl des geeigneten Zelttyps erfolgt dabei stets auf Basis der zu erwartenden Bedingungen inklusive eines ausreichenden Sicherheitszuschlags.
2.1 Zelte mit Trekkingstöcken als Gestänge
Ganz im Sinne des Multi-Use sind Zelte mit Trekkingstockaufbau quasi die Standardform im Ultraleicht-Trekking. Sollten während bestimmten Aktivitäten oder aufgrund persönlicher Präferenzen keine Trekkingstöcke verfügbar sein (z. B. beim Bikepacking), so können alternativ auch andere längenverstellbare Stangen (Tentpoles) oder gar Stangen mit fixer Länge genutzt werden. Insbesondere in unebenem Gelände oder auf weichem Boden wird der Zeltaufbau bei Verwendung von Fixlängen jedoch massiv erschwert, weshalb sich längenverstellbare Versionen aus Komfortgründen durchgesetzt haben.
2.1.1 Tarptents
Tarptents auf Basis eines Tarps bieten eine sehr minimalistische und leichtgewichtige Art der Behausung. Eine Plane beliebigen Materials (von leicht bis schwer) wird über mehr oder weniger kreative Stütz- und Spannpunkte zu einer Zeltform aufgespannt, unter der sich eine witterungsgeschützte Liegefläche bildet. Meist werden Tarps aus Gewichtsgründen ohne Innenzelt aufgebaut, wodurch sich der Schutz vor äußeren Einflüssen wie Insekten oder auch Seitenwinden stark reduziert. Durch die Markteinführung von Ultraleicht-Zelten weit unter 500 g mit dem Komfort eines vollwertigen Zelts inkl. Apsiden kann zwischenzeitlich infrage gestellt werden, ob eine derart minimalistische Behausung tatsächlich noch schlagkräftige Vorteile bietet.
Vorteile:
- äußerst minimalistisch
- extrem leicht
- durch Kenntnis verschiedener Bauformen sind durchaus kreative und hochfunktionale Aufbauten möglich
Nachteile:
- zumeist recht niedrige Absteckung, kein komfortables Sitzen möglich
- je nach Aufbau nicht von allen Seiten wind- bzw. witterungsgeschützt
- ohne zusätzliches Innenzelt oder Biwaksack besteht die Gefahr von Insekten
Gängige Vertreter für Tarptents:
- Günstig: Sea to Summit Escapist
- Mittelklasse: Liteway Simplex
- High-End: Bonfus DCF Square Flat Tarp
- High-End: Zpacks Hexamid Pocket Tarp
- MYOG (Selbstbau)
2.1.2 Pyramidenzelte (Pyramids/Mids)
Auf der geometrischen Grundform einer Pyramide basierend, bieten sogenannte "Mids" einen allseitigen Witterungsschutz bei recht hoher Sturmfestigkeit. Je nach Bauform wird die Mittelstange dabei entweder symmetrisch und zentral im Zelt eingesteckt, oder leicht versetzt in abgewinkelter Form abgestützt.
Vorteile:
- extrem windfest in allen Richtungen (gute Ankerpunkte vorausgesetzt!)
- extrem leicht
Nachteile:
- insbesondere im Sturmfall hervorragende und feste Ankerpunkte erforderlich, da sich die gesamte Last maßgeblich auf vier Ankerpunkte verteilt
- bei Versagen eines Ankerpunkts folgt oftmals der Einsturz des Zeltaufbaus
- ggf. störender Stützpfeiler (Tentpole) inmitten des Zelts; durch Bauweise als A-Frame zu beseitigen, was aber nicht bei allen Zeltmodellen möglich ist
- je nach Zeltgröße reicht die Länge von Trekkingstöcken als Tentpole nicht mehr aus, weshalb ein mehr oder weniger instabiles Zusammenstecken der Trekkingstöcke oder eine zusätzliche (längere) Stange als Stützpfeiler erforderlich wird
- die äußersten Bereiche des Zelts sind aufgrund des flachen Winkels der Wandflächen nicht mehr ohne Weiteres nutzbar
Gängige Vertreter (zentrale Mittelstange / symmetrische Bauform) - Grundfläche rechteckig:
- Günstig: Aricxi Pyramide (1)
- Mittelklasse: Six Moon Designs Lunar Solo
- High-End: Bonfus Middus (in allen Varianten)
- High-End: Hyperlite Mountain Gear Ultamid 2 (oder 4)
- High-End: Locus Gear Khafra oder Khufu
Gängige Vertreter (versetzte Mittelstange / unsymmetrische Bauform):
- Günstig: Aricxi Pyramide (2)
- Günstig: 3FULGEAR Lanshan 1 (in allen Varianten)
- Mittelklasse: Tipik Caroux
- Mittelklasse/High-End (je Konfiguration): Trekkertent Stealth
- High-End: Zpacks Plex Solo oder Altaplex
Eine Sonderform der Pyramiden sind Versionen mit vieleckiger Grundfläche. Vieleckige Varianten ähneln den oben genannten Pyramiden bezüglich zentralem Stützpfeiler, bieten aber durch die nicht-rechteckige Grundfläche deutlich mehr Eck- und Ankerpunkte. Damit einher geht eine verringerte Anforderung an die Festigkeit der einzelnen Ankerpunkte, da die Last besser unter den Ankerpunkten verteilt werden kann.
Vorteile:
- extrem windfest in alle Richtungen, auch bei Versagen von einzelnen Ankerpunkten
- mäßiges Gewicht (aufgrund i. d. R. sehr höher Bauhöhe mit großem Stoffbedarf)
Nachteile:
- durch mehr Ankerpunkte und mehr Zeltstoff etwas höheres Gewicht
- Stützpfeiler (Tentpole) inmitten des Zelts. Ggf. durch Bauweise als A-Frame zu beseitigen, was aber nicht bei allen Zeltmodellen möglich ist)
- je nach Zeltgröße reicht die Länge von Trekkingstöcken nicht mehr aus, weshalb eine zusätzliche (längere) Stange als Stützpfeiler erforderlich wird
Gängige Vertreter - Grundfläche vieleckig:
- Günstig: Aricxi Tipi
- Mittelklasse: Tipik Aston (in allen Varianten)
2.1.3 Firstzelte (Ridgeline Tents)
Basierend auf einer extrudierten Pyramidenform bieten Firstzelte den großen Vorteil eines deutlich höheren Innenraumvolumens. Grund hierfür ist die Umlegung des zentralen Stützpunkts auf zwei seitlich der Schlafmatten angeordnete Spitzpunkte, wodurch ein störender Stützpfeiler in Zeltmitte ersetzt wird. Zum Aufbau werden folglich nunmehr zwei Stangen benötigt, zwischen denen beim Abspannen eine Art Firstlinie aus reinem Zeltstoff entsteht. Die querseitig abfallenden Wandflächen bilden Apsiden, während die längsseitigen Wandflächen identisch der Pyramiden noch immer recht flach abfallen, was für große Personen Herausforderungen bezüglich Wandkontakt beschwert.
Je nach Bauform werden Firstzelte unterteilt in symetrische Konstruktionen und in Varianten mit seitlich versetzten Zeltstangen (= Offset-Pole-Structure), welche ein noch größeres Innenraumvolumen ermöglichen. Einen innovativen Ansatz stellt das Tarptent Dipole dar, welches trotz symmetrischer Bauweise über eine Erhöhung der Stirnseiten ein ebenfalls großes Innenraumvolumen bereitstellt.
Vorteile:
- sehr windfest in Firstrichtung
- freie Zeltinnenfläche ohne störende Mittelstange
- leicht
Nachteile:
- nur mäßig windfest quer zur Firstrichtung
- zwei Stangen (= Tentpoles) erforderlich, in der Regel kommen hierfür jedoch die ohnehin transportierten Trekkingstöcke zum Einsatz
Gängige Vertreter (symmetrische Geometrie):
- Mittelklasse: Gossamer Gear The One oder The Two
- Mittelklasse: Trekkertent Drift (in allen Varianten)
- High-End: Bonfus Duos (in allen Varianten)
- High-End: Tarptent Dipole (in allen Varianten)
- High-End: Zpacks Duplex oder Triplex
Gängige Vertreter (Offset-Pole-Geometrie):
- Mittelklasse/High-End (je Konfiguration): Durston Gear X-Mid (in allen Varianten)
- Mittelklasse/High-End (je Konfiguration): Tarptent StratoSpire (in allen Varianten)
2.2 Zelte mit Gestängebogen
2.2.1 Kuppelzelte (Dome Tents)
Im Gegensatz zu den vormals genannten Pyramiden- oder Firstzelten werden Kuppelzelte nicht ausschließlich nur mit vertikalen Stangenformen aufgebaut, sondern in der Regel mit zwei bogenförmigen Gestängen über Kreuz. Durch die resultierende Umhausung und Formung des Zeltstoffes mittels Kreuzgestänge sind Kuppelzelte in der Regel aus allen Richtungen sehr windfest und können (je nach Modell) auch freistehend, d. h. ohne Ankerpunkte aufgebaut werden. Aus Gewichtsgründen erfreuen sich zwischenzeitlich auch Kuppelzelte mit nur einem Bogengestänge größerer Beliebtheit, wobei die vormals erwähnte Windfestigkeit hier nur in Längsrichtung der Bogenstange realisiert werden kann.
Vorteile:
- extrem windfest aus allen Richtungen
- gutes Innenraumvolumen
- in der Regel für alle Jahreszeiten und Höhenlagen (auch Schneelasten) problemlos geeignet
Nachteile:
- durch die beiden Zeltgestänge über den vollen Zeltumfang unmittelbar schwerer als die oben genannten Varianten
- für nicht dehnbare Stoffe im Außenmaterial (z. B. DCF, Ultra-TNT) sind Kuppelzelte ggf. nicht optimal, da die Spannkraft auf das Textilgewebe nur punktuell und nicht flächig übertragen wird
Gängige Vertreter (ein Bogengestänge):
- Mittelklasse: Nemo Hornet
- Mittelklasse/High-End (je Konfiguration): Tarptent Rainbow als Längslieger (in allen Formen)
- Mittelklasse/High-End (je Konfiguration): Tarptent Moment als Querlieger (in allen Formen)
Gängige Vertreter (eineinhalb Bogengestänge):
- Günstig: Aricxi Dome
- Mittelklasse: MSR FreeLite oder Hubba Hubba (Achtung: Scheinbar kam es bei diesen Bauformen schon zu Gestängebruch)
Gängige Vertreter (zwei Bogengestänge):
- High-End: Tarptent ArcDome (in allen Varianten)
- High-End: Durston Gear X-Dome (in allen Varianten)
- High-End: Slingfin Portal bzw. Crossbow
2.2.2 Tunnelzelte
Ähnlich wie die vormals genannten Kuppelzelte werden Tunnelzelte mit durchgängigem Gestänge aufgebaut. In der Regel sind diese Zelte als Längslieger konzipiert, weshalb der Nutzende von einer der beiden Stirnseiten das Zelt betritt. Im Bereich des Ultraleicht-Trekkings sind diese Zeltformen eher weniger verbreitet, weshalb hier auf gängige Vertreter verzichtet werden soll.
Vorteile:
- sehr windfest in Längsrichtung
- gutes Innenraumvolumen dank steiler Seitenwände und hoher Firstlinie
- in der Regel für alle Jahreszeiten und Höhenlagen (auch Schneelasten) problemlos geeignet
Nachteile:
- nur mäßig windfest in Querrichtung
- mindestens zwei, eher drei oder mehr bogenförmige Zeltgestänge sorgen für ein höheres Grundgewicht
- im Gegensatz zu den vormals genannten Kuppelzelten sind Tunnelzelte nicht freistehend
2.2.3 Geodäten
Ebenfalls gänzlich unüblich im Bereich Ultraleicht-Trekking sind geodätische Zeltformen, die in ihrer Formgebung einer Halbkugel gleichen. Diese Zelte bieten in der Regel ein extrem großes Innenraumvolumen bei gleichzeitig sehr hoher Windfestigkeit. Insbesondere bei Expeditionen mit mehreren Personen spielen Geodäten ihre großen Vorteile aus, da ihr deutlich höheres Grundgewicht auf mehr Personen verteilt werden kann.
Vorteile:
- freistehender Aufbau möglich
- äußerst windfest
- gutes Innenraumvolumen
- in der Regel für alle Jahreszeiten und Höhenlagen (auch Schneelasten) problemlos geeignet
Nachteile:
- durch die vielen Gestängebögen vergleichsweise hohes Grundgewicht
Gängige Vertreter:
- High-End: Slingfin Khahiltna Dome
2.3 Andere Zeltformen
Abschließend exstieren noch weitere Zeltformen wie z. B. Tipis, Jurten oder Tschums, die jedoch im Bereich des Ultraleicht-Trekkings in der Regel kaum Beachtung finden.
3 Entscheidungsfindung
Nach Kenntnis der verschiedenen Zeltformen und einer passablen Einteilung in geeignete Varianten können auch persönliche Präferenzen bei der Auswahl eine Rolle spielen. Fragen, die man sich vor dem Kauf stellen sollte:
- In welcher Gegend soll das Zelt eingesetzt werden? Existiert die Gefahr von Sturm, Schneesturm/Spindrift oder peitschendem Regen?
- Genügt mir ein Single-Wall-Zelt (teils anfällig für Kondenswasser und äußere Witterung), oder soll es besser Double-Wall sein?
- Wie groß soll das Zelt sein? Wie viele Personen sollen darin schlafen?
- Möchte ich ein ggf. freistehendes Zelt (ohne Heringe aufbaubar), oder ein reines Abspannzelt?
- Bevorzuge ich einen Längslieger oder einen Querlieger?
- Benötige ich große Apsiden, um z. B. bei Schlechtwetter darin zu kochen?
- Möchte ich aufrecht im Zelt sitzen können, oder genügt mir eine Kauerhaltung?
Auf Basis dieser und vielerer weiterer Fragen kann dann eine abschließende Entscheidung getroffen werden. Wie bei vielen Dingen im Leben gilt auch hier: Eine eierlegende Wollmilchsau existiert faktisch nicht - ultraleicht und trotzdem extremwettertauglich schließt sich gegenseitig aus. Hier gilt es, sinnvolle Kompromisse einzugehen und ggf. sogar verschiedene Zeltmodelle für verschiedene Anwendungsfälle zu erwerben.
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